Die deutsche Hörlandschaft ist vielfältig und wird immer noch größer: Zum Massenmedium Radio gesellen sich hierzulande täglich neue Podcasts, Streams, Audio-Apps und andere Ausspielwege für Hörbares hinzu, unterstützt durch KI. Viel Angebot mit diversen Trends. Ein Überblick.
Zunächst einmal ist an den bewährten Reichweitendaten der ag.ma deutlich zu erkennen, dass Radio nach wie vor ein Massenmedium ist. Nehmen wir die letzte Ausweisung, die für 2025 preisbildende ma 2024 Audio II: Demnach nutzen 53 Millionen Menschen ab 14 Jahren jeden Tag Audio-Angebote, wobei die Tagesreichweite bei 73,9 Prozent liegt. Diese Daten unterstreichen die anhaltende Relevanz und Anpassungsfähigkeit des Radios im digitalen Zeitalter.
Daneben gewichtet der Medienvielfaltsmonitor 2024 der Landesmedienanstalten die Markt- und Machtanteile im deutschen Radiomarkt. Demnach dominieren die öffentlich-rechtlichen Wellen, allen voran aus dem Haus ARD. Bei den kommerziellen Anbietern führt Regiocast vor der Bertelsmann-RTL-Familie und im Ranking liegen vorwiegend im Lokalen engagierte Unternehmen wie Müller Medien (Neue Welle) weit vorn.
Lokale Radiosender verzeichnen laut ma 2024 Audio II Zuwächse; beispielsweise meldete Radio NRW im Sommer 1,454 Millionen Hörer:innen pro Durchschnittsstunde, ein Plus von 14 Prozent. Der Mantelprogrammlieferant der lokalen Sender in Nordrhein-Westfalen hat damit im Radiomarkt die Nase vorn.
Daneben gibt es eine gesellschaftliche Perspektive: So betonten diverse Speaker im Rahmen der 32. Lokalrundfunktage 2024 in Nürnberg die Bedeutung lokaler Medien für die Demokratie. BLM-Präsident Dr. Thorsten Schmiege hob hervor, dass Lokalfunk eine unverzichtbare Rolle für eine vielfältige und ausgewogene Meinungsbildung spielt, indem er Brücken baue und Spaltung entgegenwirke. Professor Christof Seeger von der Hochschule der Medien Stuttgart unterstrich bei den #LRFT24, dass lokale Medien von Nutzer:innen geschätzt werden, da sie Heimatgefühl, Service, Orientierung und Glaubwürdigkeit vermitteln.
Radio über verschiedene Übertragungswege hinweg gehört tatsächlich noch zum Portfolio der Teens und Twens. So hat die durchschnittliche tägliche Verweildauer bei den 14- bis 29-Jährigen bei der Sommer-MA um 5,1 Prozent zugelegt, was auf ein wachsendes Interesse dieser Altersgruppe hindeutet.
Die JIM-Studie 2024 durchleuchtete daneben speziell das Medienverhalten von Jugendlichen in Deutschland: Demnach hören 93 Prozent der 12- bis 19-Jährigen mehrmals pro Woche Musik, wobei Streamingdienste wie Spotify dominieren. 85 Prozent der Jugendlichen haben mindestens ein Musikstreaming-Abonnement, mit einer durchschnittlichen täglichen Nutzungsdauer von 116 Minuten. Die Studie zeigt auch, dass 83 Prozent der junge Generation Interesse an Nachrichten haben. Allerdings geben rund zwei Fünftel an, dass die Vielzahl negativer Meldungen sie belaste. Stichwort: "News Avoidance".
Keine Frage: Der Podcast hat sich als Medium etabliert und seine Stammhörer:innen gefunden. Nun geht es darum, die Gattung besser zu monetarisieren, um die Vielfalt erhalten zu können.
In seinem Beitrag "Wandeln auf schmalem Grat" beleuchtet Daniel Schmidt, Group Head Audio/Page Consulting bei der Mediaagentur Mediaplus, die Herausforderungen der Podcast-Vermarktung. Trotz steigender Beliebtheit und Werbeakzeptanz fehlen ihm zufolge einheitliche Strukturen und Standards, was es erschwert, die Werbewirkung zu planen und zu messen. Schmidt betont die Notwendigkeit gemeinsamer Forschungsansätze und einheitlicher Definitionen, um die Monetarisierung zu verbessern und die Balance zwischen Werbeplattform und Qualitätsmedium zu wahren. Studien warnen zudem davor, gewöhnliche und eher schrille Radiospots im Podcast-Umfeld zu verwenden.
Nicht nur für die Vermarktung wurden im Rahmen der neuen Münchner Podcast-Konferenz So many Voices, veranstaltet vom Label hauseins mit dem Partner MedienNetzwerk Bayern aus der Medien.Bayern-Familie, Standards gefordert. Podcasterin Azadê Peşmen machte sich für einen "Code of Fairness" stark, um klare Richtlinien für angemessene Bezahlung und Arbeitsbedingungen zu schaffen. Darüber hinaus unterstrichen Expert:innen bei der Konferenz die Bedeutung technischer und inhaltlicher Standards wie Skripte, präzise Musikeinbindung und Postproduktion, die die Qualität der Inhalte sicherstellen.
Denn ein sorgsam gewählter und gut gemachter Podcast kann sich als Medium erweisen, das auch junge Zielgruppen an bekannte Radiomarken binden kann. Da war sich Journalist und Podcaster Bastian Rabeneck in seiner Masterclass im Rahmen der Nürnberger Lokalrundfunktage Ende Juni sicher.
