Der Medienmarkt ist im Umbruch. Die Nutzer klauben sich lieber kostenlose Inhalte im Netz zusammen, als Abonnements für Nachrichtenmedien zu bezahlen. Facebook, Google und Co. nehmen mit ihren enormen, mit Nutzerdaten hinterlegten Reichweiten den klassischen Medien die Exklusivität als Werbeträger. Litt zunächst Print unter der Entwicklung, wird inzwischen die TV-Branche vom Bewegtbildangebot der Streaming-Konkurrenz unter Druck gesetzt.
Kurzum: Die fetten Jahre der klassischen Medien sind vorbei. Neue Geschäftsmodelle müssen her! Eine Forderung, die aktuell die vbw – Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft e. V. mit einer Studie rund um "eine kooperationsorientierte Weiterentwicklung der dualen Medienordnung" unterfüttert.
"Diese hat zum Ziel, der heimischen Medienbranche auch in der digitalen Welt den Aufbau eines nachhaltigen Eigengewichts der nationalen Medienproduktion zu ermöglichen – trotz einer Übermacht der globalen Internetkonzerne", betonte vbw-Hauptgeschäftsführer Bertram Brossardt bei Ankündigung der Untersuchung. Beauftragt wurden die Wissenschaftler Prof. Dr. Otfried Jarren (Universität Zürich / FU Berlin), Prof. Dr. Christoph Neuberger (FU Berlin), Prof. Dr. Tobias Gostomzyk (TU Dortmund) und Prof. Dr. Frank Lobigs (TU Dortmund).
Ergebnisse der vbw-Studie
Über allem steht die Frage im Raum: Wie können es deutsche Medienunternehmen mit den großen US-amerikanischen und chinesischen Playern aufnehmen?
Mit einer "kooperationsorientierten Weiterentwicklung der Medienordnung", lautet die Antwort der Forscher. Sie skizzieren in diesem Zusammenhang verschiedenste Formen der Zusammenarbeit – intramediär, intermediär, zwischen öffentlich-rechtlichen und privaten Anbietern im Rundfunkbereich. Publizistische Allianzen werden angeführt. Die Studienautoren stufen Rechercheverbünde wie etwa den von NDR, WDR und Süddeutscher Zeitung als wirksam ein. "Vorteilhafte Produktions- und Rechteerwerbskooperationen im Unterhaltungs- und Sportbereich" schweben dem vbw des Weiteren vor.
Auch auf organisatorischer Ebene verorten die vier Wissenschaftler Chancen für umfassende Kooperationen, die die Kosten der Medienanbieter senken könnten. Nicht ausgelastete Technik etwa könnte anderen Unternehmen der Branche zugutekommen. Vieles ist denkbar in Bereichen, die den Meinungsbildungsprozess und die Medienvielfalt nicht berühren.
Medienpolitik ist gefordert
Klar wird in der Studie aber auch: Es muss erst einmal der gesetzliche Rahmen für mehr Kooperation geschaffen werden, medien- wie kartellrechtlich. Strukturen dafür zu schaffen sei nun die dringende Aufgabe der Gesetzgeber, so der Tenor.
Andreas Paulus, Richter am Bundesverfassungsgericht, hat während der Medientage München 2019 eine Reform des Medienrechts vorgeschlagen - angesichts des digitalen Wandels in den Medien. Hier das Interview mit dem Verfassungsrechtler:
Die Verfasser der Studie beharren auf einen starken, vom Rundfunkbeitrag gestützten öffentlich-rechtlichen Rundfunk. Dieser sollte aus ihrer Sicht an die Preissteigerung gekoppelt werden.
Ausführlich geht das Werk auch auf die Printbranche ein. Dort gehen Vertriebs- und Anzeigenerlöse verloren; im Gegenzug reagieren die Nutzer sehr zurückhaltend bei Paid-Content-Angeboten. Verlage brauchen ergo mehr Geld für notwendige Investitionen in die Zukunft.
Die Studie schlägt hier staatliche Zuwendungen vor, wie sie Verlegerverbände zuletzt immer wieder gefordert haben. Eine finanzielle Unterstützung ist gerade besiegelt worden: Der Bundestag will die Zustellung von Abo-Zeitungen und Anzeigenblättern mit 40 Millionen Euro subventionieren – allerdings temporär und als "Hilfe bei der digitalen Transformation".
Alternative Plattform als Ziel
Umfassend herausgearbeitet wird in der vbw-Analyse der Plattform-Gedanke – die Idee einer Alternative zu Facebook und anderen großen Digitalmarken, wie sie auch beim Europatag im Rahmen der #MTM19 vorgestellt wurde.
Das Fazit und der Rat der Forscher lautet entsprechend: "Die Entwicklung einer kooperationsorientierten Medienordnung ist mithin demokratiepolitisch geboten, und sie ist medienverfassungsrechtlich eine gute Option. Sie schafft eine Grundlage, auf deren Basis eine gemeinsame, zeitangemessene europäische Medienordnung mitgestaltet und möglicherweise auch die Vision einer paneuropäischen Kultur- und Medienplattform verwirklicht werden könnte.“
Für die Wissenschaftler hinter der aktuellen vbw-Studie ist auf jeden Fall die Schwelle erreicht, an der die alte Medienordnung ohne tiefgreifende Veränderungen und eine "kooperative" Medienpolitik nicht überleben kann. Die Analyse ist hier als PDF abrufbar.
Sie interessieren sich für Themen rund um Digitalisierung und die Folgen? Dann finden Sie hier im Blog der Medientage München noch mehr Lesenswertes.
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