Was heißt es für Medien und Medienschaffende, wenn immer mehr neue Technologien wie KI, Web3, XR den digitalen Wandel in der Medienwelt nochmals beschleunigen? Was macht das mit Jobs in den Medien? Wie beeinflussen diese Entwicklungen unser Zusammenleben als Gesellschaft? Die neu formierte Konferenz Transforming Media in Würzburg mit dem Untertitel "Medien & Digitale Gesellschaft" lieferte Diskussionsstoff.
So viel Veränderung war noch nie. Diese Einschätzung zog sich wie ein roter Faden durch das Tagesevent Transforming Media. Die Konferenz – ehemals Mobile Media Day – verschränkte Medien, Startups und Gesellschaft, sollte aber im Zuge der beschleunigten Digitalisierung tiefer auf gesellschaftliche Themen eingehen, wie Mitorganisator Stefan Sutor, Geschäftsführer der Medien.Bayern GmbH, erläuterte. Neben dem Veranstalter MedienNetzwerk Bayern mischten aus der Medien.Bayern GmbH außerdem die Units Medientage München, Start into Media, Media Lab Bayern & Media Lab Ansbach, XR Hub und Games Bavaria mit. Aus Würzburg mit dabei: die Vogel Stiftung und die Würzburg AG.
Wie die Transformation von Medien und Journalismus sowie die eigentlich positive Demokratisierung des Einzelnen im Info-Fluss die Gesellschaft prägen kann, schilderte Alexander Prinz. Bekannt bei YouTube als Der dunkle Parabelritter, war der Streamer, Speaker und Moderator bereits als Heavy-Metal-Influencer vor der Pandemie präsent und vernetzt.
Während der Phase des Rückzugs in Corona-Zeiten hat sich Prinz neu ausgerichtet, seinen Output überdacht und seine Reichweite im Social Web mit neuer Botschaft massiv ausgebaut. Mit wachsendem Austausch mit der Community – und mit Folgen: "Todesdrohungen bekommt man am laufenden Band", so Alexander Prinz ernüchtert. Ohne namentliche Kennung sei eine Strafverfolgung sehr schwer. Man müsse sich heute des massiven Gegenwinds bewusst sein, wenn man im Netz kommuniziere.
Maschinen auf dem Vormarsch!
Viele Beispiele für den Wandel des Journalismus auf Basis neuer Tools hatten die Speaker bei Transforming Media im Gepäck. KI-Sprachmodell und BIldgenerierung? Ja, empfahl Pina Merkert, Redakteurin und Programmierin der Zeitschrift c’t aus dem Heise Verlag. Denn inzwischen könne durch Text-Prompts bei Tools wie Stable Diffusion die KI angeregt werden, die Qualität des generierten "Fotos" zu verbessern.
Johannes Klingebiel, Journalist und Program Manager im MediaLab Bayern, lieferte bei Transforming Media konkrete Anwendungstipps. Angebote wie Whisper aus dem Haus OpenAI könnten seit Längerem Audio-Daten kostenlos und offline transkribieren. Die noch recht neue App Summaries tritt an, um so eine Art TikTok für Journalismus zu werden. Seit 2020 existiert Audio Editing von Descript, das einen tiefen Einstieg in Schnitttechniken erlaubt.
Klingebiel ging in Würzburg davon aus, dass die Arbeit der großen Softwareanbieter wie Adobe an ähnlichen Tools in den kommenden Jahren die Entwicklung massiv voranbringen werde. Seine Einschätzung: "Der Magic Button wird künftig eine immer größere Rolle spielen und die Angebote im Bereich Machine Learning integrieren."
Wie mit KI umgehen?
