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Wenn die Produktion ein Zuhause sucht

Geschrieben von Petra Schwegler | 14. April 2022

Zum „Motivgebenden“ werden und das Zuhause als Drehort für TV, Film, Streaming oder Werbung zur Verfügung stellen: Die Auswahl für die Produktionsseite wächst. Es gibt verschiedene Wege und Plattformen für fast jeden, um mit dem eigenen Heim Teil der Video- und Werbewelt zu werden. Ein Überblick.

Seit die Produktionsfirma Bavaria Fiction das kleine Schloss im oberbayerischen Mangfalltal regelmäßig für den Dreh der ARD-Telenovela „Sturm der Liebe“ nutzt, ist das Anwesen regelrecht aufgeblüht. Seit 2005 wird das Gebäude als „Hotel Fürstenhof“ in Szene gesetzt. Vom Statisten zum Star der Serie: Gemäuer, Garten, Außenanlagen, privater Tennisplatz – alles ist gut in Schuss beim Schloss, das in Teilen bereits über 250 Jahre alt ist. Die Location hat offensichtlich davon profitiert, dass der private Besitzer „Motivgebender“ fürs TV geworden ist. Noch bis mindestens Ende 2023 kann er weiter von den Einnahmen aus der Drehort-Vermietung profitieren. 

Welche Gründe stehen im Vordergrund, um Häuser und Wohnungen für Film, Serie oder Werbespot zur Verfügung zu stellen?

Bei der Münchner Dependance von LocationRobot heißt es dazu: „Die Hauptmotivation der Motivgebenden, die eigene Wohnung oder das eigene Haus über unsere Plattform an Filmproduktionen zu vermieten, ist zweifelsfrei die Möglichkeit hohe Nebeneinkünfte zu erzielen.“ Natürlich würden sie dies auch tun, weil sie Fans von Kinofilmen oder Streaming-Serien seien. „Das eigene Haus in einer Netflix-Produktion zu sehen, macht selbstverständlich auch stolz“, so LocationRobot. Erst recht, wenn es die Lieblingsserie ist.

Wie finden Drehorte und Produktionsfirmen zueinander?

Größere Produktionshäuser haben eigene Locationscouts zur Hand. Sie suchen nach klaren Vorgaben gezielt Objekte und gehen auf Vermietende zu. Daneben bieten Tourismusverbände oder Medien-Fördereinrichtungen der Länder diverse Locationscoutings vorwiegend öffentlicher Bauten an, darunter die Nordmedia für Niedersachsen und Bremen. Die Scouts zücken bei Bedarf ihr Register oder machen sich auf die Suche nach „optisch, logistisch und finanziell zur jeweiligen Produktion passenden Orten“, wie es heißt.

Wer sein eigenes Heim aktiv als Statist in Film, TV, Streaming und Werbung einbringen möchte, kann dies im Netz auf diversen Plattformen wie LocationRobot oder Locationhero tun. Dort werden Haus, Wohnung, Hütte, Schloss, das Atelier oder auch die leerstehende Industriehalle als potenzielle Kulisse zunächst einmal registriert.

Darauf greifen Produzenten und Produktionsfirmen zu. Für deren Abfrage wird eine Gebühr fällig, um die 50 Euro sind branchenüblich. Im Erfolgsfall wird man „Motivgebender“ und erhält – in Abhängigkeit von Art und Budget der Produktion – eine „Motivmiete“. Fürs Überlassen ihrer Locations winken den Privatleuten teils satte Stunden- und Tagessätze, wie die Recherche auf den verschiedenen Plattformen verrät. Die Gebühr pro Drehtag kann schon einmal der Nettomonatsmiete entsprechen, abzüglich des Anteils fürs Vermitteln.

 

Wie arbeitet ein Locationscout?

Daneben machen sich freie Locationscouts nach Vorstellungen der Auftraggeber auf den Weg. Lars Riebow von luricky ist so ein gezielt Suchender. Sein Berliner Startup bringt seit rund vier Jahren Film, TV, Streaming oder Werbefilmproduktion mit Drehorten zusammen. Basis des Angebots ist zunächst auch hier die Onlineplattform mit Datenbank, in der vor allem Objekte aus Berlin/Brandenburg, aus NRW und aus der Region Rhein/Main gelistet sind. Immer mehr Landstriche der Bundesrepublik erweitern das Spektrum. Das Scouting im Auftrag der Medien- und Werbebranche ergänzt das Angebot zusätzlich.

Zum Jahresstart ist das luricky-Team beispielsweise viel im Raum Görlitz unterwegs gewesen, hat alte Herrenhäuser, Gutshöfe oder auch Waldhütten sondiert, die ins Portfolio des Startups aufgenommen werden sollen. Keine Fahrt, keine Suche ist dabei umsonst. Mit jedem neuen Auftragsjob wird noch mehr Drehbares entdeckt, der Location-Katalog von luricky erweitert. Passen Objekte zu den Vorstellungen der Auftraggeber – „beispielsweise Haustür vorne, Pool hinten im Garten, kein Kopfsteinpflaster und ganz wichtig: ausreichend Parkplätze“ -, dann nimmt das Team luricky Kontakt zu den Menschen hinter den Immobilien oder zur Hausverwaltung auf, klärt offene Fragen der Produktionsseite und der Motivgebenden. Im besten Fall wird ein „Motivmietvertrag“ geschlossen.

