Auch Corporate Media Responsibility sollte eine Kennzahl sein in der täglichen Arbeit von Mediaagenturen. Dafür spricht sich das Schwergewicht Omnicom Media Group aus. Es geht dabei um die Frage, wie mit der Mediaplanung und der Verteilung der Werbebudgets über die Medien hinweg mehr Verantwortung für Vielfalt übernommen werden kann. Es gilt, nicht einfach den lautschreierischen Angeboten nachzugeben, sondern mit Werbung in qualitativ hochwertigen Umfeldern jene Medien zu finanzieren, die den Diskurs und das gesellschaftliche Miteinander fördern. Ein Gespräch mit Paul Remitz, CEO Omnicom Media Group Germany, über einen Mediaplan mit Haltung.
Herr Remitz, fallen wir mit der Tür ins Haus: Prägen Mediaspendings das politische Klima?
Media-Investitionen prägen nicht das politische Klima. Die Politik prägt das politische Klima. Werbespendings sind aber eine Finanzierungsquelle für Medien, die Multiplikator für politische Botschaften sind.
Das Geld folgt den Eyeballs und mit dem Wachstum der großen Social- und Video-Plattformen verschiebt sich die Mediennutzung in diese Richtung. Die Ausspielung von Content erfolgt dort algorithmisch. Diese Algorithmen basieren weitestgehend auf trivialen und nicht intelligenten Daten. Das birgt entsprechend Gefahren und Chancen für antidemokratische Kräfte.
Wie kann so ein Mechanismus durchbrochen werden?
In dem wir Corporate Media Responsibility als zusätzlichen KPI zu Effizienz und Effektivität dazunehmen.
Der „Hilferuf“ aus der Medienbranche liegt schon vier Jahre zurück, als die damalige G+J-Chefin Julia Jäkel Werbungtreibenden mitgegeben hat, Werbegelder verantwortungsvoll auszugeben. Seither hat sich die wirtschaftliche Lage der klassischen und kritischen Medien nicht verbessert, im Gegenteil. Warum ist so wenig passiert?
Nach vier Jahren Trump mit “Fake News” und “alternativen Fakten”, nach zweieinhalb Jahren Corona-Pandemie und sechs Monaten Krieg in Europa haben wir einfach einen anderen Sense of Urgency zum Handeln. Was real und was Fake ist, lässt sich häufig kaum noch unterscheiden.
Wir sehen uns mit bewusster strategischer Desinformation gegen die Wahrheitsnorm konfrontiert.
Paul Remitz, OMG
Auffällig ist, dass sowohl in Deutschland als auch in anderen Ländern Parteien mit radikalen, extremistischen und populistischen Positionen am häufigsten erwähnt werden. Die Auswirkungen sind bereits heute zu beobachten.
Gemäß einer repräsentativen Studie der Universität Bielefeld gibt es eine Kausalität zwischen Medienkonsum und dem Hang zu Verschwörungs-Mythen. Von den Jugendlichen, die ihre Informationen bevorzugt aus Social Media beziehen, zeigten 37,6 Prozent eine starke Neigung zu Verschwörungs-Erzählungen. Hingegen sind es nur 5,4 Prozent bei denjenigen, die sich überdurchschnittlich viel über öffentlich-rechtliche Medien informieren.
Wieviel Verantwortung liegt hier beim Planer – wieviel beim Werbekunden selbst?
Wir müssen die Verantwortung von der operativen Ebene der Planer auf die strategische Ebene der Entscheider bringen. Ziel muss es ja sein, Medienvielfalt mit zu integrieren in das strategische Framework für Kommunikation.
Gleichzeitig ist jeder, der in einer freiheitlichen Grundordnung leben will, gefordert, Verantwortung zu übernehmen.
Paul Remitz, OMG
Ich denke, wir müssen das Verständnis und den Begriff der „Wehrhaften Demokratie“ neu aufladen.
"Gemeinsam müssen wir uns mit unseren Medien beschäftigen" – mit diesem Appell wird Ihr Management-Kollege Manfred Kluge bei den Medientagen München antreten. Wird diese Haltung in Ihrer Gruppe bereits umgesetzt – und wie?
Veränderung folgt den drei Stufen: Verstehen, Verändern und Verankern. Tag für Tag sprechen wir mit unseren Kunden darüber. Das ist der erste Schritt. Wir schaffen ein Bewusstsein. Gleichzeitig unterstützen wir Organisationen in Schulen, Kinder und Jugendlichen im Umgang mit Medien und Plattformen zu schulen.
Wir haben KPI’s entwickelt, wie man Medienqualität in den Strategieprozess integrieren kann. Selbstverständlich führen wir auch Gespräche auf globaler Ebene mit den Plattformen.
Wenn wir Ihr Team 2025 wieder bei den Medientagen begrüßen: Was möchten Sie der Mediabranche dann zurufen?
Nicht aufgeben, Schritt für Schritt. Demokratie und eine liberale pluralistische Gesellschaft sind keine Selbstverständlichkeit. Unsere Freiheit wurde hart erkämpft.
Zur Person:
Paul Remitz (Foto: Unternehmen) ist seit Mai 2018 CEO der Omnicom Media Group Germany. Er gilt als einer der erfahrensten und versiertesten Manager der deutschen Mediaagenturszene und verantwortet das Business der Agenturgruppe mit ihren deutschlandweit rund 1.800 Mitarbeitenden. Dazu zählen Agentur- und Beratungsunternehmen wie OMD, PHD, Hearts & Science, annalect oder bynd.
Bevor Remitz 2018 zur Omnicom Media Group Germany wechselte, arbeitete er knapp acht Jahre lang als CEO bei MediaCom Deutschland. Er hat in seiner Laufbahn drei Agenturen gegründet. Dazu gehört auch das Joint Venture TWENTYFIVE nach dem erfolgreichen Gewinn von P&G. Zuvor hatte Paul Remitz weitere Positionen auf Direktorenebene verschiedener Unternehmen und Agenturen inne, darunter beispielsweise Kraft Foods, MediaVest sowie DMB&B in London und New York.
Die MEDIENTAGE MÜNCHEN 2022 finden vom 18. bis 20. Oktober vor Ort in München statt. Dabei blicken wir im Rahmen vielfältiger Themen-Tracks auf die aktuellen Herausforderungen der Branche und zeigen neue Perspektiven auf. Gesellschaftspolitische Themen stehen auf der Agenda, darunter auch ein Gespräch mit Manfred Kluge, Chairman DACH der Omnicom Media Group unter der Headline "Gemeinsam müssen wir uns mit unseren Medien beschäftigen" . Die Session wird die Haltung der Gruppe zu Corporate Media Responsibility vertiefen. Hier geht es zum Ticketshop!
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