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Social Media überlagert unseren Medienkonsum

Geschrieben von Petra Schwegler | 26. September 2024

Wir Deutschen nutzen täglich weiterhin viele verschiedenen Medien über etliche Stunden hinweg. Doch während wir sukzessive etwas weniger lang lineares Fernsehen oder Radio einschalten, wachsen unsere Verweildauern vor digitalen Pendants im Netz und Stream gerade nicht mehr an. Vielmehr setzen wir nun mehr auf Social Content. Diese Ergebnisse der neu formierten ARD/ZDF-Medienstudie ergänzt der Kinder Medien Monitor 2024 mit Aussagen darüber, wie das Publikum von Morgen gerade mit den Medienangeboten von Heute sozialisiert wird.

 

Erst kürzlich hat die Unternehmensberatung Simon Kucher verdeutlicht, dass unser aller Hang zur konstanten Präsenz des Smartphones zur Konkurrenz für klassische und sogar neue Medienangebote wird. Social Media werde zur ernstzunehmenden Konkurrenz fürs Streaming, lautete ein Kernergebnis der "Global Streaming Study 2024".

Nun legt die neu formierte ARD/ZDF-Medienstudie nach. Sie kombiniert die bisherigen Langzeitstudien von ARD und ZDF, ARD/ZDF-Massenkommunikation Trends sowie ARD/ZDF-Onlinestudie. Sie trifft künftig jährlich Aussagen darüber, wie sich die Mediennutzung in Deutschland entwickelt.

Das Gesamtwerk kommt bei der Premiere zu dem zentralen Ergebnis: Der Rückgang im Linearen führt nicht automatisch zu Wachstum bei anderen Angeboten. Nur Soziale Medien machen Plus.

 

Was die ARD/ZDF-Medienstudie über unseren Medienkonsum aussagt

  • Die Menschen in Deutschland (ab 14 Jahren) nutzen Medien täglich 384 Minuten pro Tag. Binnen Jahresfrist ist damit unser Medienkonsum um 28 Minuten auf knapp sechseinhalb Stunden zurückgegangen. Das Forscherteam führt das Minus auf den „Rückgang der linearen Mediennutzung“ zurück.
    Wörtlich heißt es: „Dabei geht die Radio-Hördauer etwas stärker zurück als die Sehdauer beim Fernsehen. Da die Nutzungsdauer non-linearer Angebote kaum wächst, sinkt der Medienkonsum insgesamt.“
  • Je nach Alter gehören Streams und Online-Angebote, die unter die Kategorie der Medien mit „zeitsouveräner Nutzung“ fallen, unterschiedlich stark zu unserem Alltag. Über alle Zielgruppen hinweg überwiege die lineare Nutzung sowohl bei Video (58 Prozent) als auch bei Audio (71 Prozent) nach wie vor die non-lineare, heißt es. Wer zwischen 14 und 29 Jahren alt ist, wählt bei Bewegtbild bevorzugt (88 Prozent) den Abruf oder Stream und bei Audio überwiegend (68 Prozent).
    Die daran anschließende Altersgruppe der 30- bis 49-Jährigen verbringen 65 Prozent ihrer Sehdauer vor non-linearen Inhalten, „während das Verhältnis bei der Hördauer noch umgekehrt ist (65 Prozent linear vs. 35 Prozent non-linear)“.
  • Bei der Reichweite zeigt sich deutlich, dass weniger lineares TV oder Radio nicht automatisch zu einem Plus im Stream führt. Beispiel: 73 Prozent der Bevölkerung sehen mindestens einmal wöchentlich lineares Fernsehen; das sind sechs Prozentpunkte weniger als 2023.
    „Die Reichweiten von Fernsehsendungen in Mediatheken oder auf YouTube, aber auch anderer YouTube-Inhalte bleiben hingegen konstant, ebenso wie die von Videos bei Streamingdiensten“, teilen ARD und ZDF mit. Hier erzielt Netflix mit 35 Prozent die höchste wöchentliche Reichweite, gefolgt von Amazon Prime Video sowie der ARD Mediathek und der ZDFmediathek.
  • Apropos Mediatheken: Das als BVoD bekannte Angebot von Fernsehsendern erreichen demnach die Altersgruppen „gleichmäßiger“ als Video-Streamingdienste, bei denen es ein ausgeprägtes Altersgefälle gebe. Will heißen: Während etwa nutzen 71 Prozent der 14- bis 29-Jährigen Videostreaming-Angebote täglich oder wöchentlich nutzen (62 Prozent bei den 30- bis 49-Jährigen, 30 Prozent der 50- bis 69-Jährigen), sind es nur neun Prozent der über 70-Jährigen.
    Bei den Mediatheken sei die Verteilung gleichmäßiger, heißt es. „Täglich oder wöchentlich werden sie von 44 Prozent der 14- bis 29-Jährigen genutzt (45 Prozent der 30- bis 49-Jährigen, 38 Prozent der 50- bis 69-Jährigen) – aber auch ein Viertel der über 70-Jährigen nutzt die Angebote täglich oder wöchentlich“, so die Studie.
  • Auch im Audio-Bereich führe der Rückgang im Linearen nicht automatisch zu Wachstum bei anderen Angeboten, heißt es weiter. Das lineare Radio verliert demnach im Vergleich zu den Vorjahresanalysen vier Prozentpunkte auf 78 Prozent mindestens wöchentliche Nutzung. Doch Radiosendungen und Podcasts sowie Musikstreamingdienste stagnieren auf den Werten des Vorjahres.
  • Im Bereich Text sinke die Reichweite gedruckter Zeitschriften und Zeitungen weiter, während Onlineangebote davon nicht profitieren könnten.
  • Dagegen überlagert Social Media offenbar immer mehr unseren Medienkonsum: Denn echtes Wachstum macht die ARD/ZDF-Medienstudie teilweise bei Social-Media-Anbietern aus. Die Details: „Hier kann Instagram seine Reichweite um drei Prozentpunkte steigern und wird nun von 37 Prozent der Bevölkerung mindestens einmal wöchentlich genutzt. Es liegt damit nun vor Facebook (konstant bei 33 Prozent). Auf dem dritten Rang folgt TikTok mit 18 Prozent Reichweite (plus 3 Prozentpunkte).“

