Zwischen KI und 100 Jahre Radio bewegen sich die Themen des Audio-Tracks der 37. MEDIENTAGE MÜNCHEN. Die Blicke nach vorne und nach hinten bei Gipfel und diversen Sessions im House of Communications offenbaren: Radio ist ein modernes Medium mit vielen Herausforderungen, aber auch vielen Chancen.
Die einen senden schon, die anderen lehnen den Einsatz fürs Programm ab: Die Rede ist von KI. Eine durchschlagende Innovation, die auch den diesjährigen Audio-Gipfel der MTM prägt. Katrin Helmschrott, Geschäftsführerin von BB Radio und von Radio Teddy, zieht klare Grenzen: „Hörer erkennen im Unterbewussten, dass KI-Stimmen nicht echt sind und lehnen diese ab.“ KI spiele in ihrem Unternehmen in Planungsfragen eine Rolle, aber nicht für das Kreieren von Radiostimmen.
Ähnlich hält es der WDR. Andrea Schafarczyk ist crossmediale Programmdirektorin der öffentlich-rechtliche Anstalt für die Bereiche Nordrhein-Westfalen, Wissen und Kultur. Sie sagt, dass der WDR diesen Weg hin zu einer „künstlichen Moderation“ verworfen habe, gerade weil zwischen der mit KI synthetisierten und der menschlichen Stimme der bekannten Radiomoderatorin Steffi Neu nicht sofort ein Unterschied erkennbar gewesen sei.
Anders Mirko Drenger mit Deutschlands erstem, ausschließlich durch KI-Intelligenz moderiertem Radio-Stream „Absolut Radio AI“. Der Geschäftsführer von Antenne Deutschland hält dagegen, dass sich der Moderator namens „kAI“ selbst als künstliche Intelligenz ankündige. Durch diese Klarstellung kämen Irritationen bei den Hörer:innen gar nicht erst auf.
Nützlich fürs Ordnen, Checken und Screenen
Unstrittig wirkt bei den Expert:innen des Audio-Gipfels der #MTM23, dass Anwendungen der künstlichen Intelligenz die Planungen bei Unternehmen unterstützen, verbessern und erleichtern können. Beispiele nennt Yves Brunschwiler, Head of Sales Central Europe des Audiostreamers Spotify: „KI kuratiert bei Spotify neue Playlisten für die Hörer und erweitert dadurch deren Musikgefühl“, sagt er. Der Münchner Podcast-Vermarkter Seven.One Audio hingegen nutze KI, um den Markt zu „screenen“, erklärt Senior Vice President Alexander Krawczyk das Konzept: „Welche Podcasts gibt es draußen, welche Trends sind erkennbar?“ In dieser Funktion sei KI eine Unterstützung fürs Marketing.
KI kann Audio-Inhalte an vielen Stellen besser machen. Doch was können Tools für den gesellschaftlichen Auftrag tun, den Radio, den Medien haben? WDR-Programmdirektorin Schafarczyk verweist darauf, dass ihre Anstalt viel Zeit in die Analyse beispielsweise der Zielgruppe von WDR 4 investiert habe und der Hörerschaft das Gefühl geben könne, „dass wir für sie da sind“. Seven.One-Audio-Manager Krawczyk erklärt , dass eigentlich jeder Podcasts machen könne: „Wir geben jedem eine Stimme, sich auszudrücken, achten aber auf den Content, den wir unterstützen. „So fördern wir Meinungsvielfalt im demokratischen Rahmen“, sagt sie.
Dagegen beschwört Radio-Futurologist hob James Cridland (Foto oben; CR Medien.Bayern GmbH) in seiner Keynote zu Beginn des Gipfels die „einzigartige Kraft von Radio“. „Radio kann helfen, Menschen zu verbinden, Menschen zusammenzubringen“, sagt der Herausgeber des täglichen englischsprachigen Newsletters Podnews. Im Hörfunk sei die Zuhörerschaft, die „von realen Menschen mit relevanten Informationen und Geschichten versorgt“ werden würde, der Star, erklärt Cridland.
Alte Zöpfe abschneiden?
100 Jahre Radio – das Jubiläum kommt bei den #MTM23 nicht zu kurz. Die Bedeutung der Gattung verdeutlicht Tagungsmoderatorin Daniela Arnu mit „hervorragenden“ Daten zur Nutzung des Hörfunks in Deutschland. Demnach sind innerhalb von einem Jahr 4,4 Millionen Geräte für den Empfang von DAB+ verkauft worden. In 91 Prozent der Haushalte gebe es ein Radiogerät. Und 53 Prozent der Hörer:innen empfangen Radioprogramme über UKW. „Radio in Deutschland ist als Begleiter im Tag sehr erfolgreich“, resümiert die Mitarbeiterin der Programmdirektion Kultur beim Bayerischen Rundfunk.
Auch wenn der Hörfunk nach wie vor ein sehr beliebtes Medium und ein Tagesbegleiter der Menschen ist: Der Audio-Markt in Deutschland verändert sich rasant. Dabei geht es um programmliche, technische und regulatorische Fragen. Aus Sicht von Thomas Jung, Programmchef der SWR3 PopUnit beim Südwestrundfunk, gibt es indes zu viele Diskussionen über die Abrisskante bei der Abschaltung von UKW. „Entscheidend ist es, die Love Brands in einer diversifizierten Welt zu erhalten“, hält der Programmmanager fest und fügt hinzu: „Radio beschreitet schon längst mit Leidenschaft den digitalen Weg.“ Dabei müssten jedoch die Produkte permanent auf den Prüfstand. „Von Tageszusammenfassungen am Nachmittag muss man sich verabschieden“, meint Jung mit Blick auf das umfassende Nachrichtenangebot, das den Menschen heutzutage rund um die Uhr zu Verfügung stehe.
Angesichts zahlreicher Konflikte und Krisen und einer Gesellschaft im Umbruch denkt der Programmchef über mehr konstruktiven Journalismus im Hörfunk nach. Und: „Zerstreuung und Unterhaltung sind Riesenthemen.“ Jung appelliert: „Die digitale Welt ist derart diversifiziert, dass es unsere wichtigste Aufgabe bleibt, die Markenbindung zu stärken und Love-Brands zu erhalten."
Die MEDIENTAGE MÜNCHEN 2023 finden vom 25. bis 27. Oktober bei der Serviceplan Group im House of Communication in München statt. Dabei blicken wir auf Trends, Herausforderungen und Aufgaben für die Branche sowie spannende KI-Entwicklungen. Masterclasses mit praktischen Tipps ergänzen das Angebot für Besucher:innen der #MTM23. Bilder, Nachlesen und noch mehr finden sich in unserer Mediathek.
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