Die Menschen der Generation Z, also die Geburtenjahrgänge 1995 bis 2010, stehen jetzt zwischen Schulabschluss und den ersten Jahren im Berufsleben. Die häufig „junge Wilde“ Genannten werden die Zukunft unserer Gesellschaft, der Medienwelt und der Arbeitswelt entscheidend beeinflussen.
Diese Teens und Twens sind mit digitalen Devices groß geworden: Die Gen Z nimmt technische Neuerungen nicht mehr als Umbruch wahr. VR-Brille auf und rein ins immersive Geschehen – ihren natürlichen Umgang mit virtuellen Welten will das XR HUB Bavaria mit einem XR LAB in München fördern. Leiterin Silke Schmidt geht im Interview auf die Chancen der 3-D-Welten ein.
Wie erlebt die Gen Z aus deiner Sicht die XR-Welt?
Je jünger die Menschen, desto intuitiver bewegen sie sich in virtuellen Welten und springen von der physischen in die virtuelle Realität und wieder zurück. Ich habe schon von einigen gehört, dass es für sie gar nicht wichtig ist, in welcher Welt sich etwas ereignet. Das Virtuelle und das Physische verschmelzen immer mehr. Das liegt daran, dass man sich in 3-D-Welten „präsent“ fühlt und das soziale Miteinander eine neue Dimension bekommt.
Ich habe auch schon gelesen, dass die nach 2020 Geborenen als Generation M – „M“ für „Metaverse“ – bezeichnet werden. Der Begriff hat sich allerdings noch nicht durchgesetzt, da er durch den Hype für viele nun eher negativ konnotiert ist. Wichtiger als die Begriffsdefinition ist aus meiner Sicht, was gerade passiert, nämlich der Übergang von einer 2-D- in eine 3-D-Welt.
Ist das Immersive ein bevorzugter Raum für Junge?
Für Jugendliche sind immersive Erlebnisse schon jetzt und werden noch mehr Bestandteil des täglichen Lebens. Sie spielen Games in XR und verbringen einen Teil ihrer Freizeit in Social XR. Einige Arbeitgeber:innen haben bereits verstanden, dass es dadurch auch neue Erwartungen und Anforderungen an den Arbeitsplatz geben wird.
Wer profitiert besonders von XR-Entwicklungen aus deiner Sicht?
Virtuelle Meetings und Training in XR im Unternehmen werden Thema für alle Generationen. Und auch Senioren können von XR profitieren. Denn wenn der Körper sportliche Höchstleistungen nicht mehr vollbringt oder Reisen zu beschwerlich sind, ermöglicht es VR, fremde Länder und Landschaften zu bereisen und zu erleben und an Events aller Art auf der ganzen Welt teilzunehmen.
Im August startet erstmals bundesweit die Ausbildung zum „Gestalter:in immersive Medien“, junge Menschen werden professionelle XR-Gestalter. Wie wird diese Generation das digitale Leben prägen?
Die Gestalter:innen immersive Medien lernen das, was in einer digitalen Welt gebraucht wird. Sie werden den Übergang der Visualisierung von 2-D-Daten zu 3-D-Daten prägen: Ihre Art, Geschichten zu erzählen, ihre Ästhetik, ihre Art zu kommunizieren, ihre Wahl der Medien für Fiktionales und Dokumentarisches, die Interaktionen – noch ist vieles Neuland, die ersten XR Gestalter können hier Standards setzen. Ich hoffe, dass viele Unternehmen in Bayern Ausbilder werden!
Es ist großartig, dass es diesen neuen Beruf ab August dieses Jahres geben wird. Wir haben die Entstehung der neuen Berufsordnung begleitet und freuen uns über dieses historische Ereignis. Es zeigt, dass hier ein Quantensprung passiert. Es reicht nicht, die bestehenden Berufsordnungen anzupassen und zu modernisieren – nein, es sind so viele Kenntnisse und Fertigkeiten gefragt, dass sie einen neuen Beruf rechtfertigen. Und es ist ein spannender, kreativer und abwechslungsreicher Beruf, eine sehr gute Verbindung von Technik und Kommunikation mit Menschen: im Unternehmen mit verschiedenen Disziplinen und mit Kunden. Projekte entstehen in agilen Prozessen.
Welche Berufsbilder wird XR beeinflussen?
