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"Wenn wir KI richtig einsetzen, erreichen wir mehr Menschen"

25. September 2025

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Marie Kilg arbeitet für die Deutsche Welle als Chief AI Officer und ist gleichzeitig als Beraterin tätig. Die Expertin spricht im Interview mit dem Blog der MEDIENTAGE MÜNCHEN über zu hohe Erwartungen und wie Medien ihr Publikum im KI-Zeitalter erreichen können. Marie Kilg wird bei den #MTM25 auf dem AI Summit zu hören sein.


Frau Kilg, welche Fragen oder Sorgen begegnen Ihnen am häufigsten im Umgang mit Künstlicher Intelligenz? 

Medienhäuser stecken in einem KI-Dilemma. Einerseits gibt es Bedenken und reale Hindernisse – andererseits will niemand abgehängt werden. Das Spektrum ist riesig, ich sehe alles; von viel zu hohen Erwartungen bis zu ungerechtfertigten Ängsten.

Teilweise arbeiten die Mitarbeitenden schon intensiv mit KI und fühlen sich durch Vorgaben oder schlechte Tools gebremst. Anderen geht es zu schnell. Ich versuche zu vermitteln. 

KI-Systemen fehlt die komplexe Problemlösefähigkeit. Sie können zwar einzelne Tätigkeiten ersetzen, nicht aber die Jobs.

Marie Kilg, Deutsche Welle

 

Und wie? 

Wir suchen zusammen den richtigen Pfad, der zum Unternehmen passt. Wo landen wir auf dem Spektrum zwischen Kosten und Qualitätsansprüchen, Geschwindigkeit und Werten?

Für Mitarbeitende ist es beruhigend zu hören, dass sie nicht so leicht zu ersetzen sind, wie sie das vielleicht denken. KI-Systeme sind immer noch nicht robust genug, um die entscheidenden Stellen im Workflow zu übernehmen. Ihnen fehlt die komplexe Problemlösefähigkeit. Sie können zwar einzelne Tätigkeiten ersetzen, nicht aber die Jobs.

Natürlich flößt das Angst ein, wenn Medienhäuser und Tech-Unternehmen ständig ankündigen, statt auf Menschen auf Maschinen zu setzen. Dabei werden Stellen oft nicht wegen der Automatisierung abgebaut, sondern weil gespart werden musste. “Wegen KI” klingt halt besser.  

 

Und was sagen Sie den Führungskräften? 

Ihnen muss ich sagen, dass nicht alles, was sie auf LinkedIn lesen, morgen schon machbar ist. Viele Führungskräfte träumen davon, KI dort einzusetzen, wo der menschliche Workflow ruckelig ist, oder wo lückenhafte Daten und Systeme das effiziente Arbeiten behindern. Doch leider ist das genau die falsche Stelle. Gerade an diesen Schnittstellen braucht es Menschen mit Problemlösekompetenz, die das auffangen.

Und um die wirklich krassen KI-Potenziale zu heben, muss meistens erstmal investiert werden. Das muss man am Anfang klar trennen: Welche Aufgaben man automatisieren kann, welche durch KI beschleunigt werden können und für welche für KI-Einsatz ungeeignet sind. 

 

Wie wichtig ist es, dass Medienhäuser klar kennzeichnen, wann und wie KI im Entstehungsprozess von Inhalten genutzt wurde? 

Die Forschung zeigt, dass Menschen sich einen Mittelweg wünschen. Zu viel Information überfordert. Beispielsweise möchte niemand extra erfahren, dass zur Recherche Google genutzt, ein Wort mit DeepL übersetzt oder der Podcast transkribiert wurde. Sie wollen aber, dass transparent gemacht wird, wenn eine Zusammenfassung automatisch erstellt wurde oder ob eine Stimme synthetisch ist.

Der AI Act gibt bereits vor, wie die Dinge zu labeln sind. Und jeder Publisher muss Interesse daran haben, das Publikum nicht in die Irre zu führen. 

Heute haben wir die Kontrolle über den Inhalte-Vertrieb an vielen Stellen an die großen Plattformen abgegeben.

Marie Kilg, Deutsche Welle

 

 

Welche Entwicklungen im Zusammenspiel von Medien und KI wären zwar wünschenswert, sind aber derzeit noch weit entfernt? 

Journalistische Unternehmen sollten sich mehr als Tech-Unternehmen begreifen. Früher haben sie Inhalte nicht nur erstellt, sondern auch verteilt. Neben der Redaktion stand die Druckerei.

 Heute haben wir die Kontrolle über den Vertrieb an vielen Stellen an die großen Plattformen abgegeben. Verleger:innen stehen wie Rehe im Autoscheinwerferlicht und denken, dass sie nicht gegen Konzerne wie Meta, Google oder OpenAI ankommen. Sie gehen davon aus, dass sie nichts weiter tun können, als Content zu produzieren, in der Hoffnung, dass ihn jemand abnimmt und vielleicht, wenn wir Glück haben, dann dafür auch bezahlt.  

