Mit Spiegel-Reporter Juan Moreno, der im Rahmen des Journalism Summit bei den MEDIENTAGEN MÜNCHEN 2019 am Freitagnachmittag zu Wort gekommen ist, ist die dreitägige Konferenz im ICM der Messe München spannend und hochaktuell zu Ende gegangen.
Wir erinnern uns: Moreno hinterfragte Inhalte und Informationen, die sein preisgekrönter, fest angestellter Spiegel-Kollege Claas Relotius in gemeinsame Werke einfließen ließ. Sein Misstrauen war berechtigt, zu lesen in Morenos Buch "Tausend Zeilen Lüge". Geschildert wird darin, wie Relotius zahlreiche Reportagen frei erfunden oder manipuliert haben soll.
Als Juan Moreno sich am Freitagnachmittag auf der Main Stage der #MTM19 zum Interview mit Richard Gutjahr einfand, war klar, dass Relotius mit einer Unterlassungsklage gegen das Buch vorzugehen versucht.
Moreno verteidigte bei den Medientagen seine Recherchen im "Fall Relotius" und wies vehement und emotional die Vorwürfe zurück, er habe sich mit dem "Relotius-Virus" infiziert. Moreno betonte auch, es sei falsch, Journalismus als ein System der Manipulation zu betrachten. Aber: Die Rivalität um große Geschichten sei nicht förderlich für eine möglichst objektive Berichterstattung. Und es sei natürlich absurd, Lügen und Fehler von Journalisten generell auszuschließen.
Es gibt heute Strukturen, die es einfacher gemacht haben für Relotius. Juan Moreno im Interview mit Richard Gutjahr
"Das tut weh", wiederholte Moreno mehrfach mit Blick auf Unterlassungsklage. "Ein bisschen wie bei einem Tribunal" fühle er sich. "Ich habe Nachrichten und SMS, die meine Darstellung belegen", wehrte sich der Spiegel-Reporter gegen Vorwürfe, er habe mit Unwahrheiten und Falschdarstellungen gearbeitet. Er verwies auf die "höchsten Recherchestandards", die er angewandt habe. "Meine Aufgabe habe ich nach bestem Wissen und Gewissen erledigt."
Eine Abrechnung sei sein Buch keinesfalls, betonte Moreno. Er habe das Buch vielmehr geschrieben, weil Claas Relotius den "größten Medienskandal" der vergangenen Jahre ausgelöst habe.
"Ich bin nicht mit ihm vergleichbar", hob Juan Moreno hervor. Den Vorwurf von anderen Journalisten, er habe sich mit dem "Relotius-Virus“ infiziert, wies er zurück. Moreno befürchtet aber, dass "etwas hängen bleibt" und seine Reputation nun beschädigt worden sei. "Ich glaube, ich habe keine Fehler gemacht und alle Standards eingehalten." Sollte er dennoch unrichtig über den Fall Relotius geschrieben haben, werde das in einem Gerichtsverfahren geklärt.
Unterdessen verhält sich der Buchautor recht vorsichtig in der Öffentlichkeit; ein Interview mit der SZ scheiterte nach Angaben des Münchner Blattes am Autorisieren. Juan Moreno hat ein weiteres Interview bei den Medientagen gegeben - nehmen Sie sich Zeit für interessante 8 Minuten:
Einer, der die Vorgänge genau beobachtet und bewertet hat, ist Dirk von Gehlen. Der Leiter Social Media und Innovation bei Süddeutsche Zeitung Digitale Medien warnt nach den Vorfällen der vergangenen Woche die Öffentlichkeit eindringlich davor, "nicht noch mal“ auf Claas Relotius hereinzufallen.
Der Ex-Spiegel-Mitarbeiter, der vom prominenten Medienanwalt Christian Schertz vertreten wird, hat seine Unterlassungsklage gegen Passagen im Moreno-Buch prominent via Zeit hinausposaunt. Was Dirk von Gehlen aufs Schärfste kritisiert: "Im konkreten Fall bekommt der Betrüger Claas Relotius die Bühne und darf ohne jegliche Einordnung behaupten, er stelle sich allem wofür er verantwortlich sei und er wolle nicht ablenken", rügt der SZ-Mann via Blog und wundert sich, dass die Zeit diese Aussage unkommentiert lässt.
Mit Moreno und Relotius hat sich auch das Medienmagazin der RBB-Welle Radio Eins befasst. Hier geht’s zum Mithören:
In der Mediathek der Medientage München finden Sie weitere Informationen zu diesem Thema, Bilder, Filme und Zusammenfassungen der Workshops der #MTM19.
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