Die Transforming Media 2024 hat sehr aktuelle Themen auf die Bühne im Vogel Convention Center in Würzburg gebracht: Das Ergebnis der Europawahl macht deutlich, dass wir uns mit den gesellschaftlichen Auswirkungen von Social Media befassen und auch unsere Strategien gegen Fake News und Hassrede optimieren müssen. Die Medien, denen dabei ein wichtiger Auftrag zukommen sollte, sind derweil mit der nächsten Disruption ihrer Branche abgelenkt: generative KI wie ChatGPT. Die so genannte GenAI ist dabei, alles zu verändern: Inhalte und Marketingprozessen, Jobprofile und letztlich die Geschäftsmodelle.
Vom KI-Boom zum Fake-Tsunami, von TikTok zur Bedrohung für die Demokratie, von technischen und politischen Lösungen: Zu diesen Themen ist in diesem Jahr erneut Transforming Media in Würzburg angetreten.
Es galt bei der Konferenz einmal mehr, Medien, Demokratie und Technologie zusammenzubringen – mit jungen Menschen aus den Medien. Dabei standen ihre Themen im Zentrum, um sie zu sensibilisieren für Richtiges und Gefahren, für einen sinnvollen Einsatz von KI, gegen Desinformation und für die Notwendigkeit, das Vertrauen des Publikums zu gewinnen.
Dabei ist es immer schwieriger für klassische Medien, über ihre angestammten Kanäle junge User zu erreichen und ihnen Nachrichten zu vermitteln. Die große Ablenkung kommt vor allem durch soziale Netzwerke; insbesondere TikTok mit einem besonders ausgeklügelten Empfehlungssystem bindet junge Menschen oft mehrere Stunden pro Tag an sich.
Da ist kaum mehr Zeit für andere Nachrichtenquellen – und wer nicht, wie etwa die Tagesschau oder die ZIB des ORF TikTok mit eigenen Teams bespielt, erreicht als klassisches Medium diese Zielgruppe nicht mehr.
Ideen und Konzepte gegen die News Fatigue der GenZ
Selbst konstruktive und zukunftsgerichtete Medienformate, wie sie die News WG im Bayerischen Rundfunk bieten, tangiert die um sich greifenden Nachrichtenmüdigkeit des jungen Publikums. Helene Reiner, die das Format entwickelt hat und gestaltet, hielt bei Transforming Media mit „Qualität statt Quantität“ dagegen, mit weniger Aufgeregtheit, mit der steten Suche nach konkreten Vorschlägen, um mit schweren Themen besser umgehen zu können.
Einen anderen Denkansatz, um zum jungen Publikum durchzudringen, vertritt der Volksverpetzer: Seriöse Informationen, die das virale Potenzial der Fake News nutzen. Der Mann hinter dem Blog, Thomas Laschyk, erklärte bei #TFM24, er wolle bewusst die Populisten und Absender von Desinformation „mit ihren eigenen Waffen schlagen“. Quellen legt der Blog transparent offen, Faktenchecks gehören zum täglich Brot, Richtigstellungen kommen immer wieder vor. „Medien dürfen Fehler machen. Wichtig ist nur, dass sie auch offen angesprochen und korrigiert werden“, sagte der Volksverpetzer in Würzburg.
Dr. Markus Oermann von der Würzburger Hochschule THWS brachte bei Transforming Media sogar ins Spiel, dass Medien im wahrsten Sinne des Wortes ihre Türen für User öffnen sollten, um Verständnis und Vertrauen für ihre Arbeit zu schaffen. Erst recht, wenn KI ein Teil der Redaktion werde.
Digitalriesen ziehen Aufmerksamkeit und Erlöse ab
Mit den digitalen Plattformen ging vor allem Dr. Martin Andree bei der Würzburger Konferenz ins Gericht. Der Autor des Buchs "Big Tech muss weg!“ forderte den anwesenden Mediennachwuchs auf, zu überdenken, wie mächtig die digitalen Plattformen geworden seien.
