
Unermüdlich trägt die Publizistin und Feministin Silke Burmester ihre Botschaft in die Welt: „Let’s Change The Picture!“. Mit dem Magazin Palais F*luxx, Kampagnen und Workshops setzen sich Burmester und ihre Mitstreiterinnen für ein zeitgemäßes Frauenbild in Medien, Politik und Wirtschaft ein. Mit dem MTM-Blog sprach sie über das Frauenbild in unserer Gesellschaft und die Rückkehr der Breitbeinigkeit in der Politik.
Sie kommen gerade aus einem viertägigen Workshop mit dem ZDF. Worum ging es?
Im Zentrum unserer Kampagne „Let’s Change The Picture“ steht ein zeitgemäßes Frauenbild in Film und Fernsehen. Die MaLisa-Studie zeigt seit Jahren, dass die Präsenz von Frauen auf dem Bildschirm mit steigendem Alter deutlich abnimmt. Für Männer ab 50 gibt es mehr als doppelt so viele Rollen wie für Frauen.
Neben dem quantitativen Aspekt interessiert uns aber auch der qualitative: Frauen werden in klischeehaften Rollen gezeigt – betrogen, verlassen, verhärmt und betrübt. Die Filmfiguren sind selten über 49 Jahre alt. Die Geschichten von Frauen zwischen 50 und 60 werden kaum erzählt, die Wechseljahre sind ein Tabuthema. Später tauchen Frauen als süße, oft auch demente Omas wieder auf dem Bildschirm auf.
Über 100 ZDF-Mitarbeitende haben unseren Vortrag verfolgt, gut 40 waren in den Workshops – verantwortliche Personen aus Fiktion, Formatentwicklung, Regie und Programm.
Warum wissen die Programmverantwortlichen so wenig darüber, was das eigene Publikum sehen will?
Viele sitzen dem Irrtum auf, das ältere Menschen jüngere sehen wollen, weil sie selbst gern jünger wären und sich an Jüngeren orientieren. Während ältere Männer sehr wohl gern jüngere Frauen sehen, weil sie meinen, sie könnten sie immer noch rumkriegen, finden ältere Frauen fast kein Programm mehr, das sie gucken wollen.
Ihre vielfältige Lebensrealität findet auf dem Bildschirm nicht statt – oder sie wird wie die 37-Grad-Doku „Weiblich, Ü50, viele Liebhaber“ in der Mediathek ab 22 Uhr versteckt.
Frauen werden in ihrem Dasein und ihrer gelebten Sexualität von vielen als Zumutung empfunden.
Silke Burmester
Was verstehen Sie unter einem „zeitgemäßen“ Frauenbild?
Ein zeitgemäßes Frauenbild ist für mich ein Bild, in dem das Leben der Frau sich nicht unbedingt an dem ihres Mannes orientiert.
Sie ist berufstätig und das nicht nur in sozialen Berufen, sie ist autark, hat enge Freundinnen und soziale Kontakte, sie lebt auch mal allein und ist glücklich damit, sie hat intime Beziehungen, die nicht gleich Liebesbeziehungen sein müssen und ihr Erotikleben wird nicht permanent romantisch überhöht.
Sie haben die Kampagne „Let’s Change The Picture“ Ende 2021 gemeinsam mit der Schauspielerin Gesine Cukrowski ins Leben gerufen. Was hat sich seither verändert?
Auch wenn wir noch einen weiten Weg vor uns haben, hat sich schon etwas verändert. Ich denke zum Beispiel an „Sugar Love“ mit Barbara Auer, die in einer Szene barbusig zu sehen ist und dabei völlige Normalität ohne Erotisierung vermittelt wird; oder daran, dass mit Michaela May und Angela Roy in der Komödie „Ich will mein Glück zurück“ mal zwei gleichaltrige Frauen nebeneinander gezeigt werden. Noch vor ein paar Jahren wurde älteren Frauen, meist eine jüngere an die Seite gestellt.
Warum ist das so?
Wir reden über „Fuckability“, über die Sexualisierung von Frauen. Ich denke, der Grund, warum das Interesse an älteren Frauen so gering ist, warum scheinbar niemand den älteren Frauen beim Leben zusehen möchte, ist ein männlich-geprägtes Wertesystem. Die Frauen müssen attraktiv sein, für männliche Zuschauer, aber natürlich auch für den männlichen Produzenten und den männlichen Redakteur.