 

Spätestens seit der neuen KI-Suche wissen alle, dass das so nicht mehr funktioniert.  

Genau, Medienhäuser erkennen nun, dass sie sich in ein Abhängigkeitsverhältnis begeben haben. Nun sollten sie sich fragen: Wo sitzen wir trotzdem noch am Hebel? Und wie nutzen wir den?

Wir kennen unser Publikum, können viel besser Geschichten erzählen als Google und haben oft starke Marken mit großer Nutzerbindung. Von den Tech-Firmen müssen wir uns den Umgang mit Daten und die Agilität abschauen, um zu verstehen: Wie erreichen wir unser Publikum im KI-Zeitalter?  

 

Beispiel? 

Stellen wir uns vor, dass wir mit KI einen Live-Podcast generieren, der sich laufend aktualisiert und an User-Bedürfnisse anpasst. Damit aus einem persönlichen Produkt ein gutes Produkt wird, brauchen wir als Publisher die First-Party-Daten.

Dann können wir verstehen und iterieren und der KI-Einsatz – sowohl in der Produktion als auch in der Auswertung – hilft uns, eine engere Bindung zur Nutzerin aufzubauen. Das ist der Best Case. Das heißt aber, es kommt stark auf die Vertriebswege an, welche Steuerungsmöglichkeiten wir dort haben.  

 

Man braucht keine Milliarden für gute KI-Produkte, man muss nur an den richtigen Stellen investieren.
Marie Kilg, Deutsche Welle

 

 

KI wird vor allem von großen Tech-Plattformen vorangetrieben. Welche Möglichkeiten haben Medienhäuser in Deutschland und Europa, eigene, unabhängige KI-Strategien zu entwickeln? 

Sie müssen gar nicht so ehrfürchtig sein vor den großen Playern, sondern können sich ruhig mehr zutrauen. Die Tech-Firmen versuchen ihre Lösungen als komplex und unerreichbar darzustellen, aber das sind sie nicht. Man braucht keine Milliarden für gute KI-Produkte, man muss nur an den richtigen Stellen investieren.

Wir arbeiten bei der Deutschen Welle zum Beispiel viel mit Open-Source-Lösungen und einer flexiblen Infrastruktur. So können wir die besten Produkte – auch von OpenAI und Google – nutzen, ohne unsere Verhandlungsposition zu schwächen. 

 

Wenn Sie in die Zukunft blicken – wie wird KI die Arbeit in Redaktionen in den nächsten zwei bis drei Jahren am stärksten verändern? 

Wir können unsere Inhalte KI nahtlos an die jeweilige Nutzungssituation unseres Publikums anpassen. Audio beim Spaziergang, Text mit Bildern, weil ich in der U-Bahn meine Kopfhörer vergessen habe, und zuhause beim Kochen dann ein Video für nebenbei – Inhalte könnten in all diesen Formaten parallel verfügbar sein.

Wenn wir KI richtig einsetzen, erreichen wir mehr Menschen. Und zwar mit besseren journalistischen Produkten, nicht mit billigeren.  

 

Marie Kilg ist Journalistin, Produktmanagerin und Medienberaterin. Sie hat Bots für Medienunternehmen und Universitäten entwickelt, an der Erstellung der deutschen Persönlichkeit für Amazons Alexa mitgewirkt und die Turing Agency mitgegründet, eine "künstlerische Agentur für Mensch-Maschine-Unschärfen", die KI-Diskussionen in der Gesellschaft fördert.
Als Chief AI Officer der Deutschen Welle koordiniert Marie Innovationsprojekte für den internationalen Journalismus. Sie trainierte 2017 ihr erstes neuronales Netzwerk und brachte 2022 die erste nicht-menschlichen Zeitungskolumnist:in in eine Printzeitung. Seit 2023 moderiert sie mit Gregor Schmalzried und Fritz Espenlaub den wöchentlichen "KI-Podcast" der ARD.


Die MEDIENTAGE MÜNCHEN 2025 finden vom 22. bis 24. Oktober unter dem Motto WTFuture bei der Serviceplan Group im House of Communication in München statt.

MTM25_Motto_Kachel_NEU-427x427Dabei blicken wir im Rahmen zahlreicher Sessions auf Trends, Herausforderungen und Aufgaben für die Kommunikations-Branche. Auf die Bühne kommen auch verschiedene Facetten von KI. Tickets sind online erhältlich!

Interessiert an Themen rund um die Medienbranche? Dann ist hier im Blog der MEDIENTAGE MÜNCHEN noch mehr Lesenswertes zu finden.

Zudem können zahlreiche Medienthemen auch gehört werden: im Podcast "This is Media NOW".

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