Allein schon an den Werbespendings erkenne man das Gewicht; mit Werbung im Digitalen sei 2023 mehr erlöst worden als mit allen klassischen Medien zusammen. In allen Märkten ähnele sich das Kräfteverhältnis zwischen Big Tech und Medien; 80 bis 90 Prozent aller Spendings würden auf die Digitalen vereint, der Rest reiche nicht aus, um eine demokratisch relevante Medienlandschaft zu finanzieren.
Immer mehr Aufmerksamkeit der Menschen würde sich auf Google, Facebook, Instagram, TikTok und Co. konzentrieren. Medien, Blogger, TV-Sender, die Öffentlich-Rechtlichen, Konzerne, E-Commerce außerhalb von Amazon – sie alle liegen aus Andrees Sicht auf dem „Friedhof“ der Aufmerksamkeit im Vergleich zu den GAFA genannten Digitalriesen.
„Es gibt keinen fairen und offenen Wettbewerb im Internet“, machte der Kölner Dozent deutlich: „Wenn wir mit Digitalkonzernen ins Rennen gehen, dann dürfen die immer schon bei 1,80 Meter starten.“ Big-Tech-Unternehmen würden sich zudem den Traffic selbst zuschieben und ihre Monopole „übereinander stapeln“. Andree: „Das freie Internet wurde abgeschafft!“
Der Unternehmer und Wissenschaftler forderte bei Transforming Media, möglichst schnell und konzertiert gegen die Digitalriesen vorzugehen. Unter anderem sollten offene Standards für Plattformen dafür sorgen, dass Inhalte „frei zirkulieren“ könnten. Übertragungswege und Inhalte sollten wirtschaftlich getrennt werden, so Andree. Daneben plädierte er dafür, eine Obergrenze von 30 Prozent Marktanteil für Plattformen einzuführen.
Medienschaffende UND Vertikal-Content-Creator
Tipps für Medien und Medienschaffende für die richtige Ansprache junger Zielgruppen hatte Steve Heng aus dem Team Start into Media in Würzburg im Gepäck. Er hielt ein Plädoyer für „Hochkant“ und „Short Video“ als Grundlage für zielgruppengerechte Bewegtbild-Inhalte und Ansprache.
Heng, der selbst zwölf Jahre als Creator gewirkt hat, stellte für Short Content auf TikTok, Reels und YouTube Shorts einige Faustregeln auf: Informationen müssten rasch vermittelt werden. Gutes Storytelling, ansprechende und bekannte Musik plus Inhalte, die neugierig machen, prominente Figuren, interessante Aufmachung und Aufrufe zum Mitmachen könnten ihm zufolge kurze Videos groß rausbringen.
Der Content sollte regelmäßig erstellt und ausgespielt werden; nicht unbedingt täglich, nur verlässlich in bekannten Abständen. TikTokerin #talkwithgerlinde etwa berichtete in Würzburg, dass sie oft zweimal pro Tag Content auf die Plattform stellt.
Das Fazit von Steve Heng: Mit der richtigen Ansprache und Aufmachung lässt sich die GenZ selbst mit Lehrreichem („Educational Content“) begeistern.
Hinter Transforming Media 2024 standen neben dem Veranstalter MedienNetzwerk Bayern aus der Medien.Bayern GmbH auch die Schwester-Initiativen Medientage München, Start into Media, Media Lab Bayern & Media Lab Ansbach, XR Hub und Games Bavaria. Aus Würzburg mit dabei: die Vogel Stiftung und die Würzburg AG.
Impressionen zu Transforming Media 2024 sind in der Bildergalerie (Fotos: Johannes Kiefer) zu finden:
Die Zusammenfassungen wichtiger Panel-Diskussionen sowie Bildmaterial der 37. MEDIENTAGE MÜNCHEN stehen in der Mediathek der Medientage-Homepage und auch im Blog der Medientage bereit.
Die Medienthemen können auch gehört werden: im Podcast der Medientage München.
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