Mit Festival-Charakter im wahrsten Sinne des Wortes ist das Gattungsevent der Bewegtbildbranche auf die große Bühne zurückgekehrt: Bei einem zentralen Screenforce-Event in Düsseldorf haben die Sender und Vermarkter ihr Angebot für die kommende Saison im Zirkuszelt präsentiert. Werbungtreibenden und Mediaplaner:innen sollte die "Magie der Total-Video-Welt" nahegebracht werden. Und die Botschaft vermittelt werden: Unsere Gattung liefert Euch planbare und verlässliche Werbeumfelder auf vielen Kanälen!
Mit der Telemesse von einst, bei der sich TV pompös als des "Werbers Liebling" mit großer Show und umfangreichen Programmtrailern präsentieren konnte, hat das Screenforce Festival von heute immerhin noch den Showcharakter und die farbenprächtige Inszenierung gemeinsam.
Nur kommt TV heute gerahmt vom Stream daher: So inszeniert beim Auftakt-Screening der ProSiebenSat.1-Familie, wo die hauseigene BVoD-Plattform Joyn auf dem großen Präsentierbildschirm den Rahmen für alle Senderlogos bildete.
Generell stellten die elf Screenforce-Partner aus der TV-Vermarktung in Deutschland, Österreich und der Schweiz ihre Präsenz auf allen Bewegtbildkanälen heraus. Frank Vogel, Geschäftsführer der Ad Alliance aus der RTL-Familie, brachte das kontinuierliche Zusammenwachsen der verschiedenen Inhaltequellen – Fernsehen, Stream, Abruf, Social Video – in Düsseldorf auf den Punkt; der Vermarktungschef sprach beim neuen Festival von einem Vorgeschmack auf "Big Screen Video“. Alles, was in einigen Jahren über den großen Bildschirm flimmert, könnte unter diesem künftigen "Standardbegriff“ programmatisch über die Screenforce-Partner abgewickelt werden.
Doch zurück zur Gegenwart: Deutlich machte der bunt inszenierte Tag, dass die Gattung der Werbewirtschaft stark Nachgefragtes liefern will: markensichere Umfelder im Bewegtbild mit großer Reichweite und Relevanz, auch im Digitalen. Mit dem Argument "Brand Safety“ versuchten sich die Vermarkterhäuser deutlich von der übergroßen Konkurrenz der digitalen Plattformen abzugrenzen.
Markensicherheit bei großer Reichweite – die TV-Familien hinter Screenforce kamen mit diesen Ansätzen ins Zirkuszelt:
Ob Joko & Klaas oder Sebastian Pufpaff für ProSieben, Regina Halmich mit Stefan Raab oder Sonja Zietlow für RTL oder Harald Glööckler, Hugo-Egon Balder und Hans Sarpei für RTLZwei: Die „Influencer“ des Fernsehens waren in Düsseldorf präsent. Große Namen sollten offensichtlich die Relevanz des Mediums untermauern.
Auch wenn nur wenige Programmtrailer für die kommende Saison zu sehen waren, machte die Screenforce-Show deutlich, wie prägend manche Köpfe fürs Genre Bewegtbild eingesetzt werden. Die TV-Prominenz wird über alle Sender/Streamer hinweg in Shows, Reality-TV, Serien und Dokus zu sehen sein.
Das Rad nicht neu erfinden, aber mit neuen Schläuchen wieder richtig in Fahrt kommen und Fernsehen wie Streaming bespielen: Rund um 20 Jahre Dschungelshow lässt das RTL-Team um Chief Content Officer Inga Leschek in diesem Sommer viele IBES-Sondersendungen vom Stapel.
Schwestersender NITRO darf die bekannte Filmsatire-Marke SchleFaZ mit Oliver Kalkofe und Peter Rütten neu beleben. Tele 5 hat die Reihe mit den wirklichen miesen Movies aufgebaut; nach ihrem Einschlafen dort füttern jetzt die Kölner die treue Fangemeinde. Auch ein bekanntermaßen schlechtes Fiction-Programmumfeld kann für Werbungtreibende gut planbar sein ...
Für den RTL-Sender Vox sprach Programmgeschäftsführerin Kirsten Petersen aus, was sich als Trend-Genre etabliert: "Unterhaltung mit Haltung“.
Ein Beispiel: Vox-"Küchenchef“ Tim Mälzer plant 2025 ein Generationenprojekt mit André Dietz. Nach dem Erfolg der preisgekrönten Doku-Reihe "Zum Schwarzwälder Hirsch“ bringen sie in "Herbstresidenz“ Menschen mit Behinderung und Senior:innen in einem Pflegeheim zusammen.
