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Medien in Zeiten von Corona

1. April 2020

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Seit einigen Wochen ist unser aller Leben aus den Angeln gehoben. Die drohende Ansteckung mit dem Corona-Virus und die allgegenwärtigen Schutzmaßnahmen machen das öffentliche Leben nahezu weltweit zunichte. Umso wichtiger sind Zeitungen, Fernsehen, Radio usw. in Zeiten der Isolation – zur Information rund um die Covid-19-Erkrankung und zur Unterhaltung. Nicht umsonst haben die Regierenden die Medien der "systemrelevanten Infrastruktur" zugeordnet. Zudem leisten Berichterstatter*innen und Medien-Crews unter schwierigsten Bedingungen Erstaunliches.
Ein Überblick aus der Quarantäne – im Blog der Medientage München

 

Medien informieren

Umfangreicher denn je. Was noch nicht an Info-Angeboten vorhanden gewesen ist bei Print, TV oder Radio und Podcasts wird aufgestockt, laufend ergänzt oder vorzeitig auf ein neues Niveau gehoben. Anbieter neuer digitaler Abo-Modelle nutzen die Gunst der Stunde und buhlen um das Mehr an Publikum daheim.

Leser*innen, Seher*innen, Hörer*innen erkennen das an. TV legt selbst bei Jüngeren stark zu, der Medienkonsum in Zeiten von Corona ist generell gigantisch – ebenso wie der Informationsbedarf der verunsicherten Nutzer*innen. Auch über die Pandemie hinaus in Bereiche, die für sie beruflich relevant sind.

Die RTL-Familie legt über alle Kanäle im März  zu (Mediengruppe RTL)

Nur ein Beispiel von vielen: Die RTL-Familie legt über alle Kanäle im März zu (Mediengruppe RTL Deutschland)

 

Medien unterhalten

Eskapismus muss sein!

Wer daheim verweilt, auf "Social Distance" achtet und andauernd mit Nachrichten rund um Covid-19-Infizierte und -Verstorbene konfrontiert wird, muss auch mal abschalten. Beziehungsweise - mangels Alternative im echten Leben - anschalten.

Die Folge: Unterhaltungsseiten im Netz zählen mehr Nutzer*innen, in sozialen Medien kursieren witzige Challenges und finden viele Anhänger*innen, Streaming boomt, die TV-Reichweiten erinnern an Hochzeiten des deutschen Fernsehens, die Sender legen Neues nach oder nutzen ausgefallene Events, um in Lücken zu stoßen.

ProSieben kann sogar das einstige Aushängeschild Stefan Raab reaktivieren und mit ihm zusammen einen ESC-Ersatz fürs Publikum anbieten: 

Selbst seriöse Nachrichtenmedien trauen sich ans Humorvolle. Oft enden Nachrichtensendungen in diesen Tagen mit einem bunten "Rausschmeißer", der dem zuvor Verkündeten ein wenig die Härte zu nehmen versucht.  

 

Medien verbinden

Ein wichtiger Punkt. Selten war das Gefühl von Verbundenheit so wichtig wie in der Isolation der Bevölkerung.

Gehaltvolle Berichte, tiefgründige Reportagen oder informative Dokumentationen sowie Podcasts vermitteln ein Gefühl von Gemeinsamkeit und schlagen Brücken zu Gleichgesinnten. Die Kommentarleisten zeugen davon, wie sich Menschen aus der Ferne miteinander auseinandersetzen.

Und ja - es gibt Warnungen, es mit der Zeit vor den großen und kleinen Bildschirmen nicht zu übertreiben.

 

Medien unterstützen

Wer sich allein gelassen fühlt mit der Kinderbetreuung zuhause, wer beruflich kreative oder finanzielle Unterstützung sucht oder wer Sehnsucht hat nach ein bisschen Normalität: Klassische und neue Medien unterstützen die Nutzer*innen bei ihren Anliegen.

Medien als Ratgeber und gut gemachte Inhalte sind gefragter denn je. Hinzu kommt: In der Branche entstehen gerade viele neue Startups und Initiativen, die konkrete Hilfsprojekte anschieben.

 

Medien machen Mut

Es sind die kleinen Highlights, die wir gerade brauchen: 101-Jährige, die entgegen aller Prognosen die Infektion mit dem Corona-Virus gesund überstehen, kleine Unternehmen, die in der Krise mit guten Ideen eine neue Grundlage schaffen,  Virologen*innen, die nicht nur Schwarz malen.

Wie oft scrollen wir derzeit Nachrichten-Headlines durch auf der Suche nach positiven Meldungen.

Die Medien haben verstanden, dass hier eine wachsende Nachfrage besteht. Vielleicht sogar lange Zeit über die akute Phase hinaus ... 

 

Medien verunsichern

Auch das ist ein Aspekt in Zeiten von Corona. Im Visier: die Plattformen der "Intermediären". Dort verbreiten sich Falschmeldungen schneller als das Virus selbst. Google und Facebook versuchen mit Millioneninvestitionen, der Lage Herr zu werden. Selbst Posts von Prominenten oder Politikern werden aus den Kanälen getilgt.