Die Sender reagieren und verlagern

Für hr-Intendant Florian Hager, der als Vorsitzender der ARD/ZDF-Forschungskommission auftritt, verdeutlicht das Werk, „wie tief die Medienlandschaft im Wandel steckt“. Die Gewichte würden sich weiter in Richtung non-lineare Nutzung verschieben, zugleich könnten die Menschen dort aus immer mehr Angeboten wählen. Zufrieden zeigt sich der ARD-Manager damit, wie sich die Reichweiten der Mediatheken von ARD und ZDF entwickeln und „Spitzenwerte“ erzielen.

Doch der Umstand, dass vor allem Jüngere immer stärker Videos in Sozialen Netzwerken oder auf YouTube sehen, lässt Hager nachdenklich zurück. Der hr-Intendant leitet daraus einen Auftrag ab: „Wir müssen mit zeitkritischen und kurzen Inhalten – vor allem Nachrichten – da sein, wo die Menschen sind. Und gleichzeitig müssen wir darin investieren, dass mehr Menschen unsere einmaligen Inhalte – großartige Fiktion und Dokumentationen – auf unseren eigenen Plattformen finden."

Aktuell haben NDR, SWR und WDR den neuen Instagram-Kanal @yourdoku.ard aus der Taufe gehoben (Foto oben; Quelle - ARD Presse). Dort werden Doku-Themen ausgespielt, „die berühren und bewegen“, wie es in der Ankündigung heißt. Aus der Not wird hier eine Tugend gemacht: Die drei ARD-Sender haben bisher separat die Insta-Channels "swrdoku", "21 Gramm" und "ndrdoku" befüllt und wollen nun, um „Kräfte zu bündeln und die Reichweite zu erhöhen sowie Ressourcen zu sparen“ einen gemeinsamen Instagram-Kanal betreiben. Kernzielgruppe von @yourdoku.ard sind jüngere Frauen zwischen 25 und 34 Jahren. Ihnen wollen die Sender via Instagram Doku-Themen zur Hand geben, „die im Alltag von jungen Menschen einen echten Mehrwert liefern, gesellschaftlich relevant und gesprächswertig sind“.

 

Die Kids werden die Veränderungen vorantreiben

Aufschluss darüber, wie die nächste Generation tickt und Medien konsumieren könnte, gibt daneben der aktuelle Kinder Medien Monitor 2024 von Egmont Ehapa Media, Gruner + Jahr, Super RTL, Edeka Media und dem Panini Verlag.