Super-Wahljahr, Desinformation, Demokratie-Gefährdung: Es gibt viel zu tun für klassische Medien und fürs Fernsehen, das als nachweislich emotionales Medium viel bewirken kann. Nicht nur beim Nachrichtensender WELT wurden bei Screenforce Informationsumfelder in den Mittelpunkt gestellt. RTL etwa hat das Ende der Ära Peter Klöppel genutzt, um die Anchor-Crew neu aufzustellen. Wenn sich Jan Hofer jetzt zurückzieht, wird Pinar Atalay das Aushängeschild von "RTL Direkt“.
Für Sat.1 reiste Kriegsreporter Paul Ronzheimer ins Zirkuszelt nach Düsseldorf. Für den Münchner Sender steht der stellvertretende Bild-Chefredakteur für die Doku-Reihe "Ronzheimer – Wie geht’s, Deutschland?" (AT) vor der Kamera, die ab Herbst jeweils montags in der Primetime zu sehen sein wird. Ronzheimer soll beleuchten, was Deutschland bewegt.
Der ProSiebenSat.1-Streamer Joyn war sehr präsent beim Screenforce-Festival. Dass in der Streaming-App bis zu 45 Prozent der Nutzung auf Live-Streams von klassischen TV-Sendern entfällt, war in Düsseldorf eines der starken Argumente pro „Total Video“: Alles kommt zusammen. Daneben beschwor RTL-Manager Frank Vogel die hohe Relevanz der Live-Momente im TV dank Sport, Show und Reality-TV.
Vor allem bei den kleineren Sendern wie Eurosport aus der Warner-Discovery-Gruppe wurde in Düsseldorf die Kraft des Live-Fernsehens hervorgehoben. Sport, Sport, Sport gehört nach wie vor zum großen Lagerfeuer des TV-Bildschirms (... und zu Screenforce gehört, dass die kleineren Vermarktungshäuser mit der Nische im Festival-Programm zurechtkommen müssen).
Darf sich jetzt Joyn so nennen, weil die ProSiebenSat.1-Plattform die nach Konzernangaben größte kostenlose Reichweite hat? Oder geht der Pokal an RTL+, dessen Verantwortliche aus Köln andere Messgrößen anlegen wollen?
So oder so: Dass es zu EINEM deutschen Superstreamer auf Basis von Joyn nach österreichischem Vorbild kommt, wirkt nach den Auftritten der beiden Familien recht unwahrscheinlich. Viel wichtiger dürfte diese Botschaft zum werbefinanzierten Streaming sein: „Wer AVoD mit großer Reichweite anbietet, ist Partner der Werbewirtschaft“, betonte Markus Breitenecker, seit April Chief Operating Officer bei ProSiebenSat.1 und nun für den Entertainment-Bereich der gesamten AG zuständig. Das wird sich keine der beiden Familien entgehen lassen.
Schon aufgefallen? Sowohl ProSiebenSat.1 als auch RTL sind zur Tradition zurückgekehrt, erfahrene Manager:innen aus dem DACH-Raum ans Ruder zu lassen (wenn auch die Zeiten eines Helmut Thomas oder Georg Koflers im TV wirklich vorbei sind ...).
Sowohl Leschek als auch Breitenecker stammen aus Österreich. Beide überzeugten mit sehr souveränen Auftritten im Screenforce-Zirkuszelt das Fachpublikum aus Werbung und Agenturen. Die RTL-Verantwortliche konnte bereits große Erfolge für zurückliegende Monate verkünden, das Hauptprogramm hat 2024 deutlich via TV und Stream sowie bei den Erlösen zugelegt. Nun bleibt es abzuwarten, wie der im April berufene Breitenecker als COO in der Manege von ProSiebenSat.1 zu lenken vermag.
Die allseits von den Besucher:innen gelobte gute Stimmung beim Screenforce-Festival dürfte nicht nur auf das sonnige Wetter in Düsseldorf zurückzuführen sein. Die Prognosen für den Werbemarkt sind nach den ersten fünf Monaten 2024 gerade sehr positiv: Nielsen-Auswertungen zufolge hat TV die Rolle als Wachstumstreiber wieder einnehmen können – bisher mit einem Plus in Höhe von 12,3 Prozent gegenüber Vorjahr auf 6,5 Milliarden Euro an Bruttoerlösen.
Der ganze Werbemarkt profitiert davon (daneben von einem Boom bei der digitalen Außenwerbung): Mit 13,61 Milliarden Euro bewegt sich der deutsche Brutto-Werbemarkt bis Ende Mai bereits 10,4 Prozent über dem Niveau von 2023.
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