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Starke TV-Marken finden starken Zuspruch im Stream

Geschrieben von Lisa Priller-Gebhardt | 17. Juli 2024

Einmal mehr beweisen die Charts der deutschen Mediatheken: Große Formatnamen aus dem linearen Fernsehen sorgen auch im Streaming für Peaks bei den Abrufen. Zudem spielte König Fußball im ersten Halbjahr 2024 bei den Top-Hits im deutschen BVoD-(Broadcaster Video on Demand)-Markt mit.

 

Prime Video, Netflix, Disney+. Diese drei US-Streamer besetzen die vorderen Plätze der deutschen SVoD-Charts und vereinen die meisten Abos auf sich. Laut der Streaming-Suchmaschine  JustWatch lagen ihre Marktanteile in Deutschland bei 31, 29 beziehungsweise 19 Prozent. Von den deutschen Angeboten wird dort lediglich RTL+ aufgeführt, mit einem Anteil im SVoD-Bereich von einem Prozent.

 

Das ist im Vergleich zu den US-Streaming-Häusern freilich mager, doch insgesamt können sich die Zahlen von RTL+ sehen lassen. Das Angebot hat 2024 ein gutes erstes Halbjahr hingelegt und bezeichnet sich selbst als „Nummer 1“ unter den privaten Senderfamilien und ihren Mediatheken.

„Bei den 14- bis 29-Jährigen lagen wir im ersten Halbjahr mit einem Nutzungsvolumen von über 79 Millionen Stunden auf Platz 1 aller AGF-gemessenen Streaming-Anbieter und damit 20 Prozent über dem Vorjahr“, sagt RTL-Streaming-Chef Henning Nieslony.

Dabei ist die erfolgreichste Programmmarke im Streaming „ntv Nachrichten“. Und auch Reality punktet – wobei die so genannten Best Brands des Senders wie „Ich bin ein Star – Holt mich hier raus!“ und „Gute Zeiten, schlechte Zeiten“ ganz oben in der Liste der Streaming-Hits rangieren.

Des Weiteren zählen Marken wie „Let’s Dance“ und das „Sommerhaus der Stars“ sowie eigenproduzierte Fiction wie „Sisi“ oder „Pumuckl“ zu den Streaming-Magneten. Und natürlich spielt auch der Sport, darunter die Spiele der EURO 2024 oder American Football (NFL), eine große Rolle. „Er ist die Kirsche auf der Torte“, sagt Nieslony.

 

Womit punktet Mitbewerber Joyn?

 Auch in Unterföhring sind die altbekannten Formate Haupttreiber des Wachstums. „Es sind vor allem die großen, bestens eingeführten Content- und Formatmarken der ProSiebenSat.1-Gruppe wie 'Germany’s Next Topmodel" und ‚Wer stiehlt mir die Show?‘ sowie der SAT.1-Serien-Hit ‚Die Landarztpraxis’ die bei Joyn bestens funktionieren“, sagt Joyn-CEO Katharina Frömsdorf.

Jokos ProSieben-Show-Hit WSMDS lockt Fans auch zu Joyn (Foto: ProSiebenSat.1)

Das hauseigene BVoD-Angebot beklatscht das „dritte Rekordquartal in Folge“, allerdings ohne ganz konkret zu werden. Nur so viel: Joyn ist im zweiten Quartal 2024 um 47 Prozent bei den monatlichen Video-Nutzer:innen und 28 Prozent bei der Watchtime im Vergleich zum Vorjahresquartal gewachsen.

Daneben laufen die Genres Reality und Comedy, und dort vor allem serielle fiktionale Inhalte, sehr gut. „Dieses Genre-Duo steht momentan auch im Zentrum der Content-Entscheidungen für Joyn“, so die Plattform-Chefin.

 

Reality funktioniert gut im BVoD

Die großen Programmmarken funktionieren also in beiden Welten. „Grundsätzlich ist es so, dass das Publikum bei RTL im Schnitt 57 Jahre und das von RTL+ im Schnitt 37 Jahre alt ist“, sagt Nieslony. Darauf wird bereits bei der Formatentwicklung geachtet.

Doch ähnlich wie bei Joyn haben auch bei RTL+ eher die Reality-Formate ihr Zuhause, „weil es dort eine riesige Fanbase gibt“, so der Streaming-Chef. So werde die Bachelorette in diesem Jahr zum Beispiel erstmals auch exklusiv auf dem Streaming-Dienst und nicht mehr bei RTL zu sehen sein.