„Kritisch“, empfahl Prof. Dr. Ralf Otte von der TU Ulm. Man dürfe sich nicht zu sehr auf die KI verlassen. Sie sei nie zu 100 Prozent korrekt. „Das Problem ist, dass ChatGPT geschliffen antwortet, wir aber nicht wissen, auf welchen Quellen die Antworten basieren.“ Die Folgen des Einsatzes von ChatGPT und anderen Tools auf die Arbeitswelt in Medien schilderte der Wissenschaftler sehr nüchtern: "Alles was mathematisierbar ist, wird eine KI ersetzen." Eine generative KI hole die Mathematik der Sprache hervor. Steuerfachleute, aber auch Journalist:innen, Texter:innen: Sie arbeiten Otte zufolge in Jobs, die automatisierbar und durch KI ersetzt werden können.
Ticken also die Medienanbieter wie der Springer-Konzern, wo ein Stellenabbau im Regionalen bei den Marken des Hauses in Teilen durch KI-Tools abgefangen wird?
Benjamin Marx, CEO von Ippen Digital, schilderte bei der Würzburger Konferenz einen anderen Weg für sein Haus: "Wir werden mit KI weiter wachsen, es ist ein Thema der Beschleunigung und nicht des Stellenabbaus." Fakten extrahieren, einordnen, "bei uns geht es ums Wachstum", so Marx.
Bei Ippen Digital, das hinter Digitalmarken wie tz.de, FR.de oder auch Buzzfeed Deutschland steht, gibt es längst Prompt Engineers, die das Beste aus ChatGPT herausholen können. "Da geht es nicht um Einsparungen! KI und Digitalisierung sind im günstigsten Fall für Unternehmen die Chance, den Fachkräftemangel schnell in den Griff zu bekommen", pflichtete Simon Klingenmaier, Lehrbeauftragter für HRM und Recruiting an der Würzburger Hochschule THWS, bei.
Herausforderungen – mit vielen Chancen!
Alles in allem standen bei Transforming Media die Chancen für Journalismus und Jobsuchende im Vordergrund, die neue Vielfalt an Medienschaffenden, mehr Diversität bei den Inhalten.
Wie inspirierend und förderlich Kooperationen zwischen etablierten Medienmarken und Startups sein können, demonstrierte Philipp Münich, Associate Director Innovation & Incubation bei der Seven.One Entertainment Group. Kooperative Innovationsarbeit bedeutet bei den Unterföhringern: Gemeinsam mit Nutzenden und Startups neue Ideen zu entwickeln.
Eine Zusammenarbeit von ProSiebenSat.1 gibt es bereits mit dem Münchner Startup TAWNY, das über KI Emotionen erkennen kann. Das, so Münich, lasse sich dazu nutzen, Devices empathisch zu machen.
Die Kooperation der AG mit dem Startup enna – einer Art „Tony Box für Senior:innen" – soll dazu dienen, alten oder weniger technikaffinen Menschen den Zugang zu neuen Technologien, medialen Angeboten und aktuellen Plattformen/Kommunikationsformen zu ermöglichen. Für ProSiebenSat.1 eine neue Chance, an bisher schwer erreichbare Zielgruppen heranzukommen und auch Menschen mit Behinderung anzusprechen.
Ein weiteres Startup zeigte in Würzburg auf, welchen Chancen Inklusion für Medien UND Gesellschaft bieten kann. Vanessa Theel von SUMM widmete sich bei der Konferenz der Tatsache, dass allein in Deutschland mehr als zehn Millionen Menschen auf Informationen in Leichter Sprache angewiesen sind. Einfache Satzstruktur, wenig Fremdwörter und zusätzliche Erklärungen machen Sprache für viele barrierefrei, etwa für Menschen mit Lernschwierigkeiten, ältere oder kranke Menschen, oder Menschen, die Deutsch als Fremdsprache lernen.
Neue Inhalte – neue Zielgruppen
Wer möglichst viele Menschen erreichen will, muss zudem facettenreich und diversitätsbewusst kommunizieren und Geschichten aus Perspektiven erzählen, die nicht so gängig sind – und in einem divers besetzten Team geht genau das viel besser. Ella Schindler aus der Redaktion der Nürnberger Nachrichten und Vorstandsmitglied im Verein der Neuen deutschen Medienmacher*innen, skizzierte bei der Würzburger Konferenz die Vorteile von diversen und inklusiven Redaktionen:
- Bessere Repräsentanz einzelner Gruppen
- Besserer Spiegel der Gesellschaft
- Mehr Sichtweisen, sensiblere Abbildung verschiedener Lebenswelten der Menschen in den Berichten und damit einhergehend spannenderer Journalismus.