Sein Appell an Lokalfunker: “Ihr habt die Infrastruktur, Ihr habt die Studios, Ihr habt das Know-how, Ihr seid nah an den Themen dran. Ihr könnt Impulse setzen, die es im Podcast-Markt so noch nicht gibt.” Das richtige Thema ließe sich dank guter Kenntnis der Menschen vor Ort leicht finden. Rabeneck machte das digitale Hörmedium zudem als interessantes Werbemedium schmackhaft: „Podcast ist Branding für Euch als Marke Radio, aber Podcast ist auch Werbefläche.“
Nach mehr als zwei Jahren Dauertests von ChatGPT und Co. in (lokalen) Medienhäusern wurde unter anderem bei den #LRFT24 deutlich, dass es gar nicht erwünscht ist, im Übermaß zu prompten.
Erfahrungen mit dem KI-Sender bigGPT teilte Valerie Weber. „KI-Personalities binden die Leute nicht ans Radio. Sie schalten ein und sind fasziniert davon, was die Technologie kann – und schalten dann wieder aus“, räumte die Managerin ein, die nach ihrer Zeit bei Audiotainment Südwest seit November wieder an der Spitze der Antenne Bayern Group wirkt.
Demonstriert wurde in Nürnberg aber auch, unter anderem in einer Masterclass von Audiokennerin Katharina Zeschke, in wie vielen Bereichen eines Medienunternehmens KI inzwischen „wertschöpfend“ eingesetzt werden kann.
Die Radio-App des Handwerkers ist die myBOB-App von RADIO BOB!: Sie bietet Rockfans über 50 verschiedene Streams, darunter spezielle Kanäle wie "Wacken Radio" und "Metallica". In den MA-Listen hinterlassen solche Events deutliche Hör-Peaks für die Marke aus der Regiocast-Familie. Nutzende können in der App persönliche Profile erstellen, um Lieblingsstreams als Favoriten zu markieren und an exklusiven Aktionen und Gewinnspielen teilzunehmen. Die App ermöglicht es, Musikwünsche, Fotos oder Sprachnachrichten direkt ins Studio zu senden. Zusätzlich stehen ausgewählte Podcasts zur Verfügung, Weck- und Einschlaffunktion mit personalisierten Einstellungen runden das Angebot ab.
Ebenfalls mit Rock im Angebot liefert die STAR FM App einen benutzerfreundlichen Zugang zum Livestream. User können zwischen verschiedenen Streams und Regionen wählen, um ihre bevorzugte Rockmusik zu hören.
Neue Erfahrungen macht hier STAR FM: In der STAR FM MAXIMUM ROCK App wurden seit Oktober Indie-Spiele, Demo-Levels und Features wie Wettbewerbe, Highscore-Listen und thematische Podcasts hinzugefügt, wobei der Radio-Stream parallel weiterläuft. Diese Erweiterung führte zu einer Steigerung der Verweildauer um 22 Prozent und einer Reduzierung der Absprungrate. Etwa 75 Prozent der User spielen über ihr Smartphone. Geschäftsführer Alexander Kind betonte bei einem Event im MedienNetzwerk Bayern, dass mit geringem Aufwand durchweg positive Erfahrungen erzielt wurden. Zukünftig plane STAR FM, die Spiele-Plattform weiter auszubauen und neue Partnerschaften einzugehen.
Interaktive Hörbücher, die Audio, Games und Communitys verbinden: Das ist das Geschäftsfeld von Christian Mahnke. Er ist Gründer und Geschäftsführer der Plattform EarReality. Die firmeneigene Game Engine TWIST ermöglicht es Autor:innen, interaktive Audio-Formate zu erstellen und zu veröffentlichen. Die App TWIST Tales erweitert die Verfügbarkeit der Inhalte auf Smartphones, wodurch Nutzer:innen jederzeit und überall auf die interaktiven Hörbücher zugreifen können. Besonders geschätzt werde die Möglichkeit, den Verlauf der Geschichten durch eigene Entscheidungen zu beeinflussen, so Mahnke.
Die Verbreitung des digitalen Antennenradios DAB+ im deutschen Hörfunkmarkt nimmt in den letzten Jahren stetig zu. Laut der ma 2024 Audio II nutzen 29,1 Prozent der deutschsprachigen Bevölkerung ab 14 Jahren DAB+ im Weitesten Hörerkreis (WHK), wobei insbesondere die Altersgruppe der 30- bis 59-Jährigen mit 34,4 Prozent überproportional vertreten ist. Vielversprechend ist der Anstieg von 14 Prozent in der Altersgruppe der 14- bis 29-Jährigen.
In Bayern verfügen inzwischen 44 Prozent der Bevölkerung über mindestens ein DAB+-Gerät, was über dem Bundesdurchschnitt von 34 Prozent liegt. Die durchschnittliche tägliche Hördauer beträgt 155 Minuten für DAB+ und 115 Minuten für Webradio. Täglich schalten rund 10,7 Millionen Menschen DAB+ ein, während etwas mehr als 5 Millionen Internetradio nutzen. Die zunehmende Verbreitung wird durch den kontinuierlichen Ausbau des Sendernetzes und die steigende Verfügbarkeit von DAB+-fähigen Geräten unterstützt. Zudem planen einige Bundesländer wie Schleswig-Holstein, die schrittweise Abschaltung von UKW-Frequenzen zugunsten von DAB+, was die Nutzung weiter fördern dürfte.
Die Zusammenfassungen wichtiger Panel-Diskussionen sowie Bildmaterial der 38. MEDIENTAGE MÜNCHEN stehen in der Mediathek der Medientage-Homepage und im MTM-Blog bereit. Dort kann auch der wöchentliche Blog-Newsletter abonniert werden.
Die Medienthemen können passenderweise auch gehört werden: im Podcast der MEDIENTAGE MÜNCHEN.