Medientage München - Blog

Wie KI Medien revolutioniert, herausfordert, neu definiert

Geschrieben von Petra Schwegler | 06. November 2025

Künstliche Intelligenz (KI) durchdringt den Journalismus, krempelt Redaktionen und Geschäftsmodelle um – und fordert von Medienunternehmen neue Antworten: Wem können wir trauen? Wer kontrolliert die Maschinen? Und wie viel Mensch steckt künftig noch im Redaktionellen? Die MEDIENTAGE MÜNCHEN 2025 haben disruptive KI-Trends, ethische Debatten und mutige Innovationen vorgestellt.

 

Was ist Realität, was Fake, was Zukunftsmusik? Zahlreiche Expert:innen legten im Rahmen der 39. MEDIENTAGE MÜNCHEN dar, wie KI Produktionsprozesse vom ersten Datenpunkt bis zur Distribution neu definiert – und welche Risiken, Machtverschiebungen und Chancen sich daraus ergeben.​

„Wir stehen vor nichts Geringerem als einer kulturellen Zeitenwende“, betonte die US-Tech-Journalistin Karen Hao in ihrer Keynote zum AI Summit. Sie warnte vor einer „neokolonialen Ordnung“, in der wenige Tech-Konzerne Standards, Datenströme und Öffentlichkeit monopolisieren. Ihr Bestseller „Empire of AI“ wurde zum Lehrstück für die gefährlichen Träume und Alpträume im KI-Zeitalter: Haos Kritik richtet sich gegen die fortschreitende Untergrabung des Urheberrechtsschutzes sowie gegen die massiven Umweltschäden, die KI-Server durch ihren enormen Energie- und Wasserbedarf anrichten.

 

Neue Medienlogik, neue Anforderungen

Mit KI-Lösungen werden Schreiben bzw. Produzieren, Recherche und Personalisierung automatisiert. Doch der Einsatz von Large Language Models wie ChatGPT ist nicht nur Heilsbotschaft. Richard Socher, Wissenschaftler und Gründer von You.com, stellte beim AI Summit klar: „Künstliche Intelligenz hat das Potenzial, den Journalismus besser zu machen, nicht obsolet. KI kann die Funktion eines Co-Piloten übernehmen, ist aber kein Ersatz.“ Die Stärke der KI kommt aus dem klugen Prompter – „kommt Müll rein, kommt Müll raus“. Genau diese Kompetenz müsse, so Socher, in den Redaktionen unbedingt ausgebaut werden.​

Marie Kilg, Chief AI Officer der Deutschen Welle, formulierte beim AI Summit der #MTM25 die KI-Herausforderung für Redaktionen so: „KI kann jeden Schritt in der Medienproduktionskette verbessern – mit der richtigen menschlichen Grundlage.“ Ihr Appell: „Mitmachen – we don’t want to miss the bus!“.​

Der AI Summit der #MTM25 (Foto: Medien.Bayern GmbH / MEDIENTAGE MÜNCHEN) 

 

Vertrauensfrage als Achillesferse

Das Thema Vertrauen zog sich wie ein roter Faden durch Panels, Studien und Branchengespräche. Über 60 Prozent der befragten Verlage arbeiten laut einer KPMG/MVFP-Studie an eigenen KI-Strategien, doch nur 16 Prozent wagen sich an eine öffentliche Transparenzseite über KI-Einsatz. Verlage setzen auf klare Governance, Mitarbeiterschulungen und Sperren für sensible Dateneingaben – und ringen gleichzeitig mit Imagefragen.
Prof. Thomas Hess von der LMU brachte es bei den #MTM25 auf den Punkt: „Medienunternehmen, gleich welcher Art, leben immer von Vertrauen.“ Einig war sich die Diskussionsrunde, dass es nicht reicht, Inhalte zu kennzeichnen – sie müssen auch erklärt und eingeordnet werden.“

Anne-Sophie Mayer, Professorin für Digital Work, ergänze, es seien nicht die KI-Labels, die Akzeptanz schaffen würden, sondern Geschichten und Transparenz über den Umgang mit KI in der Redaktion. Das Ringen um eine neue Fehlerkultur, offene Kommunikation und ethische Standards spiegelt sich in allen Arbeitsbereichen wider.