Dazu kommt auch, dass das Alter in unserer Gesellschaft mit Abwertung verknüpft wird.
Silke Burmester
Auch in der Werbung gibt es wenig Differenzierung im Altersspektrum. Zu sehen sind hauptsächlich rüstige Omas und 50-Jährige, die aussehen wie 30. Fragt man Werber danach, sagen sie oft, sie zeigten ein Bild, das Frauen gern von sich selbst hätten.
Also, ich glaube, da hat sich etwas verändert. Die vielen Frauen ab 47, mit denen ich über unsere Plattform Palais F*luxx zu tun habe, wollen in der Regel nicht jünger sein. Sie wollen aber in ihrem Alter eine Lebendigkeit spüren und erleben. Sie sind froh, dass der Beauty-Wahn ein Ende hat und sie aus dem Optimierungshamsterrad raus sind.
Die Ruhe, die Beruhigung die einkehrt, wenn es einem egal ist, was andere denken, hat eine ganz eigene Attraktivität. Und die strahlt aus.
Frauen ab 50 haben es auch auf dem Arbeitsmarkt schwer – obwohl der demografische Wandel und der Fachkräftemangel Dauerthemen sind.
Es ist kommt erst langsam in unserer Gesellschaft an, dass Frauen heute anders altern als vor 20 Jahren. Wir folgen keinem Kodex mehr, wie wir ab einem bestimmten Alter auszusehen haben oder wofür wir uns zu interessieren haben. Deshalb sind die Bilder, die Medien und Werbung vermitteln, ja auch so wichtig. Wir werden zwar älter, aber das heißt nicht, dass wir automatisch Begonien pflanzen, wo wir früher Blumenwiese gesät haben.
An vielen Schaltstellen in der Wirtschaft ist das noch nicht angekommen. Hier sitzen noch Boomer-Persönlichkeiten, die es anders gelernt haben. Sie waren selbst privilegiert in ihrer Laufbahn und sehen keinen Grund, etwas zu ändern.
Sind Männer von Altersdiskriminierung im Job nicht genauso betroffen?
Nein, nicht in gleichem Maße. Altersdiskriminierung hat ein Geschlecht. Männer haben in der Regel eine andere Arbeitsbiografie, weil sie weniger Care-Arbeit geleistet haben und sie haben deshalb einen ganz anderen Status erreicht. Sie haben bessere Möglichkeiten und wenn sie gehen müssen, in der Regel auch höhere Abfindungen. Und entsprechend höhere Renten.
Mit der Kampagne „Ohne mich würdet ihr alt aussehen“ haben Sie es bis in die „Tagesschau“ geschafft, das erzeugt viel Wahrnehmung. Aber was muss konkret geschehen, damit die Arbeitswelt Frauen um die 50 Jahre mehr wertschätzt?
Wahrnehmung ist schon ein ganz wichtiger Punkt. Wir müssen ja erst einmal Aufmerksamkeit erzeugen, bevor sich etwas ändern kann.
Aber es gibt auch viel Konkretes: Sie könnten zum Beispiel mehr Entwicklungsprogramme, Workshops und Fortbildung für ältere Frauen anbieten. Sie sollten sich auch Wechseljahres-freundlich aufstellen, wie das bei Unternehmen in Großbritannien bereits der Fall ist. Diese Firmen profitieren enorm von ihrem Image.
Mit der Kampagne gegen Altersdiskriminierung von Frauen im Beruf und Ihrer Expertise hat es Silke Burmester unter anderem in die „Tagesschau“ um 20 Uhr geschafft (Quelle: Palais F*luxx)
Die Anti-Woke-Welle aus den USA hat Deutschland erreicht. Firmen kassieren ihre Quoten, Projekte für Inklusion, Diversität und Gleichberechtigung bekommen weniger Unterstützung. Droht jetzt die Rolle rückwärts?
Ich glaube, sie droht nicht, sondern sie ist schon da. Auch deutsche Unternehmen nehmen ihre Diversitätsziele zurück und ehrlich gesagt glaube ich, dass viele das ganz gern tun, weil sie sowieso nicht dahinter standen.
