Vertrauen ist auch im digitalen Raum essentiell: Diese Botschaft vermittelt die ZDF-Dokuserie "WTF is Jule?!" sehr nachdrücklich und zeigt damit, was publizistische Verantwortung bedeuten kann. Die vier Folgen über die Fake-Identität der Influencerin @JuleStinkesocke ist 2025 zweimal ausgezeichnet worden: mit dem von der BLM initiierten Nachhaltigkeitspreis Medien und einem Blauen Panther. Ein Gespräch mit dem Produktionsteam von FLAPPERS FILM über nachhaltige und verantwortungsvolle Medienarbeit.
"WTF is Jule?!" hat 2025 nicht nur den Nachhaltigkeitspreis Medien, sondern auch einen Blauen Panther gewonnen. Was hat dieser Preisregen mit der gesellschaftlichen Relevanz des Themas Online-Fake-Identitäten zu tun?
Kai Steinmetz: Diese Anerkennung freut uns natürlich sehr und ist eine tolle Wertschätzung unserer Arbeit. Aber vor allem ist es schön, dass so noch einmal Aufmerksamkeit auf die außergewöhnliche Geschichte rund um Jule Stinkesocke gelenkt wird.
Die Preise zeigen, dass wir mit unserer Doku über falsche Online-Identitäten einen Nerv getroffen haben. Es ist sehr wichtig, einander trotz aller Vorteile des Internets auch für mögliche Gefahren zu sensibilisieren und im digitalen Raum aufeinander Acht zu geben – gerade heute, in Zeiten von KI und Fake News.
"Medien sind eine Bühne, die große Macht verleihen"
Die Doku geht der Frage nach, wie Jule so erfolgreich und betrügerisch im Netz agieren konnte. Die Verantwortung in digitalen Räumen wird genauso thematisiert wie die immer noch unzureichende Repräsentation von Menschen mit Behinderung in den (sozialen) Medien. Wie haben Sie während der Produktion die Follower erlebt, die letztlich die falsche Identität der Rollstuhlfahrerin Jule aufgedeckt haben?
Pascal Schröder: Es war sehr spannend, uns gemeinsam mit ihnen auf Jule Stinkesockes Spuren zu begeben, angefangen bei "Jule war ein mediales Vorbild" bis hin zu "Durch Jule wurde das Vertrauen vieler Menschen verletzt". Umso wertvoller war es, wie offen die Betroffenen uns von ihren persönlichen, teilweise tiefgreifenden Erlebnissen im Umgang mit diesem Fall berichtet haben.
Auch nach der Ausstrahlung wurde uns gespiegelt, wie nah diese Geschichte vielen Menschen ging und dass sie sich durch die Doku gehört gefühlt haben, was wirklich berührend war.
Beim Nachhaltigkeitspreis Medien geht es darum, Medienunternehmen für die Wahrnehmung ihrer publizistischen Verantwortung auszuzeichnen. Warum erfüllt die Dokuserie Ihrer Einschätzung nach dieses Kriterium ?
Lorelei Holtmann: Ich finde, unsere Dokuserie zeigt eindrücklich, wie wichtig es ist, sich der eigenen Stimme und dem, was man mit ihr in die Welt hinausträgt, bewusst zu sein. Die Medien sind eine Bühne, die einem große Macht verleihen können – das birgt neben den Gefahren aber auch Chancen: Als Medienschaffende können wir durch Internet, Film und Fernsehen Perspektiven sichtbarer machen, die sonst im öffentlichen Diskurs wenig Raum bekommen.
Diese Verantwortung wollten wir nutzen und haben mit "WTF is Jule?!" versucht, die weitreichenden Auswirkungen von Catfishing auf sensible Weise abzubilden und insbesondere auf die Folgen des Falls Jule Stinkesocke für die Gruppe der Menschen mit Behinderung einzugehen – und zwar aus der Community selbst heraus.

Pascal Schröder (l.), Lorelei Holtmann und Kai Steinmetz sind Preisträger:innen des Blauen Panther – TV & Streaming Awards 2025 (Foto: Medien.Bayern GmbH/Blauer Panther)
Am Ende profitieren alle von nachhaltiger Produktion
Nachhaltigkeit in den Medien bedeutet nicht nur verantwortungsvolle Medienarbeit, sondern auch Ressourcenschonung. Inwiefern haben Sie als Produktionsfirma den Dreh nachhaltig umgesetzt?