XR hat das Potenzial, seine Spuren in allen Berufen zu hinterlassen oder besser so: allen Berufen zu neuem Schwung zu verhelfen. XR kann entlang der gesamten Lieferkette eingesetzt werden, von der Produktentwicklung über Training der Mitarbeiter:innen, Hilfe bei der Produktion bis hin zum Marketing, und das in allen Branchen. In der Produktion kann mit XR die Effizienz gesteigert werden, Geld und Zeit können gespart werden.
XR kann in Bildung und Training, sowie in Kulturinstitutionen gewinnbringend eingesetzt werden.
Eher spielerisch und mit Spaß üben, was in der Realität beherrscht werden soll: Kann XR im Kampf gegen den Fachkräftemangel helfen?
Aber klar. Training ist einer der Top Use Cases für XR. VR wird bereits zur Berufsorientierung eingesetzt und kann Lust auf Berufe machen. Es gibt verschiedene Anbieter, die sehr viele Berufe bereits in VR präsentieren.
Zudem können sich Unternehmen auf diese Weise attraktiv präsentieren und das Onboarding mit VR machen. Das funktioniert auch international, das heißt, Unternehmen können sich mit Hilfe einer VR Brille auch im Ausland präsentieren, für ihre Berufe werben und so Fachkräfte nach Deutschland holen.
Wie steht es um den Einsatz in der Ausbildung selbst?
Mit XR wird die Ausbildung an beruflichen Schulen attraktiver. Dabei ist es wichtig, dass XR nicht die bisherige Ausbildung ersetzen soll, sondern immer als Ergänzung zu verstehen ist – da, wo es sinnvoll ist. Die Sinnhaftigkeit liegt auf der Hand, wenn es darum geht, an Orte zu kommen, die sich schlecht erreichen lassen – nicht nur die ISS oder der Mond oder eine Plattform im Meer, auch Industrie-Anlagen in anderen Städten sind hier denkbar. Dann geht es darum, dass gefährliche Situation so lange trainiert werden können, bis keine Gefahr mehr besteht, dass Menschen verletzt oder Dinge beschädigt werden. Training kann besser personalisiert, Sprachhürden können abgebaut werden. Das Training kann zudem individuell durchgeführt werden, von Ort und Zeit unabhängig. Auch Softskills werden trainiert.
Zur Person:
Silke Schmidt (Foto oben, Quelle: Medien.Bayern) leitet den XR HUB Bayern an seinem Standort in München bei der Medien.Bayern GmbH. Ihr Ziel ist es, das XR-Ökosystem in Bayern auszubauen, Menschen zu verbinden, um neue Projekte anzuregen und die Akteure in Bayern national und international sichtbar zu machen. In jüngster Zeit liegt ein Schwerpunkt auch auf virtuellen Räumen und der Zusammenarbeit in XR.
Zuvor war Silke Schmidt im Bayerischen Staatsministerium für Digitales im Bereich „Audiovisuelle Medien - Film, Games und XR“ tätig, davor im Bayerischen Wirtschaftsministerium in der Abteilung Außenwirtschaft. Dort konzentrierte sie sich auf die Wirtschaftsbeziehungen zwischen bayerischen und US-amerikanischen sowie kanadischen Unternehmen und deckte dabei ein Themenspektrum ab, das von den Medien über Digital- und Kreativwirtschaft, Energie und Medizin bis hin zu Mobilität und Luft- und Raumfahrt reichte.
Im XR LAB in der Burgstraße 4 in München sind noch bis Ende Juli 2023 in einer Zwischennutzung von #kreativmuenchen XR-Erlebnisse, Workshops oder Ausstellungen geboten.
Silke Schmidt und ihr Team öffnen werktags von 10.00 bis 12.00 Uhr sowie von 14.00 bis 18.00 Uhr die Pforten für Besucher:innen, samstags und abends nach Vereinbarung.
Das XR HUB Bavaria zählt ebenso wie die Medientage München zur Medien.Bayern GmbH.
Die Zusammenfassungen wichtiger Panel-Diskussionen sowie Bildmaterial der 36. MEDIENTAGE MÜNCHEN stehen in der Mediathek der Medientage-Homepage und auch im Blog der Medientage bereit.
Die Medienthemen können auch gehört werden: im Podcast der Medientage München.
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