Beziehungsstatus: Es ist kompliziert. So sehr Google und Facebook in der Kritik sind, so sehr brauchen Medienhäuser sie, um Reichweite zu generieren. Nun bieten die Giganten Verlagen die Möglichkeit, ihre Inhalte im Social Web prominent zu platzieren. Sind Allianzen ein gangbarer Weg?
Ja, meinen taz-Geschäftsführerin Aline Lüllmann und der Geschäftsführer von ZEIT Online, Enrique Tarragona. Beide nahmen an der Testphase von Google und Facebook teil und berichteten im Rahmen der MEDIENTAGE MÜNCHEN von ihren Erfahrungen mit den News-Diensten.
Von der Zusammenarbeit versprechen sie sich vor allem Reichweite. Erste Erfolge zeigten sich bereits, allerdings sei es zu früh, um tatsächliche Schlüsse zu den Auswirkungen auf den Lesermarkt zu ziehen. Im nächsten Schritt sei vor allem wichtig, aus der Reichweite Abonnent:innen zu gewinnen: „Es darf nicht nur hübsch aussehen, es muss auf unsere Abos einzahlen“, so Lüllmann.
Gerrit Rabenstein und Aline Lüllmann
Medien und Digitalriesen in Harmonie – mit Facebook News und Google News Showcase
Um die News Angebote weiterentwicklen zu können, setzen Google und Facebook auf einen engen Austausch mit Redaktionen, erklären Gerrit Rabenstein, Head of News and Publishing Partnerships bei Google, und Guido Bülow, verantwortlich für Strategic Partner Development News EMEA bei Facebook. Google möchte den Verlagen vor allem Transparenz bieten: „Wir ziehen die Google Analytics-Angebote nach, damit der Verlag versteht, was da auf der Website passiert.“
„Es muss sich rentieren und sich auf die #Abomodelle auszahlen." So lautet die Forderung vieler #Verlage, wenn es um #Kooperationen geht, beschreibt @g_rabenstein, Head of News and Publishing Partnerships, @Google. #MTM21
— MEDIENTAGE MÜNCHEN (@medientage_mtm) October 27, 2021
Um qualitativ hochwertige Inhalte individuell auf Nutzer:innen abzustimmen, setzt Facebook neben der Zusammenstellung von Inhalten durch den Algorithmus auf einen durch Journalist:innen kuratierten Bereich, erzählt Bülow. „Wir testen und lernen gerade noch viel und nehmen die Verlage mit, um das gemeinsam zu entwickeln.“
Hassmaschinen brechen
Entwicklungen, die Nicole Diekmann sehr kritisch sieht. Die Journalistin und Autorin untersuchte in ihrem Buch Die Shitstorm Republik, wie Hass im Netz entsteht, warum vor allem populistische Kräfte verstehen, wie die Social Media-Plattformen funktionieren und was von Seiten Politik und Medien passieren müsste, um dagegen vorzugehen.
Diekmann erfuhr einen Shitstorm am eigenen Leib und weiß, wie hilflos man der Lawine gegenübersteht, wenn sie erst einmal losrollt. Der Auslöser in ihrem Fall: Ein fehlender Zwinker-Emoji, um Ironie in einem Tweet zu kennzeichnen.
Nicole Diekmann und Richard Gutjahr
„Facebook und Google sind Hassmaschinen“, so Diekmann. Trotzdem glaubt sie, dass die Lösung nicht sein könne, die Plattformen zu meiden. Wichtig sei vor allem die Regulierung der Plattformen, erklärte sie im Gespräch mit Richard Gutjahr bei den MEDIENTAGEN MÜNCHEN. Diesbezüglich habe die Politik lange geschlafen: „Man versucht, mit teils über hundert Jahre alten Gesetzinstrumentarien mit den neuen Plattformen umzugehen“. Erst langsam setze ein Verständnis dafür ein, dass neue Regularien entwickelt werden müssen, um den Netzgiganten angemessen entgegenzutreten.
Die Plattformen wie Publisher zu behandeln und entsprechend zu regulieren löse lediglich einen Teil des Problems: „Das sind Summen, mit denen man einem Lokalsender in Bayern drohen kann – Facebook lacht sich darüber kaputt.“
Der Dammbruch von Social Media?
Die US-amerikanische Gesetzesklausel Section 230 aus dem Jahr 1996 sei in diesem Zusammenhang nicht hilfreich, da sie Facebook, Twitter und Co. davor schützt, für Äußerungen der Nutzer:innen haftbar gemacht zu werden und ihnen erlaubt, eigenständig Inhalte zu moderieren oder zu löschen. Eine Regelung, die ausgerechnet Donald Trump zu spüren bekam, als er über seine Aktivitäten in den sozialen Medien den Sturm auf das Kapitol im Zuge der US-Wahlen befeuerte und von Twitter und Facebook gesperrt wurde. Mit Truth baut er nun sein eigenes Netzwerk auf.
Tatsächlich ist es nicht einmal notwendig, neue Netzwerke zu bauen. Bereits jetzt gilt das Prinzip: Wird man auf einer Plattform gesperrt, wechselt man auf eine andere – etwa Telegram, das sich mittlerweile zum Tummelplatz für Verschwörungstheorien entwickelt hat. Diekmann auf jeden Fall ist sich sicher: „Wenn die Plattform Truth von Donald Trump zündet, dann ist dies der Dammbruch von Social Media. Schließlich ist er nicht der einzige reiche Mensch auf der Welt.“
Die hybriden MEDIENTAGE MÜNCHEN 2021 stehen unter dem Motto "New Perspectives". Dabei blicken wir auf die Zeit nach der Corona-Pandemie und zeigen neue Perspektiven und Geschäftsmodelle auf.
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