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Fragen, die der Umgang mit KI aufwirft

26. Januar 2023

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Gamechanger oder Risikofaktor? Nichts wird derzeit so viel diskutiert wie Chancen und Risiken des Chatbots ChatGPT für den Journalismus. Seit wenigen Monaten erst im Markt, macht die KI-Anwendung den Redaktionen deutlich, welches Potenzial maschinenunterstützte Arbeit bei Recherche, Produktion und Distribution bietet. Zugleich wirft das OpenAI-Produkt viele Fragen auf, ebenso wie diverse andere selbstlernende Systeme rund um Text, Ton, Bild und Kunst. Einige sollen hier erörtert werden.

 

Die erste Themenkarriere der Künstlichen Intelligenz ist rund ein Jahrzehnt her. Damals entbrannte im Aufkeimen von Data Science eine Diskussion über die Möglichkeiten, wie mit der Bändigung großer Datenmengen Neues hervorgebracht werden könnte. Doch das Thema versandete in der Breite. Es galt, erst einmal Big Data zu kanalisieren und zu beherrschen.

In der Frage sind wir einen großen Schritt weiter. In der Folge erlauben es inzwischen allerlei Bots und Prototypen, dass die Welt mal mehr, mal weniger spielerisch ausprobiert, wie KI-Programme beziehungsweise Systeme für Maschinelles Lernen Texte, Bilder, Videosequenzen oder auch Musik eigenständig ins Netz werfen.

All das, was jetzt zu lesen, zu sehen oder zu hören ist, wird erst der Anfang sein: Durch menschliches Feedback und das immense eigene Lernvermögen verbessert sich KI beziehungsweise AI laufend. Daneben geht die Entwicklung in den IT-Zentren weiter. Bleiben wir bei dem Beispiel ChatGPT, viel beachtetes, textbasiertes Dialogsystem aus dem Haus OpenAI: Mit Veröffentlichung im November 2022 fußte das GPT-3-Modell des US-Entwicklers auf 175 Milliarden Parametern, um Strukturen von Sprache zu inhalieren und zu imitieren. Das GPT-4-Modell wird im Lauf dieses Jahres folgen und dann auf 100 Billionen Parametern basieren.

 

"Es" wird immer schlauer ...

Der Bot trainiert munter weiter mit gewaltigen Informationsmengen und wird bald eingebunden ins Cloud-Angebot des OpenAI-Investors Microsoft. Sprich: Dessen Produkte Outlook, Word oder PowerPoint sollen Usern dank ChatGPT schnellere Kommunikation und Arbeit ermöglichen. Den Anfang machen Teams und die Suche über Bing, Google hält mit einer eigenen KI mit. Anlass für den Trendbüro-Chef Ulrich Köhler aus der Avantgarde-Agenturfamilie, der KI bei einem Branchenevent eine große Zukunft zu prognostizieren. 

Hinzu kommt: EDA (Electronic Design Automation) trägt entscheidend zur Entwicklung von Chips bei. Auch hier spielt wiederum KI eine zunehmend wichtige Rolle: Laut einer Deloitte-Prognose wird die Halbleiterindustrie in diesem Jahr über 300 Millionen US-Dollar für externe und interne KI-Chip-Design-Tools ausgeben. Daneben soll mit geplanten EU-Investitionen von über 43 Milliarden Euro Europas technologische Kompetenz entscheidend gestärkt werden. Dabei würden EDA und KI-Chip-Design-Tools eine wesentliche Rolle, spielen.

Es sind also eine rasch anwachsende Fülle und die steigende Leistungsfähigkeit bei KI-Anwendungen sowie Systemen für Maschinelles Lernen, die auf die Medienbranche einstürmen und viele Fragen aufwerfen:

 

Technische Fragen

Man ahnt es schon: KI-Anwendungen, die dem eigenen Unternehmen nützen sollen, brauchen die passende Hardware, ausreichend Serverkapazität und auch die entsprechenden Daten. Kenner raten: Wer über den Einsatz von KI-Technologien nachdenkt, sollte sich zunächst die ehrliche Frage stellen: „Wie gut sind unsere Daten?“. Ein KI-System sei nur so gut, wie die Daten, auf denen es basiert, warnen Dienstleister aus der Industrie.

Bis dahin ist ChatGPT eher als Spielerei zu betrachten. Wobei der Bot mit seinem Vermögen, erstaunlich kluge Texte auszuspucken, die schreibende Zunft oder auch das Bildungswesen beunruhigt. So manchem schwant, dass ChatGPT massiven Einfluss auf den Job haben könnte. Hochschulen machen bereits darauf aufmerksam, dass sie digitale Textchecks einsetzen werden. OpenAI hat gerade eben selbst ein Tool gelauncht, das die Produkte aus der Quelle des eigenen Bots aufdecken soll. Daneben sollen verbesserte Funktionen nur in einer neuen Bezahlversion ausgerollt werden.

