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Die Creator Economy verschiebt die Kräfte im Medienmarkt

Geschrieben von Petra Schwegler | 18. November 2025

Sie führt längst Regie in der Medienbranche: die Creator Economy. Ob auf Instagram, YouTube, TikTok, als Newsletter oder im Podcast – immer mehr Journalist:innen veröffentlichen ihre Inhalte als persönliche Marke, bauen ihr Publikum direkt auf und finanzieren ihre Arbeit über neue Wege: durch Plattformen, Partner, Community oder Crowdfunding.
Was früher der Kampf um Reichweite war, heißt heute Bindung und Community. Wer den TV-Gipfel, diverse Panels und Diskussionsrunden bei den MEDIENTAGEN MÜNCHEN 2025 verfolgte, merkte: Die alten Grenzen verschwimmen – neue Allianzen entstehen. Doch wohin bewegt sich die Branche, wenn Content von überall überall verfügbar ist?



Die neue Medienrealität ist längst auch in der Produktion angekommen. Was früher zwischen Studios und Sendern stattfand, geschieht heute zwischen Creators und Plattformen.
Jonas Ems, Gründer von moonvibe und Produzent der Webserie „Krass Klassenfahrt“ (YouTube, Joyn), schilderte bei einer #MTM25-Session, wie er Formate bewusst so anlegt, dass Fans mitgestalten und verbreiten können. „Im besten Fall vermarkten sich Formate von selbst“, erläuterte Ems – Content wird zum Community-Erlebnis.

Auch Thomas Münzner, Chef der noch jungen Produktionsmarke Studio Flitz aus dem Hause SevenOne Studios, sieht den hybriden Ansatz als Erfolgsmodell. Seine Reality-Serie „The Race“ überzeugt sowohl auf der ProSiebenSat.1-Streaming-Plafform Joyn als auch auf YouTube. Entscheidend sei, Creators wie Profis zu behandeln – mit Vertrauen, Budget und eigenem gestalterischem Raum. Die Zusammenarbeit zwischen Plattformen und Creators funktioniere, so Münzner.

Doch noch herrscht Skepsis. Produzent Oğuz Yılmaz (Y-Titty) sprach von verschlossenen Türen der klassischen Medien, während funk-Managerin Franziska Kues betonte, ihr Team suche ständig neue Talente. Yılmaz bedauerte indes , dass das Potenzial an Talenten nicht ausgeschöpft werde und die klassischen Medien den Anschluss verlören. 

Das Signal aus München lautet: Kooperation ist gewollt, aber die Strukturen hinken der Dynamik der Creator-Welt (noch) hinterher.

Auf dem Podium der #MTM25 diskutierten Jonas Ems, Oğuz Yılmaz, Thomas Münzner und Franziska Kues mit  Yasmin M'Barek (Foto: Medien.Bayern GmbH/MEDIENTAGE MÜNCHEN)


Bindung statt Reichweite – die Community-Logik

Tobias Schiwek (Foto oben, Medien.Bayern GmbH/MEDIENTAGE MÜNCHEN), CEO von We Are Era, ging bei den MEDIENTAGEN noch einen Schritt weiter. Seine These: Es gibt keine Creator Economy – es gibt eine Community Economy.“ Denn Einfluss bemesse sich nicht mehr in Follower-Zahlen, sondern in Bindungstiefe. „Menschen folgen Menschen, aber sie bleiben wegen der Community“, so Schiwek. Das Ziel für Marken sei nicht Aufmerksamkeit, sondern Zugehörigkeit.

Das klassische Denken in Reichweiten der TV-Ära muss laut Schiwek ersetzt werden. Seine These von der MTM-Bühne: Nicht die Größe einer Audience zählt, sondern die Stärke der Community dahinter. Creators wirken als Bindeglied, Markenbühne und Wertegenerator: „Menschen folgen Menschen“ – aber sie bleiben Schiwek zufolge wegen der Community. Sein Tipp: Marken sollten daher nicht bloß ihre Influencer-Kampagnen hochrechnen, sondern Beziehungen aufbauen.

 

Plattformen, Publikum, Paradigmenwechsel

Der Wandel trifft alle Medienformen. Big Tech dominiert die Wertschöpfung. Deren Plattformen namens YouTube, TikTok und Instagram bewegen sich zunehmend Richtung Wohnzimmerbildschirm – und damit ins Hoheitsgebiet des Fernsehens. YouTube ist laut Evan Shapiro, der sich selbst als „Media Universe Cartographer“ bezeichnet, bereits der „wichtigste TV-Kanal der Welt“. Allerdings einer, der radikale Personalisierung ermöglicht.

Parallel dazu wandelt sich die Rolle der traditionellen Anbieter. Öffentlich-rechtliche Sender investieren in Diversität und Nachwuchs, während die Streaming-Plattformen der TV-Marken wie Joyn oder RTL+ mit Creators kooperieren, um authentischere Formate und jüngere Zielgruppen zu erreichen. Die „neue Normalität“, so Shapiro, besteht in Parallelwelten: lineares Fernsehen und Creator-Plattformen, nebeneinander – und zunehmend miteinander.