Die Boulevardpresse trägt während der Pandemie teils zur weiteren Verunsicherung bei. Bild und Co. überspannen doch gern mal den Bogen hin zur Panikmache. "Wenn Du hustest, bist Du weg!", titelte etwa die britische Sun. 

Generell gilt: Medien sollten den Umgang mit Themen rund um Corona sorgfältig überdenken. Die Grenze zwischen hilfreicher Information und hysterischer Panikmache ist zuweilen fließend. Medienschelte - unter anderem klagen Wissenschaftler über verzerrte Darstellung des Gesagten -  bleibt nicht aus.

Viele Medienmacher*innen erkennen in der Causa Corona aber auch die große Chance, Vertrauen bei Nutzer*innen zurückzugewinnen. Dazu zählen "Faktenchecks" und fundierte Recherchen rund um die Pandemie. Der verstärkte Zugriff auf Qualitätsmedien ist messbar.

 

Medien leiden aber auch ... 

Noch gibt es kein einheitliches Bild. Sicher ist nur, dass die Angebote derzeit überwiegend von Journalist*innen im Homeoffice gestemmt werden.

Für Print – Zeitungen wie Zeitschriften – beklagen die Verbände zwar Rückgänge bei Werbeanzeigen und Einzelverkäufen im Handel. Es gibt aber auch Verlagshäuser mit Zuwächsen. Kostenlos-Aktionen mit digitalem Lesestoff tun dem Image gut und sorgen auch für den ein oder anderen neuen Fan. Doch setzt das die Branche zusätzlich unter Druck?

Zulegen können auf jeden Fall die Reichweiten der Bewegtbildanbieter und der Internetseiten aufgrund des regen Zugriffs der Daheimbleibenden. Mit neuen Konzepten befeuern öffentlich-rechtliche wie private Anbieter die Nachfrage zusätzlich. Radiosender schieben Sondersendungen oder Podcasts nach. 

Bleibt zu wünschen, dass TV und Online das Reichweiten-Plus auf längere Sicht kapitalisieren können. Zumal große Werbungtreibende wie Coca-Cola gerade den kompletten Reklame-Stopp verkünden, um Marketingspendings in neue Kanäle zu schleusen. Die Werbemarktprognosen sind nicht rosig. Andererseits fühlen sich manche Werbezeitenvermarkter und Marken durch die Corona-Krise kreativ gefordert

Daniel Bouhs bringt es bei NDR Kultur in der Radiosendung "Gedanken zur Zeit" auf den Punkt: "Medien scheinen Krisenprofiteure zu sein. Der genauere Blick aber offenbart: Viele sind auch so bedroht wie nie." Auch hier kommt die Medienbranche zum Zuge: mit Informationen zu Hilfsangeboten.

 

Medien zählen zur "systemrelevanten Infrastruktur" (Fotografiekb, Pixabay)

Medien zählen zur "systemrelevanten Infrastruktur" (Fotografiekb, Pixabay)

 

Wie geht es weiter?

Ans "Danach" mag noch kaum einer so recht denken. Zu akut ist die medizinische Lage rund ums Corona-Virus, das Schlimmste steht in weiten Teilen der Welt wohl noch bevor. Doch zumindest Forscher*innen machen sich schon mal Gedanken. Ein erstes Fazit lautet: Die Nach-Pandemie-Zeit wird sich von der Vor-Pandemie-Zeit unterscheiden.

Wie? Das muss sich zeigen.

Wünschenswert wäre es,  wenn "Wörter wie Durchseuchung, Herdenimmunität und Mund-Nasen-Schutz wieder verschwinden", wie es Jan-Eric Peters formuliert. Er war bisher Chef von Springers Nachrichten-App Upday und verbringt derzeit sein Sabbatical nach diversen Reisen auf dem Sofa. Ein Ort, den wir inzwischen alle gut kennen dürften ... 

 


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Wie die Medienbranche mit der aktuellen Corona-Pandemie-Situation umgeht, welche Schwierigkeiten die Entwicklungen mit sich bringen, aber auch die Learnings und Lösungen, die in Medien in kurzer Zeit gewonnen werden konnten, stehen im Mittelpunkt der ersten Ausgabe von #MTMdigitalks, einer neuen Online-Reihe der Medientage München.

Am 7. April werden prominente Branchenvertreter*innen per Videokonferenz diese Fragen beantworten: Was kann man tun, damit Learnings aus der Corona-Krise auch über die akute Phase hinaus wirken? Wie könnte das Media Business nach der Pandemie aussehen? Welche Chancen ergeben sich aus all dem Negativen - und wie können wir als Medienleute verantwortungsvoll mit ihnen umgehen?

Mehr Informationen zur Video-Konferenz und die Registrierung finden Sie hier.

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