Die Bundesländer wollen Mitte Dezember große Dinge anschieben: Dann soll der Reformstaatsvertrag für "effizientere, resilientere und attraktivere“ Programme der öffentlich-rechtlichen Medien von den Ministerpräsident:innen verabschiedet werden. Noch dazu soll geklärt werden, wie künftig der Rundfunkbeitrag angepasst wird. Und wann. Der Plan wackelt seit der Klage von ARD und ZDF vor dem Bundesverfassungsgericht und aufgrund vieler Fragen, die immer noch offen sind auf dem Weg zu sparsameren Öffentlich-Rechtlichen.
Die Weichen für den großen Wurf wurden von den Bundesländern bereits parallel zu den MEDIENTAGEN MÜNCHEN 2024 gestellt, als sie zu ihrer Ministerpräsidentenkonferenz in Leipzig zusammenkamen. Heike Raab, Bevollmächtigte des Landes Rheinland-Pfalz beim Bund und für Europa und Medien, koordiniert die Rundfunkkommission der Länder. Sie unterstrich bei ihrer Liveschalte zur Münchner Konferenz (Foto oben: Medien.Bayern GmbH, dass der in Leipzig einstimmig verabschiedete Reformstaatsvertrag (ReformStV) die öffentlich-rechtlichen Medien „effizienter, resilienter und attraktiver“ machen solle.
Raab lobte öffentlich-rechtlicher Angebote als verlässliche Qualitätsmedien. Die Konsolidierung der Kultur- und Informationsprogramme sowie von Hörfunk- und Digitalangeboten schärfe den qualitativen Auftrag der öffentlich-rechtlichen Medien, sagte die Politikerin. Wir erinnern uns: Auf der Streichliste stehen Programme wie 3sat, KiKa oder tagesschau24 sowie diverse Radiosender aus den ARD-Landesrundfunkanstalten.
Die Programme sollten laut Raab interaktiver und auch für jüngere Zielgruppen attraktiver werden. Eine Positivliste enthalte Vorgaben, was die Anstalten künftig online veröffentlichen dürften. Damit solle die Textlastigkeit der Onlineprogramme zu Lasten der privaten Verlage aufgelöst werden, hieß es Ende Oktober.
Über die Höhe des Beitrags und das von der Gebührenkommission KEF empfohlene Plus um 58 Cent pro Monat und Haushalt auf dann 18,94 Euro zum 1. Januar 2025 sollte erst zum Jahresende abgestimmt werden. Auch das Verfahren, wie der Rundfunkbeitrag künftig festgelegt werden soll, wollten die Länderchefs bei ihrer nächsten Konferenz am 12. Dezember abnicken.
Ein Vorschlag der Rundfunkkommission der Länder sieht eine vereinfachte Festsetzung der Haushaltsabgabe vor. Nach diesem „Widerspruchsmodell“ könnte der Rundfunkbeitrag automatisch steigen, wenn die Länder dem nicht widersprechen. Das Veto würde erst ab einem KEF-Vorschlag von mehr als zwei Prozent Erhöhung greifen.
Was kommt nach der Klage der Öffentlich-Rechtlichen?
Soweit der Plan. Nur: ARD und ZDF haben inzwischen gegen den geplanten Staatsvertrag vor dem Bundesverfassungsgericht Klage eingereicht. Im Kern geht es um die „Nichtanpassung des Rundfunkbeitrags“ zum Jahreswechsel. Das Verfahren in Karlsruhe könnte durchaus den Umfang der geplanten Reform eindampfen oder sie ausbremsen.
Zwar versichern Verantwortliche von ARD und ZDF an vielen Stellen ihre Reformwillen und zählen gewünschte Anstrengungen auf, um Kosten zu senken (die ARD spart etwa 32 Millionen Euro pro Jahr durch eine technische Kooperation). Doch beim Digital-Event Tasting Talk zum Thema „Fairer Wettbewerb oder Einbahnstraße? Die Zukunft des dualen Mediensystems" wurde deutlich: Konsens besteht beim „Ob“ des Umbaus bei ARD und ZDF hin zu mehr „Effizienz, Resilienz und Attraktivität“. Doch das „Wie“ wirft nach wie vor viele Fragen auf.