Ein zentraler Satz aus der repräsentativen Markt-Media-Studie lautet: „Kinder im Alter von vier bis 13 Jahren sind wahre Multimediaprofis.“ Deutlich machen die Ergebnisse, dass bereits die Kleinsten in nahezu allen Mediengattungen, aber auch in Social Media unterwegs sind.

Die Ergebnisse im Detail:

  • Mindestens mehrmals wöchentlich schauen die vier- bis 13-Jährigen laut Kinder Medien Monitor 2024 in ihrer Freizeit Sendungen, Serien, Filme oder Videos (92 Prozent). Sie lesen Zeitschriften, Comics, Mangas oder Bücher (63 Prozent) – „übrigens bevorzugt auf Papier (88 Prozent)“, macht die Studie deutlich. Sie hören Musik, Hörbücher, Hörspiele, Podcasts und Radio (88 Prozent), und sie zocken (59 Prozent).
    Kurzum: „In der Welt der Kinder findet jedes Medium seinen Platz – altersgerecht und passend zu ihren Bedürfnissen.“

  • Acht Prozent der Kinder dürfen demnach selbst darüber entscheiden, welche Apps oder Webseiten sie nutzen. Bei der Auswahl der Fernsehsendungen haben 18 Prozent freie Wahl, bei Büchern und Zeitschriften 42 Prozent.
    Die Studienautor:innen kommentieren: „Die kleinen Medienexpertinnen und -experten managen die Vielfalt an Angeboten souverän und bedienen sich je nach Stimmung und Situation der verschiedenen Gattungen – in den Grenzen, die ihre Eltern für angemessen halten.“
  • Hinterfragt wurde der Anlass, warum Kinder Medien nutzen. Gemeinsam sei dabei allen Angeboten: „Sie sorgen für Entspannung. Ob zum Lachen, zum Eintauchen in spannende Geschichten oder einfach zum Abschalten vom Alltag – Medien bieten eine willkommene Auszeit“, heißt es über die Motive der Kleinen.
  • Besonders beliebt ist und bleibt Bewegtbild. Die Studie nennt als Grund, dass Kinder – in dem Fall sind Sechs- bis 13-jährige gemeint – vor allem einschalten, um zu lachen (63 Prozent). Um beim Konsum von Filmen, Serien & Co. zu entspannen, ist für 62 Prozent der Grund zum Einschalten. tun
  • Beim Lesen suchen dagegen viele Kinder den Nervenkitzel in spannenden Geschichten (55 Prozent der Sechs- bis 13-Jährigen).
  • Musik, Hörspiele, Hörbücher oder Podcasts werden laut Kinder Medien Monitor allem zur Entspannung gehört (67 Prozent).
  • Auch Gaming wird in der ganz jungen Zielgruppe schon gelistet. Als Motiv steht hier „Abschalten und Entspannen“ mit 51 Prozent an erster Stelle. Allerdings melde sich hier auch der Ehrgeiz, heißt es weiter: „39 Prozent lieben am Gaming, dass sie sich mit anderen messen können." (Basis: Sechs- bis 13-Jährige; jeweiliges Medium mindestens selten genutzt.)

Der Blick darauf, welche Devices die Kleinsten bereits in nutzen und/oder in Händen halten, macht deutlich, dass mit ihnen gerade ein ganz neue Generation von Medienkonsument:innen heranwächst:


Erziehungsberechtigte glauben an Medienkompetenz ihrer Kinder

Noch ein paar Worte zu den Eltern: Laut Studie lassen sie ihre Kinder nicht allein bei der Wahl der Medien und Angebote. Drei Viertel der Mütter und Väter schätzen ihre vier- bis 13-jährigen Kinder zudem als „medienkompetent“ ein. Dabei würden klassische Medien „das größte Vertrauen der Eltern“ genießen, heißt es. Zeitschriften halten sie demnach für besonders kindgerecht, um Inhalte im eigenen Tempo aufzunehmen (68 Prozent), Fantasie und Kreativität zu fördern (63 Prozent) und den richtigen Umgang mit Medien zu lernen (56 Prozent).

TV, Mediatheken und Streamingdienste werden mit „Spaß und Freude“ verbunden (79 Prozent); zugetraut wird den Angeboten von Erziehungsberechtigten auch, dass sie das Erinnerungsvermögen (69 Prozent) fördern und dass sie – fast gleichauf mit Zeitschriften – für einen Lerneffekt bei ihren Kindern sorgen (TV: 67 Prozent; Zeitschriften: 66 Prozent).

Das Institut mindline media GmbH hat von Ende März bis Anfang Juni 2213 Eltern befragt.

 

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