Wie sollen Medien über die ökologische Krise berichten? Eine Frage, auf die der Nachhaltigkeitsgipfel im Rahmen der MEDIENTAGE MÜNCHEN Antworten gibt. Fest steht: In der Berichterstattung werden Lösungsansätze und mehr Spezialist:innen gesucht.
Eine Trendwende in der Berichterstattung über die Folgen des Klimawandels braucht ein anderes Grundverständnis. Das ist das Credo von Andreas Huber, Geschäftsführer der Deutschen Gesellschaft Club of Rome, in seiner Keynote. „Demut und Wertschätzung für das Leben vermisse ich in der öffentlichen Debatte viel zu oft“, so Huber.
Andreas Huber.
Huber forderte Journalist:innen dazu auf, sich vom Fokus auf schlechte Nachrichten zu verabschieden, entgegen höherer Reichweiten bislang gängige Narrative zu hinterfragen und das Verbindende in den Blick zu nehmen. Andreas Huber: „Ein Baum, der wächst, macht weniger Krach als ein Baum, der fällt.“
Was Medien bereits leisten - und wo es hakt
Das Themenfeld Klimawandel wird von Redaktionen bereits mit unterschiedlichsten Formaten informativ und konstruktiv begleitet. Nachdem die ARD nicht auf das Ansinnen der Initiative „Klima vor acht“ eingehen wollte, vor den Hauptnachrichten vor 20 Uhr Informationen zum Klima zu senden, hat sich RTL mit den Aktivist:innen zusammengetan. Das Format „Klima Update“, das zweimal pro Woche Informationen rund um Klima- und Umweltschutz aufarbeitet, sei ein Erfolg, sagt Gerhard Kohlenbach, Chefredakteur Zentrale Nachrichten bei RTL. Man erreiche direkt nach der Hauptnachrichtensendung einen sehr hohen Marktanteil. Das Format bedeute keinerlei Ausschaltimpuls. Die journalistische Verantwortung liege ganz in seiner Redaktion in Zusammenarbeit mit der Geo-Redaktion.
Marcus Bornheim, Erster Chefredakteur von ARD-aktuell, verteidigt die Entscheidung der öffentlich-rechtlichen Programmredaktion, nicht auf die Kampagne von „Klima vor acht“ einzugehen. Er wehrt sich gegen ein „Programm nach Auftrag“. Das Klimathema werde über die ARD hinweg flächendeckend behandelt.
Die Hamburger seien allerdings „händeringend auf der Suche“, um mehr Wissenschaftsjournalisten ins Team von ARD-aktuell zu holen. Nachrichtenleute seien in der Regel Generalist:innen, man brauche aber, auch das habe die Corona-Pandemie gezeigt, Expert:innen, die Statistiken auswerten und Studien beurteilen könnten.
„Redaktionen brauchen mehr Leute, die Wissenschaft lesen und für eine breite Masse verständlich übersetzen können."
— MEDIENTAGE MÜNCHEN (@medientage_mtm) October 28, 2021
Aktuell fehlt ein Wissenschaftsverständnis im Journalismus, sagt @marcus_bornheim auf dem #Nachhaltigkeitsgipfel #MTM21 pic.twitter.com/sCaVtR8QqR
Ähnlich äußert sich Axel Bojanowski, Chefreporter Wissenschaft bei der Welt-Gruppe. Aus seiner Sicht werden Studien zum Thema zu wenig von Medien hinterfragt. Die Pressestellen der Institute würden inzwischen „super professionell“ arbeiten, so dass es eine „Selektion zu krawalligen Studien“ gebe. Ebenso fehle es in der Berichterstattung an Expertise. „Ich bin der Letzte, der vom Fach ist“, betont der Springer-Journalist.
Das sieht die freie Journalistin Sara Schurmann, die im vergangenen Jahr die Medien mit einem offenen Brief aufzurütteln versucht hat, anders; sie kritisiert die „False Balance“ in der Berichterstattung als problematisch. Ein Indiz dafür liefere auch die Diskussion auf dem Podium: Für ihre eigene Position, nämlich dass der Klimajournalismus kein eigenes Ressort sein dürfe, sondern in allen Ressorts eine Rolle spielen müsse, könne sie viele andere Kolleg:innen benennen, Bojanowski jedoch stehe mit seiner Position weitgehend alleine da. False Balance bedeutet, dass Minderheitenmeinungen ein zu großes Gewicht in der öffentlichen Diskussion haben.
Weitgehend einig ist sich die Runde jedoch darin, dass sich die Klimaberichterstattung „normalisiere“ und sie in vielen gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Aspekten auf der Tagesordnung bleiben wird.
Axel Bojanowski, Marcus Bornheim, Sara Schurmann, Moderator Daniel Bröckerhoff und Gerhard Kohlenbach zugeschaltet (v.l..)
Die hybriden MEDIENTAGE MÜNCHEN 2021 stehen unter dem Motto "New Perspectives". Dabei blicken wir auf die Zeit nach der Corona-Pandemie und zeigen neue Perspektiven und Geschäftsmodelle auf.
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