Was kommt dieses Jahr auf die Medienbranche zu? Die Frage ist legitim, zumal 2022 für viele erneut sehr herausfordernd gewesen ist. Die spürbare Euphorie zum Jahresstart nach zwei Jahren Corona-Pandemie ist mit dem Beginn des Ukraine-Kriegs Ende Februar 2022 abrupt abgekühlt: Zunehmend schwang bei vielen Menschen das Gefühl mit, sich im Dauerkrisen-Modus zu befinden.
2022 hat ergo die Menschen, die Medienbranche und ihre Trends nachhaltig beeinflusst. Nun geht der Blick nach vorn.
Aktuell haben wir es mit vielen Herausforderungen zu tun, die aus den Vorjahren nachwirken: die Folgen der Corona-Pandemie, der Krieg in der Ukraine, die Krise, die den Mangel an Personal, Rohstoffen und günstiger Energie verschärft. Doch in Herausforderungen liegen stets auch große Chancen – gerade in der Medienbranche, die wie kaum eine andere Branche vom Prozess der digitalen Transformation betroffen ist.
- Journalismus muss aus dem Krisenjahr 2022 lernen.
Im Zentrum steht das Vertrauen, das klassische Medien bei vielen Konsument:innen – gerade bei jüngeren – wiedergewinnen müssen. Wie das gehen kann? Eine Studie legt beispielsweise im Fall der Kriegsberichterstattung über die Ukraine nahe, dass Journalist:innen oftmals differenzierter über Vorgänge und Maßnahmen berichten könnten. Es ist auch alles andere als trivial, den richtigen Ton bei der Berichterstattung über Wetterextreme zu treffen.
- Die Medien brauchen mehr und neue Fachkräfte.
Eine der größten Herausforderungen des Jahres! Beispiel Freistaat: Die bayerische Ausbildungsinitiative Start into Media hat 2022 über 250 Unternehmen für eine Studie befragt. Demnach fehlen besonders in den Bereichen Audio und Radio, Marketing, PR und Werbung sowie Extended Reality geeignete Bewerber:innen. Außerdem hat die gesamte Medienbranche in Bayern große Schwierigkeiten, IT- und Data-Spezialist:innen zu bekommen. Gleichzeitig vermissen Arbeitgeber:innen bei den Fachkräften, die neu in den Markt kommen, verschiedene Grundkompetenzen wie wirtschaftliches Denken und Zielgruppenorientierung.
Es gibt viel zu tun!
- Der Einsatz von KI muss abgewogen werden.
Nehmen wir das Beispiel Chat GPT. Der von OpenAI präsentierte Chatbot ermöglicht es, auf wenige Fragen zu reagieren, um auf dieser Basis komplette und echt wirkende Texte zu verfassen. Schulen und Universitäten machen sich bereits Gedanken, wie sich ein solches Sprachmodell auf die Bildung auswirken könnte. Und wie weit sollte die KI den Job des Content Creators übernehmen? Die Fähigkeiten von Chat GPT reichen aus, um auf einfache Themen komplexe Antworten zu geben, die auch noch glaubwürdig wirken. Doch die Quellen kann sie nicht nennen. Wir wissen dann erst recht nicht, ob die Informationen der Wahrheit entsprechen.
Inspirierendes Beispiel aus Spanien für den klugen Einsatz von KI: Newtral.es. Das Angebot nutzt Künstliche Intelligenz für Workflow, Publikation und Fact Checking, um beispielsweise Aussagen von Politiker:innen zu verifizieren.
- Das Metaverse inspiriert kreative Vorreiter.
Für die einen mag das Metaverse noch Zukunftsmusik mit vagen Aussichten sein. Für die anderen beginnt das immersive Eintauchen ins Web3 bereits jetzt. Zu ihnen zählen jene Marken, Medien und Kreative, die junge und neugierige Zielgruppen im Visier haben. Ob das Metaverse über die „Early Adopter“ hinaus die Zukunft des Internets sein wird?
Das wird die Zukunft zeigen. Vielleicht auch schon das Jahr 2023 …
- Big Player kurbeln Podcast-Vermarktung an.
Die Reichweiten wachsen, die Währung ist unter anderem mit der ma podcast installiert und nun steigen die großen Player in die Vermarktung richtig ein. Dass Spotify im vergangenen Herbst seinen Werbemarktplatz SPAN auch im deutschen Markt eröffnet hat, wird das beim Publikum so beliebte Audio-Genre für Werbungtreibende interessant machen. So hart für Mitbewerber eine solche Konkurrenz ist: Sie beflügelt bekanntlich das Geschäft und lenkt den Fokus auf das Gesamtangebot.
- AVoD muss sich als Streaming-Erlösquelle bewähren.
Noch tut es das nicht. Die Werbefinanzierung im Stream ist bisher eher ein nettes Zubrot. Während deutsche Stream-Ableger der TV-Familien das Argument der zusätzlichen Spots im Netz gut brauchen können, um mit dem klassischen Fernsehen vernetzte Kampagnen ins Netz zu verlängern, tun sich die SVoD-Platzhirsche offenbar schwer mit dem neuen Ansatz. Das kostengünstigere Netflix-Abo mit Werbung etwa erreicht laut US-Zahlen bisher nicht die erhofften Abrufzahlen. Demnach zählt das Angebot nur 80 Prozent des erwarteten Publikums und Netflix muss nun das Werbeklientel beschwichtigen.
Generell gilt fürs Streaming: Das Wachstum geht weiter. Nach der neuen AGF-Plattformstudie nutzen bereits 48 Prozent der Über-14-Jährige ein Abonnement bei Netflix, Disney+ und CO.
- Sport-Streaming wird ein umkämpftes Segment.
DAZN will nach dem Kauf der Champions League bis 2027 weitere Rechte einkaufen und bald Gewinn machen. Deutschland-Chefin Alice Mascia geht indes im Rennen um die Sahnestücke von mächtigen Gegnern aus – unter anderem Netflix und Apple. Ähnliche Prognosen liefert das Beratungshaus Deloitte in den TMT Predictions und geht bereits in diesem Jahr davon aus, dass sich Streaming-Anbieter verstärkt im Segment Sport messen werden.
Richtigen Sport bietet Netflix übrigens seit Ende 2022 ein – Kurse des Nike Training Clubs werden auf der Plattform gestreamt. Unter anderem können User nun Yoga netflixen.
- Werbung auf Papier vs. Werbung auf digitalen Screens.
Klar ist, dass die Buch-, Zeitungs- und Zeitschriftenbranche schwer leiden unter der Knappheit und Teuerung beim Rohstoff Papier. Kreative und Mediaplaner denken um. Während werbliche Beilagen der Knappheit zum Opfer fallen, boomt die digitale Außenwerbung. Die Anbieter haben sich an die Anforderungen der Werbungtreibenden in den vergangenen Jahren angepasst und profitieren nun in lokalen und regionalen Märkten.
Was kommt also 2023 auf uns zu?
Auf jeden Fall ein aufregendes Jahr mit vielen neuen Entwicklungen. Denn Trends sind neben den Menschen der Treibstoff der Medienwelt. Schwere Zeiten schaffen oft die größten Ideen.
Die Zusammenfassungen wichtiger Panel-Diskussionen sowie Bildmaterial der 36. MEDIENTAGE MÜNCHEN stehen in der Mediathek der Medientage-Homepage und auch im Blog der Medientage bereit.
Die Medienthemen können auch gehört werden: im Podcast der Medientage München.