Anders als luricky verzichtet der europaweit tätige Anbieter LocationRobot auf das zeitaufwändige und dementsprechend kostenintensive Locationscouting. Er stellt dagegen ebenso wie Locationhero die „Möglichkeiten der Online-Plattform“ in den Mittelpunkt, um neue Drehorte zu finden und zu mieten, per Smartphone „rund um die Uhr“, wie es aus München heißt. Versprochen wird, dass so die Produktionen und Locationscouts Zeit sparen und das häufig knapp bemessene Produktions-Budget schonen könnten. Teils bringen die Teams der Drehort-Vermittler Wissen und Netzwerke mit; hinter Locationhero etwa stehen Kreative, Location-Manager und produktionserfahrene Mitarbeitende.

 

Drehs an besonders kreativen Orten

Daneben sind im Netz komplette Marktplätze für Kreativleistungen entstanden, die die Location-Suche integrieren. Ein Beispiel liefert das 2020 gegründete Berliner Startup Beazy, eine „Community von Kreativen, Equipment, Locations“. Auf der Plattform ist neben diversen Dienstleistungen auch ein Peer-to-Peer-Marktplatz für Drehorte zu finden. Dort können User ihre Angebote mit eigenen Preisen einstellen.

So seien die Vermietungen „nicht wirklich an die branchenüblichen Preise und auch Prozesse gebunden“, erklärt Raphael Freitas, Head of Content bei Beazy. Alles werde zwischen Motivgebenden und -suchenden vereinbart. Für den Service von Beazy fallen auf Produktionsseite zehn bis 12 Prozent Vermittlungsgebühr an, für die Versicherung des Drehobjekts gegen Schäden werden weitere acht Prozent fällig.

Der Kontakt von Beazy in die Kreativbranche ist intensiv; er wird laut Freitas genutzt, um in vielen Städten Deutschlands über Interior Designer interessante Locations ins Portfolio zu holen. Für sie sei ein Dreh an selbst kreierten Orten die beste Werbung. Gerade bei Model-Shootings für Aufträge aus dem E-Commerce seien stylische Objekte sehr gefragt, berichtet der Beazy-Manager.

 

Wie es am Set abläuft

Zieht eine Produktion ins eigene Heim, ist ein Setbau nicht immer nötig. Bei LocationRobot mieten die meisten Produktionen jene Locations auf der Plattform, „die bereits weitestgehend den Anforderungen an Mobiliar und Ausstattung des jeweiligen Drehbuchs entsprechen“. Dies spare Kosten. Die Regie würde sich aber auch ganz bewusst für den unveränderten „Originalort“ entscheiden, „um die Wahrnehmung bei den Zuschauenden so authentisch wie möglich zu halten“. Trotz des Produktionsbooms aus dem Streaming-Bereich ist der Kostendruck auf Produktionsseite nochmals gestiegen; häufig wird inzwischen die einfachere Variante ohne Setbau gewählt, berichten Vermittelnde übereinstimmend.

Anders läuft es bei „Langzeitvermietungen“ für Serien und Filme. Produktionen von Netflix oder Disney würden häufig über größere Budgets verfügen und bei Bedarf die Häuser der Motivgebenden auf der LocationRobot-Plattform exklusiv mieten, heißt es in München. Dann nutzt die Produktion den gesamten Drehort für verschiedene Szenerien, Settings und Umbauten. Während solcher mehrtägigen Drehs mit oft sehr aufwändigem Setbau werden die Bewohner von der Produktion „ausquartiert“ und in einem Hotel untergebracht. Im Nachgang wird rückgebaut und notfalls renoviert. Mögliche Schäden decken Versicherungen der Produktionsfirmen ab.

Alles in allem ein lohnendes Geschäft für Scouts und Motivgebende, vor allem, wenn sie ihre Immobilie mehrfach als Set anbieten. Dabei gilt die Werbebranche in der Regel als spendabler und bucht laut übereinstimmender Aussagen eher die gezielten Scoutings, für die eine Tagesgebühr ab 450 Euro und mehr anfallen. Doch kann der Auftrag eines Markenartiklers für eine Kampagne und das Drumherum für Dienstleister doch schon recht herausfordernd werden. Denn mit der Zahl der Bewegtbildkanäle außerhalb des klassischen Fernsehens steigt der Bedarf an Ansichten eines Sets, um unterschiedliche Varianten von ein und den selbem Spot drehen zu können.

Ohnehin kann es recht knifflig werden, wenn es gilt, das richtige Set zu organisieren. Lars Riebow von luricky erinnert sich an einen Spot im Kontext der Fußball-EM, als zahlreiche Mietparteien, Besitzende und die Hausverwaltung eines Wohnblocks mit vielen Balkonen vom Werbe-Dreh überzeugt werden mussten. Dem Berliner Unternehmer gefällt das: „Wir haben großen Spaß daran, eine Herausforderung anzunehmen, auf Schatzsuche zu geben und so ein Teil der Film- und Werbewelt zu werden.“

Der große boomende Bewegtbild-Sektor steht im Mittelpunkt des MTM-Specials Connect! The Future of TV, das die MEDIENTAGE MÜNCHEN mit den Partnern MEKmedia und der Deutschen TV-Plattform am 31. Mai 2022 in München veranstalten wird. Dort wird dann auch zum dritten Mal der Connect! The Smart TV Award verliehen.


Weitere Informationen und das Programm sind auf unserer Website zu finden.

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