Daneben macht sprachlos, was Kunst- und Bildergeneratoren wie Dall-E, Stable Diffusion oder Midjourney erschaffen können. Holly+ erlaubt es Musikbegeisterten, bei ausreichend guten Gerätschaften den großen Auftritt mit starker Stimme zu wagen und Erlöse zu schaffen, die wiederum der Web-Community zugutekommen. So speist das selbstlernende System den weiteren Fortschritt.

 

Inhaltliche Fragen

Es passt gut, dass die Münchner Initiative Lernende Systeme – Die Plattform für Künstliche Intelligenz ihr neues Whitepaper zum Thema „Künstliche Intelligenz im Journalismus“ mit dem Untertitel „Potenziale und Herausforderungen für Medienschaffende“ versehen hat. Denn noch tariert die Medienbranche aus, wem ein Bot in welcher Form wo nützen kann, wie Tools wie ChatGPT klug eingesetzt werden können, wann der Einsatz überhaupt sinnvoll ist und was der Bot nicht kann.

Dominik Sedlmeier empfiehlt den Chatbot als eine Art „Grundgerüst“ zur Arbeitserleichterung in Redaktionen. Der CEO der PR-Agentur El Clasico Media bringt es in einem Gastbeitrag für den digital publishing report auf den Punkt:


Die Künstliche Intelligenz ChatGPT kann auf der Grundlage vorheriger Daten selbstständig Texte erstellen, was für die Menschen sehr hilfreich sein kann. Sogar für Autoren bietet es eine Möglichkeit, auf langwierige Texterstellung zu verzichten und Zeit zu sparen. Trotz dessen können redaktionelle Arbeiten nicht so schnell von KI übernommen werden. Dafür fehlt es an eigenständigem Wissen und anderen menschlichen Eigenschaften, wie Kreativität. Das System ist also zum jetzigen Zeitpunkt eher eine Hilfe als ein Problem.

Dominik Sedlmeier, El Clasico Media

 

Als inzwischen sehr hilfreiche Hilfsmittel bei der redaktionellen Arbeit versteht das Whitepaper der Initiative Lernende Systeme verschiedene Tools. So könne KI Recherche unterstützen, wenn es etwa um große Datenmengen geht. Auch könnte eine einseitige Berichterstattung durch IT-Checks der Inhalte verhindert werden.

Synthetische Beiträge in Wort, Bild oder auch Text – nichts anderes liefert ChatGPT – könnten Produktionsabläufe in Redaktionen verschlanken. Die KI für die Pflicht. So bleibt den Journalist:innen mehr Zeit für die Kür. Andere wollen den Wert der neuen Anwendungen nicht überbewertet wissen.

BR-Chefredakteur Christian Nitsche empfiehlt Redaktionen angesichts der ernstzunehmenden Disruption durch ChatGPT, der KI durchdachten Journalismus als  Gegenpol entgegenzusetzen - mit "Wärme" und als Korrektiv. 

 

Rechtliche Fragen

Unweigerlich ist das Pro bei KI mit dem Kontra verbunden: Wenn eine Maschine ihr Wissen aus „Archivmaterial“ speist und inspirierende Inhalte auf Basis menschlicher Vorleistung erstellt, dann pinselt, kritzelt oder funkt sie wie die einstigen Urheber:innen. Den Usern macht das Ergebnis Freude, den Kreativen große Sorgen: „Für Künstler und Designer stellen die neuen Kunstmaschinen ein Problem dar, und zwar nicht nur, weil sie ihnen die Jobs klauen könnten, sondern auch ihren Stil. Denn trainiert werden die Kunst-Maschinen mit Kunst, die Menschen zuvor geschaffen haben“, berichtete etwa der BR im Zusammenhang mit den ersten Klagen gegen KI-Anbieter aus der Kunstbranche.

In Großbritannien zerrt die Bildagentur Getty Images den Anbieter Stability AI vor den Kadi. Er steht hinter der Kunst-KI Stable Diffusion. Auch gegen Midjourney laufen Verfahren; hier haben US-Künstler ein Veto gegen die maschinelle Fortschreibung ihrer Handschrift geklagt.

Auch wenn es wohl rechtens sein mag: Dem Musiker Nick Cave gefällt es ganz und gar nicht, was die KI auf Basis seiner Stimme kreiert. 

Eine erste rechtliche Einschätzung für Publisher gab Dr. Holger Weimann, Partner bei ADVANT Beiten im Rahmen eines Webinars des MVFP Bayern: "Texte von ChatGPT zu veröffentlichen, ist rechtlich riskant. Es ist unmöglich, die Quellen von ChatGPT herauszufinden. Und die KI gibt in manchen Fällen urheberrechtlich geschütztes Material von Dritten wieder. Wer solche Texte verbreitet, setzt sich möglicherweise Ansprüchen aus", so Weimann.


Gesellschaftliche Fragen

Gerade eben hat das versierte Forschungsteam des Reuters Institute in Oxford in seinem aktuellen Digital News Report das Zurückgewinnen des Vertrauens in klassische Medien als eine der größten Herausforderungen der kommenden Monate und Jahre klassifiziert. 