Pascal Schröder: Wir hatten ein zahlenmäßig überschaubares Team und kleine Sets, wodurch es einfach war, einen gemeinsamen verantwortungsbewussten Umgang mit Ressourcen zu etablieren und alle bei der nachhaltigen Umsetzung des Projekts einzubeziehen – beispielsweise durch nachhaltiges Essen und Strom, Müllvermeidung oder Anreisen weit überwiegend mit Bahn und ÖPNV.
Zur Seite stand uns außerdem durchgehend ein Green Consultant. Viele Arbeitsschritte liefen zudem vollständig digital und remote ab, wodurch wir nicht nur energetische Ressourcen sparen konnten. Das hat auch zu viel persönlicher Flexibilität und dadurch zur Schonung der individuellen menschlichen Ressourcen beigetragen.
Welche Bedeutung hat nachhaltiges Produzieren bzw. Nachhaltigkeit in der Medienbranche generell für FLAPPERS FILM?
Kai Steinmetz: Nachhaltiges Produzieren ist eine Aufgabe, die wir als Firma sehr ernst nehmen. Das ist zwar nicht immer einfach, aber am Ende profitieren alle davon. Als Branche können wir so einen Teil dazu beitragen, dass wir als gesamte Gesellschaft nachhaltiger agieren.
Worum geht’s in „WTF ist Jule?!“?
Die Dokuserie setzt sich kritisch mit den Auswirkungen der Netzkultur auf die Gesellschaft auseinander und thematisiert die Bedeutung digitaler Role Models für marginalisierte Zielgruppen. Jule berichtete auf x/Twitter – teils sehr intim – über ihr Leben im Rollstuhl und überzeugte damit eine wachsende Community. Bis Jules Identität von ihren Followern hinterfragt wurde.
Was ist der Nachhaltigkeitspreis Medien?
Mit dem Nachhaltigkeitspreis Medien zeichnen die Bayerische Landeszentrale für neue Medien (BLM) und Stiftungspartner aus dem Nachhaltigkeitspakt Medien bundesweit Beiträge von Rundfunkveranstaltern, Print- und Online-Medienhäusern oder Content Creators aus, die durch verantwortungsvolle Medienarbeit einen positiven Effekt auf die Gesellschaft entfalten..
Das Motto des Nachhaltigkeitspaktes: "Nachhaltigkeit leben, publizistische Verantwortung wahrnehmen!“. Schirmherrin des Paktes ist Bayerns Landtagspräsidentin Ilse Aigner, die auch den Preis im Rahmen der MEDIENTAGE MÜNCHEN verleiht.
(Foto oben: Das Winner-Team des ZDF und von FLAPPERS FILM bekommt von Landtagspräsidentin Ilse Aigner (re.) und BLM-Präsident Dr. Thorsten Schmiege (2.v.l.) den Nachhaltigkeitspreis Medien; Foto: Medien.Bayern GmbH/MEDIENTAGE MÜNCHEN)
- abm inclumedia mit "Vergessene Opfer? Euthanasie im Nationalsozialismus und die Lehren für heute"
- FAZ.net mit "Du gehörst mir, also töte ich dich“ – Femizide vor Gericht
- ZDF mit "WTF is Jule?!"
Die Bayerische Landeszentrale für neue Medien (BLM) veröffentlicht regelmäßig Beiträge zu fachspezifischen Themen im Blog der MEDIENTAGE MÜNCHEN. Die MEDIENTAGE MÜNCHEN sind eine Initiative der Medien.Bayern GmbH – einer Tochtergesellschaft der BLM.
Auch wenn die MTM als Konferenz bis zum 21. Oktober 2026 pausieren: Wir bleiben präsent! Die Zusammenfassungen wichtiger Panel-Diskussionen sowie Bildmaterial der 39. MEDIENTAGE MÜNCHEN stehen im Info-Bereich der MEDIENTAGE-Homepage und auch im MTM-Blog bereit. Bilder für den Download (Quelle: Medien.Bayern GmbH/MEDIENTAGE MÜNCHEN) sind in der Mediathek zu finden.
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