Shapiro hat den Wandel bei den #MTM25 treffend beschrieben: Wir leben demnach in einer „Affinity Economy“. Menschen konsumieren nicht mehr nur Inhalte, sie identifizieren sich mit ihnen – und noch stärker mit den Personen dahinter. Communities sind das Herzstück dieser neuen Struktur, in der „Creators das neue Hollywood“ bilden.

Der Analyst warnte bei den MEDIENTAGEN jedoch: Wer die neuen Strukturen nicht versteht, verliert. Vor allem traditionelle Medienhäuser müssten lernen, Zielgruppen nicht über Reichweitenmetriken, sondern über Beziehungen zu denken – jenseits alter Programmraster. Denn während sich die Generationen im Content teilweise überschneiden, trennen sie Welten bei den Distributionswegen.


YouTube immer größer auf dem Big Screen – was nun?

Wenn Googles deutscher YouTube-Manager Andreas Briese von „YouTube als TV“ spricht, ist das kein PR-Spruch mehr. Die Plattform definiert sich seit Frühjahr selbst als Fernsehen, dominiert den großen Bildschirm und gewinnt so neue Zielgruppen – und das auch mit deutschem Content als Exportschlager. Zugleich entfallen bereits 40 bis 50 Prozent der Sehzeit in Deutschland auf „lokale Uploader“ der Google-Plattform und damit: Creators, die Fans und echte Bindung liefern.

Henrik Pabst, CCO bei ProSiebenSat.1, brachte es beim TV-Gipfel #MTM25 auf den Punkt: „Creators sind da und wichtig. Sie werden uns neue Produktionsweisen beibringen, neue Erzählformen. Daher sollten wir sie als TV-Branche umarmen und ernst nehmen.“ Formate wie „The Race“ würden zeigen, dass Kooperation zwischen TV und Creator mehr als ein Schlagwort ist – sie ist Realität und Erfolgsmodell.

Sky-Deutschland-COO Elke Walthelm bestätigte die strategische Bedeutung dieser Verschmelzung. Mit über 20 eigenen YouTube-Accounts und Millionen Followern sichert sich Sky Bekanntheit und zahlende Fans. Ihre Lehre: „Wir müssen smart und klug investieren, auch in Dinge, die Vielfalt und Engagement forcieren.“

Der TV-Gipfel 2025  (Foto: Medien.Bayern GmbH/MEDIENTAGE MÜNCHEN)

 

Neue Spieler, neue Modelle

Public Value bleibt ein Kernthema: BR-Intendantin Dr. Katja Wildermuth sieht den öffentlich-rechtlichen Auftrag darin, überall dort zu sein, wo das Publikum ist – auch bei TikTok und YouTube. Allerdings: „Absenderzuschreibung muss klar sein. Kurzfristige Reichweite steht nicht an erster Stelle, sondern die langfristige Bindung.“

Die Menge an neuen Creator-Formaten bei Joyn alleine spiegelt den Wandel: Zwischen 30 und 40 sind es mittlerweile, die mit neuen Erzählformen und Authentizität das Ökosystem bereichern sollen. Und mit Blick auf die Nachwuchs-Entwicklung wird klar, wie elementar eine nachhaltige Verjüngungsstrategie für TV und Streaming bleibt.

 

Was bleibt nach den MEDIENTAGEN?

Die Erkenntnis, dass die Medienzukunft nicht von Algorithmen allein bestimmt wird, sondern von Beziehungen. Die Creator Economy ist keine Bedrohung, sondern ein Symptom einer veränderten Kultur: Weg vom Massenpublikum, hin zu Communities. Weg von Reichweite, hin zu Relevanz. Oder, wie Schiwek es formulierte: „Marken müssen Bühnen bauen.“

Im Journalismus zeigt sich das Nebeneinander deutlich: Personenmarken wie der gerade Bambi-gekürte Reporter Paul Ronzheimer stehen für die neue Vielstimmigkeit ebenso wie Medienmarken, die über Podcasts und Social Formate jüngere Zielgruppen erreichen. Die Creator Economy ist nicht wirklich Bedrohung für klassische Medien, sondern vielmehr Antrieb einer neuen, Community-ausgerichteten Branchenrealität mit neuen Herausforderungen und Chancen.

 

Auch wenn die MTM als Konferenz bis zum 21. Oktober 2026 pausieren: Wir bleiben präsent! Die Zusammenfassungen wichtiger Panel-Diskussionen sowie Bildmaterial der 39. MEDIENTAGE MÜNCHEN stehen im Info-Bereich der MEDIENTAGE-Homepage und auch im MTM-Blog  bereit. Bilder für den Download (Quelle: Medien.Bayern GmbH/MEDIENTAGE MÜNCHEN) sind in der Mediathek zu finden.


Zudem können zahlreiche MTM-Themen gehört werden: im Podcast "This is Media NOW".