Da passt die Meldung nicht gut ins Bild, dass die altehrwürdige US-Tech-Seite CNET im großen Stil Artikel mit dem Textbot ChatGPT erstellt und diese nicht als Maschinen-gemacht gekennzeichnet hat. Die Kritik wächst weiter, seit der US-Dienst The Verge darlegt, wie die CNET-Mutterfirma Red Ventures das KI-Tool offenbar bei vielen seiner Seiten einsetzt und mit Keywords vollgepackte Texte für lukrative Affiliate-Werbezwecke nutzt. In der Fachpresse wird vermutet, dass selbst das CNET-Team nicht mehr wissen könnte, welche Texte von Menschen und welche von ChatGPT geschrieben wurden.

Wie sollten Leser:innen diesen Medienangeboten noch trauen? Auch sorgen sich Wissenschaftler:innen unter anderem um die Sprachgerechtigkeit, wenn eine KI auswählt, was Menschen interessieren könnte. Richtet sich die Maschine nach der Masse, dann wird eher auf Chinesisch als auf Deutsch geschrieben.

Zudem muss dem Bot vorerst die Fähigkeit abgesprochen werden, dass er die Welt gerechter machen könnte. Im Gegenteil: Die KI ist auf dem besten Weg, als Werkzeug der Reichen eher das Standing der Mächtigen zu zementieren.

Allen kritischen Stimmen zum Trotz: Das Reuters Institute rechnet für 2023 mit dem Durchbruch für künstliche Intelligenz und ihrer Anwendung im Journalismus.

 

Politische Fragen

Natürlich steckt die Macht der Manipulation in den Nullen und Einsen der KI-Anwendungen. Hacker aus gefürchteten russischen Trollfabriken sind längst am Werk. Jüngst kochte die Meldung hoch, dass sie versuchen, die OpenAI-Beschränkungen zu umgehen, um via ChatGPT ihre Fake News ins Netz zu entlassen. Software-Kenner warnen daher bereits vor dem Gefahrenpotenzial der Anwendung.

US-Wissenschaftler wachen mit Argusaugen über den Einfluss des derzeit noch kostenlosen KI-Angebots auf die politische Lobbyarbeit. Mit viel Geld in der Hinterhand könnte eine völlig neue Dimension der Einflussnahme entstehen.

Bewiesen ist inzwischen, dass ChatGPT Falschinformationen verbreiten kann.


Ein Fazit und ein Ausblick

Richtig ernst genommen wurden KI-Anwendungen in den Medien in den vergangenen Jahren nicht. OpenAI hat das mit dem Chatbot ChatGPT geändert. Ideen für einen Roman? Liefert ChatGPT. Hausarbeit in Deutsch? Schreibt ChatGPT. Motto eines Events? ChatGPT liefert Impulse.

Dieser Prototyp einer „generativen KI“ reagiert auf Textaufforderungen und lässt erahnen, wohin sich Künstliche Intelligenz entwickeln könnte. Noch wird viel ausprobiert, noch ist nicht entschieden, ob ChatGPT zu den wichtigsten Entwicklungen des letzten Jahrzehnts zählt oder ob sich über den bestehenden negativen Strömen im Journalismus eine neue Büchse der Pandora öffnet.

Dieses Jahr, da sind sich Netzkenner:innen und Wissenschaftler:innen einig, wird zeigen, wo die KI-Reise hingeht und welche Auswirkungen diese Innovationen auf den Journalismus haben könnten. Wir alle werden derzeit beeindruckt vom Textvermögen, von der Videokompetenz oder von der illustrativen Kunst, die die klugen Bots erzeugen. Klagen gegen Anwendungen, fragwürdige oder gar kriminelle Praktiken und der veraltete Hang zu Stereotypen werden zwar eine große Zahl an Kritiker:innen auf den Plan rufen. Die neue Themenkarriere der KI mit Protagonisten wie ChatGPT, Dall-E oder Holly+ stoppen werden sie indes nicht.

Vergessen dürfen wir nicht: Ein Stück weit macht der Journalismus seit einigen Jahren praktische Erfahrungen mit dem Hilfsangebot aus der Maschine. KI-Transkriptionstools sind längst Routine in Nachrichtenredaktionen. Die ersten virtuellen Moderations-Klone lesen im asiatischen Raum die TV-Nachrichten. Das Sophi-Tool automatisiert Homepages. Diverse Bots vermögen automatisch Zusammenfassungen von Top-News zu identifizieren und zu schreiben.

Deutlich wird dank ChatGPT zu diesem Zeitpunkt: Die Transparenz der Quellen, das Kuratieren von Meinungsstücken durch gut ausgebildete Journalist:innen und eine klare rechtliche Abgrenzung, was eine KI wo und wie abgreifen darf, sind essenziell, um die Zukunft der datenbasierten Medienarbeit positiv zu gestalten. Alles andere würde das Misstrauen in klassische Medien weiter schüren.

Die Microsoft-Beteiligung OpenAI nimmt diese Gefahrenpotenzial ernst. Das US-Team entwickelt derzeit unter anderem digitale Wasserzeichen. Eine bessere Kennzeichnung soll dazu beitragen, Vertrauen in die Künstliche Intelligenz aufzubauen.

Wichtiger Hinweis: Dieser Text wurde nicht von einer KI verfasst.


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