Verlegerin Tess Buchele brachte die Traditionsmarke Marie Claire zurück an den deutschen Kiosk. Warum sie trotz schwieriger Print-Zeiten auf ein gedrucktes Heft setzt, wie sich das Magazin von anderen Frauentiteln abhebt und wieso es gerade für einen kleinen Verlag leichter ist, ein solches Projekt zu stemmen, erzählt sie im Interview mit dem Blog der MEDIENTAGE MÜNCHEN.
Frau Buchele, im September haben Sie mit Marie Claire das Kiosk-Comeback gewagt. Wie sind Sie auf die Idee gekommen, in diesen für die Verlagsbranche eher schwierigen Zeiten auf das "Old School Medium" Print zu setzen?
Aus meiner Sicht hat Print seine Funktion für die Nutzer:innen, aber nicht die Relevanz verändert. Digitale Medien haben ihre Stärke, wenn es um News oder Trends geht.
Print dagegen bedeutet eine Auszeit vom Bildschirm, die immer wichtiger wird in unserer hektischen Welt. Ein Genussmoment abseits der digitalen Screens und genau richtig für eine Lovebrand wie Marie Claire.
Wie war die Resonanz bei der Leserschaft, von der vermutlich viele den Titel noch aus Gruner+Jahr-Zeiten kannten, wo er bis 2003 erschien?
Tatsächlich gab es aus diesem Kreis der Leserschaft enorm viel Zuspruch, denn das Magazin war schon damals sehr beliebt. Schön ist, dass wir zudem viele positive Rückmeldungen von der jüngeren Zielgruppe erhalten, die die Marke aus dem internationalen Markt kennt und sich über die deutsche Ausgabe freut.
Sie haben bei Marie Claire einen Softlaunch gemacht, das heißt, es gab zunächst einen Web-Launch, der Print-Launch folgte Monate später. Warum haben Sie sich für dieses Konzept entschieden?
Bei der Internationalisierung der Marke hat der Marie Claire Verlag sehr gute Erfahrungen mit dieser Form des Launches gemacht, daran haben wir uns orientiert. Wir konnten so mit Online ab dem Sommer sehr schnell ein großes Publikum ansprechen und dies als Teaser für die Print-Ausgabe Ende September nutzen.
In Print haben wir uns zudem für eine vierteljährliche Erscheinungsweise entschieden, weil wir denken, dass dies dem heutigen Leseverhalten entspricht. Marie Claire ist ein inhaltsstarkes Blatt, mit dem man sich einige Zeit beschäftigen kann. Damit die Leser:innen ihre Genussmomente mit Marie Claire auskosten können, geben wir ihnen die Zeit und verursachen keinen Stress, wenn die nächste Ausgabe bereits im Briefkasten liegt.
Der USP von Marie Claire ist, dass wir nicht nur hochwertige Mode- und Beautystrecken im Heft haben, sondern auch Reportagen sowie Geschichten aus Kunst und Kultur.
Tess Buchele
Lizenzgeberin ist die französische Mutter. Wieviel der Inhalte kommt aus Paris, wieviel aus Neuried, wo Ihr Verlag sitzt?
Wir produzieren 80 bis 90 Prozent der Inhalte des Heftes hier in Deutschland. Wir arbeiten mit freien Honorarkräften und Autor:innen aus Hamburg, Berlin, München und vielen weiteren Orten.
Der USP von Marie Claire ist, dass wir nicht nur hochwertige Mode- und Beautystrecken im Heft haben, sondern auch Reportagen sowie Geschichten aus Kunst und Kultur. Qualitätsjournalismus und Empowerment sind seit dem Start von Marie Claire (1937 in Frankreich; Anm.d.Red.) fest in der Marken-DNA verankert und spiegelt sich auch bei uns im breiten Themenspektrum wider.
Nach welchen Kriterien wählen Sie aus, was ins Heft kommt und was ins Netz?
Im Print-Titel findet man mit Dossiers und Reportagen, Beiträge, die sehr tief recherchiert sind und über mehrere Seiten gehen. Diese sehen wir im Heft besser aufgehoben. Themen mit einem gewissen News-Aspekt wie Trends und Termine oder Berichte von Fashionshows sowie Interviews zu aktuellen Fragen bringen wir online, um der Aktualität gerecht zu werden.
Magazine leben nicht nur vom Vertrieb, sondern auch von den Anzeigen. Profitiert Marie-Claire im Anzeigengeschäft von der Mutter beziehungsweise den 30 Schwesterausgaben?
Marie Claire ist eine starke Marke und das gibt uns natürlich Rückenwind in der Vermarktung. Doch alle 30 Marie-Claire-Länder agieren eigenständig. Sowohl in der Redaktion, als auch in der Vermarktung.
Dass das Vertrauen in die Marke bereits vor dem Start da war, hat uns diesen Job erleichtert, dennoch mussten wir mit unserer Erstausgabe überzeugen. Deshalb freuen wir uns gerade sehr über das zahlreiche positive Feedback.
Marie Claire ist für uns kein Liebhaberprojekt, auch wenn wir es lieben.
Tess Buchele
Die erste Print-Ausgabe kam im September an den Kiosk bei einem Copypreis von neun Euro. Wie hat sich das Heft bisher verkauft?
Es liegen uns noch keine konkreten Zahlen vor, wie viele Hefte von der Startauflage mit 50.000 bisher verkauft wurden, wir sind auch noch bis Ende dieses Jahres im Handel erhältlich.
Die bisherigen Rückmeldungen von unserem Vertrieb sind sehr gut, so dass wir bereits sagen können, dass die Resonanz über den Erwartungen liegt. Tatsächlich war das Heft an manchen Verkaufsstellen schon vergriffen und wir mussten nachliefern.
Hand aufs Herz: Lässt sich mit Print heute noch Geld verdienen?
Nachdem wir keinen Investor an Bord haben, müssen wir organisch wachsen und Geld verdienen. Hier geht es uns vor allem darum, uns auf die Qualität zu fokussieren und es ist wichtig, die Strukturen schlank zu halten. Das fällt uns natürlich leichter als einem Großverlag. Marie Claire ist für uns kein Liebhaberprojekt, auch wenn wir es lieben!
Zur Person:
Tess Buchele ist Geschäftsführerin der Marie Claire Verlag GmbH in Neuried bei München. Seit 2010 führt sie zudem mit Ihrer Geschäftspartnerin Nicola Le Vourch das Redaktionsbüro magazine solutions. Gemeinsam launchten sie 2019 die Großeltern-Zeitschrift Meine Enkel & ich. Im Sommer 2024 folgte die Einführung der Marke Marie Claire im deutschsprachigen D-A-CH-Raum, zunächst im Netz und Ende September dann als Print-Magazin, mit Le Vourch als Chefredakteurin.
Die Zusammenfassungen wichtiger Panel-Diskussionen sowie Bildmaterial der 38. MEDIENTAGE MÜNCHEN stehen in der Mediathek der Medientage-Homepage und im MTM-Blog bereit. Dort kann auch der wöchentliche Blog-Newsletter abonniert werden.
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