Facebook, Twitter oder YouTube sind inzwischen mächtige Instrumente der Meinungsmache. Die Social Networks prägen den gesellschaftspolitischen Diskurs und die Demokratie – im Guten, aber auch im Schlechten mit Desinformation oder Hassrede. Gerade nach der Ära Donald Trump stellt sich die Frage, was wir für einen positiveren Social-Media-Dialog tun können und mit welchen Content-Strategien sich Menschen erreichen lassen.
Wichtige Denkanstöße gaben Expert:innen bei der vierten Ausgabe der #MTMdigitalks.
„This is social media now - was Medien, Politik und Gesellschaft heute für die Demokratie tun müssen": Passend zum Titel der aktuellen Ausgabe der Online-Reihe der MEDIENTAGE MÜNCHEN stellte Dr. Wolfgang Gründinger eine These in den Raum: „Die Schuld für alles, was falsch läuft, allein Twitter und Facebook zuzuschieben, lenkt ab von tieferen gesellschaftlichen Problemen.“
Dem Digitalvordenker und Zukunftslobbyist stieß im Zusammenhang mit den Gewaltexzessen am 6. Januar im US-Capitol auf, dass die amerikanischen Behörden trotz Vorabkenntnis der Vorgänge aus Informationen in sozialen Netzwerken nicht eingeschritten seien. Der Bann gegen Ex-Präsident Donald Trump und rechte Anhänger auf Twitter und Facebook habe Parler ausgeglichen, diverse klassische Medien hätten davor und danach nicht die Stimme dagegen erhoben. Gründinger forderte alle gesellschaftlichen Kräfte dazu auf, Rechtsextreme nicht mehr zu verharmlosen. In den USA ebenso wie in Europa und Deutschland.
Martin Fehrensen, Herausgeber und Autor Social Media beim Watchblog sowie Kolumnist des Wirtschaftsmagazins brandeins, stufte Marken wie Facebook, die zum Wachstum verbannt sind, nicht als „Demokratiebeschleuniger“ ein. Vorrangig seien die Social Networks Werbeplattformen in Händen ehrgeiziger Milliardäre, die dem Diktat von „Content, Content, Content“ unterliegen würden. Ähnlich wie Gründinger sah Fehrensen alle Parteien in der Verantwortung, um das Social Web zu einem besseren Ort zu machen.
Gründinger, Fehrensen, Moderator Richard Gutjahr und weitere Expert:innen zeigten diverse Lösungsansätze auf:
Dazu zählt das kürzlich vorgelegte EU-Gesetzespaket mit zwei Ansätzen: das Gesetz über digitale Dienste (Digital Services Act, DSA) und das Gesetz über digitale Märkte (Digital Markets Act, DMA). Im DSA geht es vor allem um gesellschaftliche Fragen, im DMA ums Geschäft. Für Prof. Dr. Wolfgang Schulz, Direktor des Leibniz-Instituts für Medienforschung, Hans-Bredow-Institut (HBI), kein Allheilmittel. Das DSA könnte au seiner Sicht in eine EU-Verordnung münden, die als Rahmen und Vorbild für andere Regionen dienen könnte – mit dem Vorteil, dass es auch endlich für die kommerziellen Plattformen klarer werden könnte, welche Inhalte eigentlich gelöscht werden müssten. „Dafür gibt es noch keine richtigen Instrumente“, bedauerte der Wissenschaftler.
Sabine Frank, Head of Governmental Affairs and Public Policy für YouTube DACH/CEE, machte das aktuelle Vorgehen beim Konzern selbst fest: „Wir haben eine Strategie der Verantwortung, um gegen solche Inhalte vorzugehen.“ Man orientiere sich am allgemeinen Recht, aber auch am Hausrecht wie etwa bei Fake News rund um Corona. Im Gegenzug arbeite Google daran, die Auffindbarkeit verlässlicher Nachrichten bei seiner Videoplattform YouTube weiter zu erhöhen.
Für wichtige Botschaften sollten Anbieter auch mal auf (die richtigen) Influencer:innen setzen.
Louisa Dellert, Autorin und Influencerin mit gut 450.000 Followern auf Instagram, bezeichnete sich bei der Videokonferenz als „digitale Schwester für Follower“, die sich inzwischen auch für politisch relevante Themen stark macht. Klassische Medienanbieter sollten in sozialen Räumen mehr Persönliches von sich preisgeben oder Influencer einsetzen, um so mehr Stimmgewalt in Social Media zu erlangen, lautete ihr Rat.
Die vierte Ausgabe der #MTMdigitalks, Online-Reihe der MEDIENTAGE MÜNCHEN, rund um das Wechselspiel von Social Media und Demokratie ist hier abrufbar.
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