Auch bei Joyn steht der Reality-Nachschub fürs zweite Halbjahr bereit. „Es warten acht neue Starts oder Staffeln sowie drei neue Serien auf die Zuschauer:innen, allen voran die Vampir-Comedy ‚Der Upir‘ mit Fahri Yardim und Rocko Schamoni in den Hauptrollen“, kündigt Frömsdorf an. 

Nicht alle jungen Formate sind auch tatsächlich attraktiv für das jugendliche Zielpublikum. Daher ist es eine lange Reise bis an die Chartspitze.
Katharina Frömsdorf, Joyn

 

Streaming bedient TV-Fan-Communities

Doch während sich neue Formatmarken im Streaming erst hochkämpfen müssen, laufen ausgerechnet die aus dem linearen TV bekannten Inhalte Newcomern im VoD-Segment den Rang ab. „Streaming-Dienste nutzen etablierte Erfolgsformate des traditionellen Fernsehens, um bestimmte Fan-Communities als Nutzer:innen zu gewinnen“, sagt Joan Bleicher, Professorin der Medienwissenschaft an der Universität Hamburg. „Die Grundelemente erfolgreicher Formate sind gleich, nur die Distributionswege und Nutzungsformen sind unterschiedlich“, so die Wissenschaftlerin.

Dagegen können sich junge, neue Formate nur selten bis an die Spitze der Mediatheken-Charts vorkämpfen. „Knallige, da innovative Formate, müssen sich erst bei kleinen Zielgruppen durchsetzen, bevor sie ‚massentauglich‘ werden.“ Und: Nicht alle jungen Formate sind auch tatsächlich attraktiv für das jugendliche Zielpublikum, so die Professorin. Daher sei es „eine lange Reise bis an die Chartspitze“.

 

Serien tragen zum Erfolg der Mediatheken bei

Neben den privaten Mediatheken erfreuen sich vor allem öffentlich-rechtliche Angebote großer Beliebtheit. Bei der ARD stehen täglich 200.000 Programminhalte zum Abruf bereit, ihre Mediathek ist die meistgenutzte in Deutschland – es sind täglich 2,7 Millionen Menschen. Publikumsmagneten sind neben Fußball fiktionale und dokumentarische Mehrteiler.

"Zum Erfolg tragen vor allem serielle Formate wie ‚Oderbruch‘, ‚TESTO‘, ‚Almania‘ oder ‚Die Zweiflers‘ bei. Aber auch bei Live-Events wie dem ESC-Finale oder der Fußball-EM erweist sich die Mediathek als Magnet für alle Altersgruppen“, sagt Sophie Burkhardt, Channel Managerin ARD Mediathek. Sie freut besonders, „dass die Akzeptanz der Mediathek beim jungen Publikum kontinuierlich steigt“.

Das lineare Programm hat einen Schaufenster-Effekt.

Sophie Burkhardt, ARD Mediathek

 

Beim ZDF war die Fußball-EM ebenfalls Treiber in Sachen Abrufzahlen. Dabei haben nicht nur die Wettkämpfe, sondern ebenfalls Dokumentationen, wie die über Joshua Kimmich und „Heimvorteil mit Tommi Schmitt“ ihre Fans gefunden. „Doch unser absolutes Streaming-Highlight ist ‚Der Schwarm‘, knapp dahinter ‚Gestern waren wir noch Kinder‘“, sagt der Leiter der Hauptabteilung Programmplanung, Florian Kumb.

 

Wie groß ist der Push-Effekt durchs lineare TV?

„Beide Ausspielwege unterstützen sich gegenseitig. Das lineare Programm hat beispielsweise einen Schaufenster-Effekt, der in den Zahlen der Mediatheksnutzung rund um lineare Ausstrahlungen gut erkennbar ist“, sagt Kumb.

Doch nicht alles, das im Linearen gut performt, kann sich im Streaming durchsetzen. Manchmal gehen Perlen auch unter. „Wir setzen daher auf eine Vielzahl von Instrumenten, individuell kombiniert je nach Angebot, um unsere öffentlich-rechtlichen Inhalte bekannt zu machen. Dies reicht von Social Media bis zu Connected-TV-Platzierungen“, erklärt der ZDF-Experte.

Kumb räumt gleichzeitig ein: „In der Distribution der Inhalte müssen wir noch besser an das Publikum heranrücken.“

 

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