Chancen und Gefahren von KI im Journalismus haben den AI Summit der MEDIENTAGE MÜNCHEN 2025 bestimmt. Dort diskutierten Expert:innen über die Zukunft der redaktionellen Arbeit im KI-Zeitalter – aus unterschiedlichen Perspektiven. Einig sind sich alle: Künstliche Intelligenz verändert Redaktionen fundamental – doch der menschliche Kontext bleibt unverzichtbar.
„KI kann Co-Pilot sein, aber kein Ersatz!“: Mit dieser zentralen Aussage eröffnete Richard Socher, KI-Pionier und Gründer der Suchmaschine You.com sein Interview mit SZ-Digitaljournalist Jannes Brühl im Rahmen des AI Summits der #MTM25. Fact Checking, Recherche, Archivunterstützung: Das zählt zu den Dingen, bei denen Socher das volle Potenzial der Künstlichen Intelligenz für den Journalismus erkennt. You.com arbeitet mit deutschen Unternehmen aus dem Medienbereich zusammen, darunter mit dem Wort & Bild Verlag aus Bayern.
Professionalisierung muss sein: „Kommt Müll rein, kommt Müll raus“, fasst Socher die Schwächen der LLMs zusammen. Die Stärke der KI kommt nach seiner Darstellung aus dem klugen Prompter. Wie wichtig der richtige Umgang mit LLMs sei, würden viele Marktteilnehmer:innen unterschätzen. Tricksen große Anbieter hinter den KI Tools?
Diesen Eindruck vermittelt Socher, indem er schildert, dass Inhalte aus dem Netz leicht verändert werden, um dann zur urheberrechtsfreien KI-Quelle zu werden. Mit der Folge, dass Netzsuchen mit KI Search wie bei Google Antworten liefern, die den Wechsel auf die originären Seiten obsolet machen. Nun müssten User wieder lernen, die Medienseiten zu besuchen, die unter massivem Reichweitenschwund leiden, so der deutsch-amerikanische Wissenschaftler und Unternehmer.
Jannes Brühl und der aus den USA zugeschaltete Richard Socher (Foto: Medien.Bayern GmbH)
KI-Unternehmen im Visier
Die Tech-Journalistin Karen Hao (Foto oben, Medien.Bayern GmbH) stellt beim KI Summit der #MTM25 die zentralen Fragen, die ihr Buch „Empire of AI“ ausmachen: Wem nützen die LLMs letzten Endes, wer bezahlt den Preis für den Tech-Hype und die enorme Datenmenge bei KI-Anfragen, die sich seit 2019 um den Faktor 10.000 erhöht haben? Sie schildert, wie die viel beachteten Anwendungen einen Wettlauf um Land, Wasser, Bodenschätze und billige Arbeitskräfte ausgelöst haben, um einmal mehr die Macht in den Händen weniger zu zementieren.
Karen Hao beschreibt ein neues und bedrohliches Zeitalter des Imperialismus. Nur eine kleine Handvoll global agierender Unternehmen kann demnach überhaupt im KI-Bereich mitmischen. Die neuen Feudalherren würden durch den Hype immer mehr Daten ernten, ordnet die Tech-Journalistin ein. Sie ermahnt Medien zu einem kritischen Umgang mit den vorgefertigten KI-Produkten. Karen Hao: “Das Silicon Valley kann sich nicht um Medienspezifisches kümmern, das sind keine Journalist:innen.“
KI und das User-Verhalten: aus "Pull" wird "Push"
Aus der Rolle eines Gatekeepers schildert Elisabeth Gamperl aus dem Team der Nachrichtenagentur dpa die journalistische Arbeit von heute, die durch Unmengen digitaler Info-Quellen und KI Tools verändert wird. Die Folge: Journalismus sei keine isolierte Umgebung mehr. Journalist:innen würden zu Wissensträger:innen, die über ihre bisherigen und klassischen Formate neu nachdenken müssten. Die schlichte Nachricht wird zum Bündel verifizierter Informationen, neue Inhalte-Formen werden machbar und Information an sich wird zum Dialog, wenn etwa Perplexity als KI Search ins Spiel kommt.
Für User bedeutet das: Aus der „Pull“-Haltung wird ein „Push“-Angebot, das Informationen ausspielt. Was bedeutet das für die Medienschaffenden? Der Kontext von Informationen bleibt relevant.
In der Diskussion mit Session-Moderator Brühl macht sie deutlich, dass die Arbeit mit KI die Arbeit in Redaktionen massiv verändere und neue Methoden oder sogar Teams erfordere. „Ich denke, wir unterschätzen unser Publikum, vor allem Jüngere“, mahnt Gamperl. Sie hätten keine Berührungsängste bei KI-unterstützten Inhalten und komplexen Lesethemen. Es seien eher die älteren Menschen, die mit AI Literacy fremdeln würden.
Elisabeth Gamperl stellt die dpa-Erfahrungen mit KI vor (Foto: Medien.Bayern GmbH)
Wird KI die Medien retten?
Mit Marie Kilg sprach auch eine auf KI-Themen spezialisierte Podcasterin (Der KI-Podcast) beim Gipfel. Sie arbeitet für die Deutsche Welle als Chief AI Officer und ist gleichzeitig als Beraterin tätig. Das Disruptive an Künstlicher Intelligenz setzte Kilg mit der provokanten Aussage „AI will save us“ ins rechte Licht: Der gesamte Informations-Prozess der Medien, über Jahrzehnte geübt, ist demnach auf den Kopf gestellt. Von der Recherche, über die Produktion, die Art der Darstellung und Einbindung: „KI kann jeden Schritt in der Medienproduktionskette verbessern – mit der richtigen menschlichen Grundlage“, zieht Kilg ihr Fazit.
Ihr Tipp für die Arbeit in Redaktionen: Mitmachen, "We don't want to miss the bus!" Und wenn die Antworten leicht werden, dann müssten die Fragen tiefer reichen, zitiert die Journalistin unter Hinweis auf Google-Manager.
Die Zusammenfassungen wichtiger Panel-Diskussionen sowie Bildmaterial der 39. MEDIENTAGE MÜNCHEN stehen in der Mediathek der MEDIENTAGE-Homepage und auch im MTM-Blog bereit.
Zudem können zahlreiche MTM-Themen auch gehört werden: im Podcast "This is Media NOW".




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