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Streaming-Anbieter nehmen Kosten ins Visier

Geschrieben von Petra Schwegler | 24. Januar 2023

Das Interesse am Bewegtbild aus dem Netz ist beim User groß, die Streaming-Anbieter ziehen mit immer neuen Angeboten mit. Doch es macht sich Ernüchterung im Wachstumsmarkt breit: Bei einer Veranstaltung wurde deutlich, dass mit Streaming im Großen und Ganzen wenig Geld verdient wird. Anbieter müssen ihre Kosten in den Griff bekommen und im Gegenzug klug investieren. 

 

Die Lage im Bewegtbild-Streaming kann ganz gut mit der Entwicklung des (illegalen) Passwort-Teilens gleichgesetzt werden:

Anfangs haben die Anbieter wie Netflix gern akzeptiert, dass ein Account von vielen Nutzer:innen in Gebrauch war. Es galt, das Angebot bekannt zu machen und möglichst viele potenzielle Abonnent:innen zu gewinnen. Im konkreten Fall lief es für Netflix gerade während der Corona-Pandemie mit dem erzwungenen Rückzug ins Private gut.

Doch mit der Rückkehr in die physische Welt verlagerten sich die Interessen der User; allein in der ersten Jahreshälfte 2022 hat der Dienst 1,2 Millionen zahlende Kund:innen wieder abgegeben. Eine Entlassungswelle folgte. Ein Schicksal, das auch andere Digitalplattformen und Streamer teilen. Daneben wächst die Konkurrenz mit neuen Anbietern munter weiter, die mit teils günstigeren Preisen locken.

Um die Abo-Gebühren nicht noch weiter erhöhen zu müssen und um neue Erlöse zu erzielen, hat die Streaming-Plattform Netflix als eine von vielen ein werbefinanziertes Beiboot gestartet. Noch kommt die AVoD-Variante beim User nicht so recht an, was durchaus am Bruch des einstigen Versprechens der Werbefreiheit liegen mag. Man zahlt schließlich, um keine Werbung zu sehen.

Jetzt wird das Passwort-Teilen als Kostenfaktor identifiziert und Netflix nimmt die Bekämpfung im Hinblick auf mehr Erlöspotenzial ins Visier. 2019 wurde per Studie belegt, dass der US-Streaming-Anbieter monatlich Monat 135 Millionen US-Dollar verloren hat, weil nicht zahlende Kund:innen mit „geliehenen“ Zugangsdaten das Netflix-Angebot nutzten.

Damit soll bald Schluss sein: In den kommenden Monaten soll ein neues Abo-Modell greifen und das Teilen des Passworts mit Personen außerhalb des eigenen Haushalts kostenpflichtig machen. Eine mögliche Variante sieht vor, dass jeder Unteraccount zusätzlich 2,99 Dollar Zuschlag aufs Basis-Abonnement kostet.


Spagat zwischen Kostenreduktion und richtigem Investment

Dass etablierte Streaming-Player der ersten Generation mit der Monetarisierung ihres Geschäfts kämpfen, machte auch ein digitales Event deutlich. Im Rahmen des Tasting-Talk-Webinars „Der Streaming-Markt im Jahr 2023“ betonte Goldmedia-Geschäftsführer Dr. Florian Kerkau, dass nicht an so wahnsinnig vielen Stellen Geld verdient werde. 

Im Moment ist es für viele noch ein Investment in eine Chance, in der Zukunft diesen Entertainment-Bereich profitabel zu betreiben.“

Dr. Florian Kerkau, Goldmedia


Wobei Kerkau den Wert des anfänglich laxen Umgangs mit den Passwörtern hoch einschätzte. Es habe Netflix unfassbar geholfen, das Angebot bekannt zu machen, so der Medienforscher. Kerkau: „Ich glaube, ohne Passwort-Sharing wäre die Entwicklung in dieser Geschwindigkeit nicht möglich gewesen.“

Für Netflix und Co. sei nun die „größte Herausforderung, die Kosten in den Griff zu bekommen und dabei genug Inhalte in der Pipeline zu haben, um damit Geld zu verdienen“, so Kerkau. Alles in allem würden Abonnent:innen auf Preis, aktuelle Inhalte und Nutzerfreundfreundlichkeit bei ihrer Entscheidung für ein Angebot achten.

Streaming-Anbieter der zweiten und dritten Generation wie Joyn, Pluto oder Disney+ profitieren dem Event zufolge von den Pionieren Netflix oder Amazon Prime Video. Beispiel Paramount+: Dessen Inhalte-Marken wie „Top Gun“, „Star Trek“, „Paw Patrol“ oder „Sponge Bob“ haben „dankenswerterweise andere Sender und Streamer bekannt gemacht“, wie Sabine Anger, SVP Streaming Central & Northern Europe bei Paramount+ im Tasting Talk betonte.

Derzeit können Anbieter mit solch „exklusiven“ Inhalten Abonnenten gewinnen; insgesamt wachse der Markt immer noch, berichtete Goldmedia-Manager Kerkau. Seine Prognose: „Der Verdrängungswettbewerb hat noch nicht zugeschlagen, damit ist aber in Zukunft zu rechnen.“ Irgendwann verlangsame sich das Wachstum zwangsläufig, auch, weil der Markt nach und nach gesättigt sei.

 

Mehr und mehr Online-Inhalte über den TV Screen

Ende des vergangenen Jahres bestätigte die AGF-Plattformstudie 2022-II diese Einschätzung und legte dar, dass Streaming über den großen smarten TV-Screen immer noch weiter ansteigt. Und bezahlte Angebote wie Netflix (SVoD) erreichen mit 66,7 Prozent bei den ab 14-Jährigen ein neues Allzeithoch (2022-I: 62,0 Prozent). Zum Wachstum hätten nahezu alle großen Plattformen beigetragen, insbesondere bei den 14- bis 29-Jährigen könne Disney+ punkten, hieß es.

Insgesamt erreiche die Nutzung von kostenpflichtigen Video-on-Demand-Angeboten bei den ab 14-Jährigen einen neuen Höchstwert: „Fast jeder zweite hat angegeben, in den vergangenen vier Wochen ein solches Angebot genutzt zu haben – ein Plus von knapp 5 Prozentpunkten (2022-II: 48,4 Prozent; 2022-I: 43,5 Prozent)“, so die AGF-Analyse.
Kantar erhebt die Plattformstudie, für die pro Welle rund 2500 Personen ab 14 Jahren befragt werden, zwei Mal im Jahr im Auftrag der AGF Videoforschung.
 

Hier die Kernergebnisse der AGF-Plattformstudie 2022-II auf einen Blick:


Die Macht der exklusiven Inhalte bestätigt darüber hinaus die Streaming-Suchmaschine JustWatch in einer Auswertung von Filmen und Serien, die 2022 beim Publikum besonders gefragt waren.
Sabine Anger von Paramount+ wird es freuen: Der Streifen
“Top Gun: Maverick” führt die Top 10 des Jahres an. Bei den Serien macht der Netflix-Rekordtitel “Stranger Things” das Rennen.

 

 

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