Mehr Diversität bedeutet immer auch, die Privilegierten zu beschneiden, um anderen mehr Möglichkeiten zu geben.
Silke Burmester
Dass das vielen gar nicht so recht ist, kann man sich ja denken. Wenn man sich Aussagen, wie die von Facebook-Gründer Mark Zuckerberg anhört, dass es mehr maskuline Energie in der Unternehmenskultur brauche, weiß man, wohin die Reise geht.
Trump, Milei, Orbán, Putin – macht Ihnen der neue Männertypus in der Politik Sorgen?
Es ist gar kein neuer Männertypus, sondern der alte. Solche Männer gab es immer, nur waren sie in ihrem Vokabular und ihrem Auftreten etwas diplomatischer als beispielsweise Donald Trump.
Das Schlimme ist, dass dieser Typus Mann jetzt wieder das Sagen hat, gerade zu einem Zeitpunkt, als es so aussah, als könnten wir uns langsam von ihm verabschieden.
Aber es gibt auch Hoffnung: Wir haben heute unter den Heranwachsenden so viele junge Männer, die anders sind und anders denken, die tolerant und weltoffen leben. Sie werden das Bild unserer Gesellschaft in den nächsten Jahrzehnten mitprägen.
Auch in der deutschen Politik ist eine gewisse „Breitbeinigkeit“ derzeit nicht zu übersehen. Friedrich Merz möchte Frauen in seinem Kabinett nicht überfordern, über das Verbot der Regenbogenflagge auf dem Parlament zum Berliner CSD sagte er der Bundestag sei „kein Zirkuszelt“.
Ehrlich gesagt denke ich, Männer treten breitbeinig auf, weil sie es toll finden. Bei Friedrich Merz frage ich mich öfter: Warum ist dieser Mann eigentlich so wahnsinnig ungeschickt? Man kann ja konservativ sein und bestimmte Dinge ablehnen. Aber dann muss man doch in seiner Ablehnung substanzieller sein und diese inhaltlich begründen, anstatt die Mitte der Gesellschaft durch dahingeworfene Schroffheit zu verprellen.
Sie haben schon vor der Bundestagswahl Tassen für Friedrich Merz gesammelt, quasi als Ersatz für all das Porzellan, das er zerschlagen hat – wissen sie wie viele er aktuell im Schrank hat?
Nein, das weiß ich leider nicht. Wir haben zu der Sammelaktion aufgerufen, als Friedrich Merz gesagt hat, er wolle Politik für Menschen machen, die noch alle Tassen im Schrank haben. Viele haben sich an der Aktion beteiligt und wir hatten das Glück, dass auch die „Omas gegen Rechts“ zur Tassenabgabe aufgerufen hatten.
Als ich zu Beginn der Kampagne von Hamburg nach Berlin gefahren bin, um den ersten Schwung Tassen persönlich im Adenauer-Haus abzugeben, waren schon einige Dutzend dort. Am Ende müssen es Tausende gewesen sein.
Zur Person:
Die Publizistin Silke Burmester (Foto: Sonja Tobias für Palais F*luxx) hat über 20 Jahre als Journalistin gearbeitet – unter anderem für die Süddeutsche Zeitung, Die Zeit, das Manager Magazin, Spiegel online und die taz. Im Herbst 2020 gründete sie die Online-Plattform Palais F*luxx, die sich für die Sichtbarkeit von Frauen ab 47 in Medien, Politik und Wirtschaft einsetzt. Burmester organisiert Workshops und ist als Moderatorin und Speakerin unterwegs.
Für ihr Engagement gegen überholte Rollenbilder wurden Burmester und ihre Mitstreiterin, die Schauspielerin Gesine Cukrowski, unter anderem mit dem Ehrenpreis des Deutschen Schauspielpreises ausgezeichnet.
Die MEDIENTAGE MÜNCHEN 2025 finden unter dem Motto "WTFuture" vom 22. bis 24. Oktober bei der Serviceplan Group im House of Communication in München statt.
Mehr Lesenswertes rund um die Themen der Kommunikationsbranche stehen im MTM-Blog bereit. Dort kann auch der wöchentliche Blog-Newsletter abonniert werden. Die Medienthemen können auch gehört werden: im Podcast der MEDIENTAGE MÜNCHEN.
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