 

Macht, Mythen und Deep Fakes

Die MEDIENTAGE machten deutlich, wie sehr KI die Medienlandschaft nicht nur verändert, sondern im Schatten von Voice Cloning, Deep Fakes und automatisierten Social-Media-Posts unter Druck setzt. Die britische Medienanwältin Kelsey Farish (Foto oben, Medien.Bayern GmbH / MEDIENTAGE MÜNCHEN) rief zu klaren Frameworks und Workflows auf, damit Menschen und Marken ihre digitale Identität schützen: „Eine Struktur hält vielmehr alles zusammen und ermöglicht gleichzeitig Bewegung, wann und wie es nötig ist.

KI ist längst zum Sparringspartner der Journalist:innen geworden – aber die Risiken sind enorm. Fake News, algorithmische Verzerrung (Bias) und stereotype Bildwelten verfestigen sich gerade dort, wo User Algorithmen und vortrainierten Modellen zu kritiklos folgen. Jutta Brennauer von den Neuen deutschen Medienmacher*innen mahnte: „Daten sind nicht neutral. Es braucht Sensibilisierung für Biases!“​

 

„Trusted Content“: USP in einer neuen Suche

Die Rolle der Journalist:innen wandelt sich in der Ära von KI: Klassisches Gatekeeping schwindet, Leser:innen, Hörer:innen und Zuschauer:innen holen sich punktgenau jene Informationen, die sie wirklich brauchen. Google AI Overviews, neue Search-Logiken und Antwortmaschinen führen dazu, dass Medienhäuser bis zu 79 Prozent ihres Such-Traffics verlieren können.

Eric Kubitz (Foto: Medien.Bayern GmbH / MEDIENTAGE MÜNCHEN) 

Medien profitieren davon nur, wenn sie den „Trusted Content“-USPs stärken – etwa durch gemeinsame Content-Pools, offene Lizenzen oder Nutzerbeziehungen auf Augenhöhe.​ Eric Kubitz, Head of AI beim Wort & Bild Verlag, sieht die Entwicklung differenziert: „Wir müssen vom journalistischen Ross heruntersteigen und näher an die Nutzer:innen heranrücken.“ Künftig solle es weniger, aber dafür klarer strukturierte Artikel mit Informations-Chunks geben.

 

Neue Kompetenzen, neue Diversität

AI Literacy wird zum strategischen Aspekt für Medienunternehmen und Nutzer:innen gleichermaßen. Prof. Dr. Till Krause von der Hochschule Landshut warnte davor, die gesellschaftliche Kompetenz im Umgang mit KI zu unterschätzen. Auch das Publikum müsse Fakten hinterfragen und lernen, dass KI auf Wahrscheinlichkeiten, nicht auf Verständnis basiere.

Till Krause (r., Foto: Medien.Bayern GmbH / MEDIENTAGE MÜNCHEN) 

Nur mit divers aufgestellten Teams, kritischer Reflexion und Inklusion könne Journalismus die lauten Herausforderungen meistern, war sich eine #MTM25-Diskussionsrunde einig. Vielfalt im Team, inklusive Sprache und Sensibilität für Bildwelten sind laut Elena Kountidou und Jutta Brennauer von den Neuen deutschen Medienmacher*innen entscheidende Achsen gegen Diskriminierung und Monopolisierung.​

 

Kontrollierte Innovation oder Kontrollverlust?

Die #MTM25 zeigten KI als mächtiges Werkzeug – aber auch als Grund für Misstrauen, Stress und noch mehr verzerrten Wettbewerb. Stichwort: Wer profitiert? Klare Regeln, eine Mensch-zentrierte Redaktionskultur und Transparenz sind die Währung der Medienzukunft, so der Tenor der KI-Sessions im Rahm der MEDIENTAGE.

Die Technik kann als „Co-Pilot“ Produktion und Journalismus maßgeblich bereichern, zum Ersatz oder zur Kontrollinstanz taugt sie indes (noch) nicht. Die Branche steht vor einem Balanceakt, der weit über die reine Technik hinausreicht – getreu dem #MTM25-Motto „WTFuture?!“.​

 

Auch wenn die MTM als Konferenz bis zum 21. Oktober 2026 pausieren: Wir bleiben präsent! Die Zusammenfassungen wichtiger Panel-Diskussionen sowie Bildmaterial der 39. MEDIENTAGE MÜNCHEN stehen im Info-Bereich der MEDIENTAGE-Homepage und auch im MTM-Blog  bereit. Bilder für den Download (Quelle: Medien.Bayern GmbH/MEDIENTAGE MÜNCHEN) sind in der Mediathek zu finden.


Zudem können zahlreiche MTM-Themen gehört werden: im Podcast "This is Media NOW".