- Höhere Attraktivität als Arbeitgeber:in
Wer es ernst meine, müsse Kraft, Zeit und Geld investieren, mahnte Schindler. Auch müsse schon beim Bewerbungsprozess begonnen werden: Studium, perfektes Deutsch? Die Journalistin mit ukrainischen Wurzeln riet zur Talentsuche an Schulen, in migrantischen Vereinen oder in Social-Media-Communities.
Die Förderung einer inklusiven Redaktionskultur sei daneben ebenso wichtig wie Fortbildungen, Zuordnung von Verantwortlichkeiten oder auch Räume zum Austausch, so Schindler. Und: „Diversität muss zur Chef:innensache werden! Es kostet Ressourcen, es ist ein fortwährender Prozess - und die gesamte Belegschaft ist gefragt.“
Viel Potenzial ruht in der Zukunft des Internets
Web3 als Chance für noch mehr Teilhabe von Mensch und Medien im digitalen Raum: Das prognostizierte in Würzburg Vicktoria Klich, Co-Founder des w3.fund, einen im November 2022 gestarteten NFT-Investmentfonds im Herzen von Berlin. Ihr Team schafft neue Monetarisierungsmöglichkeiten für Künstler:innen, neue Kundenbeziehungen zwischen Usern und Käufer:innen. Web3 steht Klich zufolge in der Medienbranche "für Fairness und Mitsprache, für Transparenz und neue Finanzierungsmöglichkeiten“. Eine neue digitale Kultur könnte entstehen im Web3 – mit einem Mix aus digitaler und physischer Welt, mit neuem User-Verhalten, dem Zusammenspiel vieler Trends wie KI und VR sowie mit neuen Charakteristiken.
Und das Mediengeschäft?
"Unser Geschäftsmodell im Netz ist kaputtgegangen und kommt nie mehr zurück", betonte Krischan Lehmann, 1E9, Co-Founder und Head of Platform & Community, mit Blick auf die Tech-Giganten aus den USA, die das digitale (Werbe-)Geschäft mit ihren Walled Gardens beherrschen. Bei dieser Ausgangslage – Dominanz der GAFAs, Misstrauen gegenüber Medien – müssten Medien nun auch noch den regelrechten "Content Tsunami" durch KI stemmen, der weitere User, Abonnent:innen und Werbekunden kosten könnte.
Das Web3 als neuer Ort für ein vertrauenswürdigeres Netz, mit vielen Mitspieler:inenn wie Startups, die dezentral für Transparenz sorgen, stellt aus Lehmanns Sicht eine Art Gegenentwurf zum bisherigen Internet dar. Den Zugang könnten sich User über Wallets organisieren und damit bestimmen, welche ihrer Daten sie den anderen im Netz zugestehen wollen. Medien könnten verifizieren, dass sie seriöse Absendende sind. Micropayments entstünden, die neue Erlösquellen für Medienhäuser schaffen könnten.
Krischan Lehmann: "Wir können Kontrolle über unsere Daten und unsere Inhalte zurückerlangen." Daher sei es gerade jetzt wichtig, in den Medien Know-how aufzubauen um das Internet der Zukunft wirklich demokratischer zu gestalten.
Interessiert an Themen rund um die Medienbranche? Dann ist hier im Blog der Medientage München noch mehr Lesenswertes zu finden. Zudem können Medienthemen auch gehört werden: im Podcast der Medientage München.
Darüber hinaus stehen Zusammenfassungen vieler Sessions der MEDIENTAGE MÜNCHEN sowie Bildmaterial in der Mediathek der Medientage-Homepage bereit.
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