Dass da „noch mehr gehen könnte“, stellte Prof. Dr. Christoph Degenhart bei der Veranstaltung zur Debatte: „Ich denke, die Vorschläge sind überwiegend ganz vernünftig, auch die Begrenzung der Programme und die Einschränkungen im Bereich der Online-Medien, insbesondere das Verbot presseähnlicher Beiträge, so der Experte für Medienrecht. Degenhart betonte die Bedeutung des dualen Mediensystems: „Wir sprechen über ein duales Mediensystem, nicht nur ein duales Rundfunksystem. Wir müssen also auch die privaten Medien, insbesondere die Printmedien, mit einbeziehen.“
Er betonte er die Relevanz der aktuellen Diskussion, selbst jene über eine Fusion von ARD und ZDF oder die Integration kleinerer Rundfunkanstalten wie Radio Bremen oder des Saarländischen Rundfunks in größere Einheiten. Doch politische und föderale Hürden bremsen: „Was wir hier diskutieren, mag sinnvoll sein, ist jedoch politisch schwer durchsetzbar“, so Degenhart. Er zeigte sich skeptisch, ob die Reformen ausreichend ambitioniert seien: „Der Dampfer ist zu träge und zu groß, um abrupt in eine andere Richtung gesteuert zu werden.“
Quelle: Apfel Programm Marketing GmbH
Dagegen beschwor Dr. Alexandra Köth beim Tasting Talk die Reformmaßnahmen der ARD. Die Juristische Direktorin des SWR führte Beispiele wie die Zusammenarbeit der Landesrundfunkanstalten in Kompetenzzentren und gemeinsame Sendestrecken an. Die ARD habe sich das Ziel gesetzt, gleichartige Neuproduktionen zu vermeiden und stattdessen regionale, digitale Angebote auszubauen, um neue Zielgruppen zu erreichen, so Köth.
Allerdings kritisierte sie die Beschränkungen im Online-Bereich, unter anderem mit Blick auf eine deutsche Medienlandschaft, die heute durch internationale Tech-Giganten geprägt und bedrängt sei: „Wir haben kein reines duales System mehr, sondern letztlich ein trimediales System.“ Das Ziel der selbstauferlegten Reformen: „Wir wollen mehr Exzellenz, mehr Effizienz und mehr Vielfalt.“
Aus Sicht der konkurrierenden Anbieter aus dem Privatfunklager geht die Reform nicht weit genug. Zwar lobte VAUNET-Geschäftsführerin Daniela Beaujean die Ansätze im neuen Staatsvertrag, wie etwa die angestrebte Programmanzahlreduktion und die Regelungen zur Kooperation zwischen öffentlich-rechtlichen und privaten Anbietern. Vor allem die zunehmende Expansion der kommerziellen Aktivitäten öffentlich-rechtlicher Anbieter sieht die Managerin aus dem Verband der privaten Sender kritisch: „Die kommerziellen Töchter entwickeln sich zunehmend zu eigenständigen Publishern, was den Wettbewerb auf dem Online-Markt zusätzlich verschärft.“
Länder vs. ARD und ZDF: Wer setzt sich durch?
All das sind inhaltliche Punkte, die es zu diskutieren lohnt. Die Reform ausbremsen könnte indes die Verknüpfung zwischen massiven Umbauten und der Beitragserhöhung, die die Ministerpräsident:innen besprochen haben. Unter anderem Bayerns Landesvater Markus Söder (CSU) hatte ein Plus beim Haushaltsbeitrag mit dem Sparwillen der Öffentlich-Rechtlichen verknüpft. Erst Reformen, dann weiterschauen, so seine Haltung. Dagegen setzte sich im Kreis der Länder Hamburgs Kultursenator Carsten Brosda (SPD) dafür ein, den Rundfunkbeitrag ab 2025 wie empfohlen zu erhöhen und so zu gewährleisten, dass die Sender ihrem Auftrag nachkommen könnten.
Doch jetzt der Gang nach Karlsruhe. Mit Klagen vor dem Bundesverfassungsgericht haben ARD und ZDF im Lauf der Jahrzehnte schon mehrmals geplante Weichenstellungen der Länder ausgehebelt und neu ausgerichtet. Es dürfte nicht überraschen, wenn die Ministerpräsident:innen bei ihren Meinungen mit Blick auf ein zu erwartendes neues Rundfunkurteil aus Karlsruhe wieder umschwenken oder ohne neuen Kompromiss nach Hause fahren.
Immerhin: Auch ohne ein Länderdiktat wollen sich ARD, ZDF und Deutschlandradio bewegen. So bliebe statt großer Reform immerhin ein Reförmchen. Wichtig war Expert:innen bei diversen Diskussionen im Rahmen der #MTM24 – vor dem Hintergrund wachsender Desinformation und gesellschaftlicher Konflikte – vor allem der Erhalt der Medienvielfalt in einem dualen System.
Die Zusammenfassungen wichtiger Panel-Diskussionen sowie Bildmaterial der 38. MEDIENTAGE MÜNCHEN stehen in der Mediathek der Medientage-Homepage und im MTM-Blog bereit. Dort kann auch der wöchentliche Blog-Newsletter abonniert werden.
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