Ganze Produktionen absagen, weil es am qualifizierten Personal fehlt? Das kommt immer öfter vor in einer Branche, die händeringend Nachwuchs und neue Mitarbeiter:innen sucht. Neue Aufgaben erfordern zudem neue Qualitäten. Doch die Medienhäuser wachen auf, haben Ideen und Konzepte, um "Irgendwas mit Medien" (wieder) sexy und das eigene Unternehmen zukunftsfähig zu machen.
Die Medienbranche horchte auf, als Joachim Kosack, Geschäftsführer UFA GmbH und UFA Serial Drama, Anfang Februar das Vorhaben UFA Academy enthüllte. Mit einem Weiterbildungsprogramm für Quereinsteiger:innen im Alter zwischen 25 und 60 Jahren wolle das Produktionshaus aktiv dem Fachkräftemangel begegnen, der auch in der Film- und Fernsehbranche seit einigen Jahren deutlicher spürbar werde, hieß es. Bewerber:innen dürfen dabei die “unterschiedlichsten Vorerfahrungen“ mitbringen.
Die UFA Academy bietet erstmals von Mai an mit einer zweijährigen beruflichen Ausbildung die Chance zur beruflichen Neu- beziehungsweise Umorientierung in den Bereichen Aufnahmeleitung, Regieassistenz, Script/Continuity und Filmgeschäftsführung. „Erfahrungen in der Medienbranche sind keine Voraussetzung“, heißt es ausdrücklich.
Nachwuchsmangel macht kreativ – mit positivem Nebeneffekt: Es dürften diversere Teams entstehen.
Mit der Pandemie und dem gesteigerten Bedarf an Bewegtinhalten ist die Nachwuchsproblematik gerade in der Produktionsbranche noch sichtbarer geworden. Doch bereits vor der Corona-Phase klagten Produzenten in vielen Bereichen über den Mangel an neuen Mitarbeiter:innen. Es gilt, junge Menschen für die Bewegtbildproduktion zu motivieren.
Inzwischen gibt es einige Ausbildungsberufe und mehr und mehr Studiengänge, doch aus Sicht einiger Produzenten „immer noch nicht genug“. Die Pandemie habe gezeigt, dass viel mehr für den Nachwuchs getan werden müsste, räumte im vergangenen Jahr ein Vertreter der Branche bei einem MTM-Event ein.
Was für die Produktionsbranche gilt, sollte in der gesamten Medienbranche wegweisend werden: Qualifizierungen könnten in einzelnen Gewerken eine Lösung sein, dem Fachkräftemangel schnell zu begegnen. So könnten mehr Ausbildungs- und Qualifizierungsangebote im Schnitt oder bei Cutter:innen selbst kurzfristige Engpässe lösen.
Schwieriger wird es, wenn es sich nicht um Studien- oder klassischen Ausbildungsberufe handelt, etwa in der Filmgeschäftsführung, in der Buchhaltung rund um ein Filmprojekt oder die Aufnahme- und Produktionsleitung. Hier setzt das eingangs erwähnte UFA-Projekt an. Auch müssen grundsätzliche Ausbildungsfragen beantwortet werden, die etwa neue Studiengänge an den Hochschulen lösen könnten. Gerade große Unternehmen oder auch die Bewegtbildbranche setzen auf hochwertige Recruiting-Kampagnen, um beispielsweise Quereinsteiger aus dem gesuchten Data-Segment zu begeistern.
Zudem spielen neue und stimmige Bewerbungsformen eine Rolle: Das Audio-Haus Antenne Bayern sucht Mitarbeiter:innen, die sich per Sprachnachrichten bewerben können.
In vielen Medienbereichen ist inzwischen von einem War for Talents die Rede. Beim Trendevent im MedienNetzwerk Bayern wurde deutlich, dass sich der Bedarf an Spezialisten vor allem dann verschärft, wenn es um neue Produktionsformen geht. Stephanie Schettler-Köhler, COO und Vorständin der Produktionsgesellschaft PANTAFLIX, konnte berichten, dass sogar schon ganze Produktionen abgesagt werden mussten.
Dass sich etwa die langjährigen ARD-Aushängeschilder Linda Zervakis und Jan Hofer zu ProSieben beziehungsweise RTL abwerben ließen, begründete die PANTAFLIX-Vorständin mit den größeren Freiräumen bei Privatsendern.
Man müsse als Unternehmen attraktiv sein, sich entsprechend aufstellen und interessant werden, appellierte die Managerin selbstkritisch an die Branche. Als weitere Facetten der „Sexyness“ eines Arbeitgebers führte Schetter-Köhler Entwicklungsmöglichkeiten an oder die Notwendigkeit, junge Talente mit Themen abzuholen, die ihnen wichtig sind.
Bei anderen Punkten machte die PANTAFLIX-Managerin dagegen Abstriche: „Gerade im Produktionsbereich ist Work Life Balance und Familie gar nicht machbar. Gerade, wenn beide Partner:innen in der Branche tätig sind, muss man sich abwechseln.“ Daran müsse die Branche noch dringend arbeiten. Corona machte indes deutlich, dass Remote Work und agiles Arbeiten funktioniert, was die Familientauglichkeit von Jobs deutlich erhöht.
Wie wichtig die Arbeitskultur ist, um Mitarbeiter:innen anzuwerben und zu halten, zeigt eine aktuelle Xing-Auswertung. Mit der Corona-Pandemie wird eine nie dagewesene Lust am Jobwechsel deutlich. Gekündigt wird demnach gehäuft wegen der Unzufriedenheit mit dem Umfeld.
Übrigens wird diversen Jobs in der Medienbranche eine gute Zukunft vorhergesagt. Das Bewertungsportal Kununu nennt hier vor allem Aufgaben, „die „Kreativität in Kombination mit technischem Verständnis und einem Gefühl für digitale Medien“ bieten. Dazu zählen unter anderem Social Media Manager:in, Gestalter:in für digitale Medien, Online Marketing Manager:in sowie Online Redakteur:in.
Interessiert an Themen rund um die Medienbranche? Dann ist hier im Blog der Medientage München noch mehr Lesenswertes zu finden.
Zudem können Medienthemen auch gehört werden: im Podcast der Medientage München.
Darüber hinaus stehen Zusammenfassungen vieler Sessions der 35. MEDIENTAGE MÜNCHEN sowie Bildmaterial in der Mediathek der Medientage-Homepage bereit.