Ob auf Instagram, TikTok oder mit ChatGPT: Algorithmen und Künstliche Intelligenz (KI) sind im Medienalltag von Jugendlichen omnipräsent. Doch was wissen sie darüber, wie nutzen sie die Anwendungen und wie bewerten sie die neuen Möglichkeiten? Die BLM-Studie „Algorithmen und Künstliche Intelligenz im Alltag von Jugendlichen“ zeigt: Es gibt noch Nachholbedarf bei der Wissensvermittlung und dem Aufbau von KI-Kompetenz. (Motiv: rassco/istock)
Soziale Medien sind ein integraler Bestandteil der Lebenswelt von Jugendlichen. Genauso wie Sprachassistenten zum Musikhören oder ChatGPT als Hausaufgabenhilfe. Die Vorteile der algorithmenbasierten Empfehlungen auf TikTok und Co empfinden junge Menschen in der Regel als hilfreich und nützlich. Sie schätzen die Vorteile personalisierter Empfehlungen und sind offen, KI in ihrem Alltag zu nutzen. Sie sehen aber auch die damit verbundenen Nachteile wie das Gefühl, beobachtet zu werden, die Realität durch die "Bubble" verzerrt wahrzunehmen oder die Richtigkeit KI-generierter Inhalte überprüfen zu müssen.
Ihre Einstellungen und ihr Wissen über Algorithmen und KI hat das Team um Prof. Dr. Ruth Wendt und PD Dr. Claudia Riesmeyer vom Institut für Kommunikationswissenschaft und Medienforschung an der Ludwig-Maximilians-Universität München (LMU) in Gruppendiskussionen, einer Online-Tagebuchstudie und einer Online-Befragung erforscht.
Damit liegt jetzt erstmals eine systematische Untersuchung zum Umgang von Jugendlichen mit Algorithmen und KI vor, die qualitative und quantitative Methoden verwendet. Vorgestellt wurden die Ergebnisse Mitte Juli im Rahmen einer Online-Veranstaltung.
=> Aus den Befunden der Studie leitet das Forschungsteam drei Handlungsempfehlungen ab:
1 - Wissensvermittlung zu Algorithmen und KI ausbauen
Die Jugendlichen können zwar Kennzeichen und Beispiele für Algorithmen und KI benennen. Es fehlt ihnen aber an Hintergrundwissen, z.B. zur Frage: Wer programmiert welche Inhalte mit welcher Intention?
So werden in den Gruppendiskussionen als Vorteile von Algorithmen die Personalisierung von Inhalten und die „Inspiration“ genannt, als Nachteile das Gefühl, beobachtet zu werden, ungewollt politische Inhalte zu sehen und die Verstärkung negativer Stimmungen.
Aus der Online-Befragung lässt sich indirekt ableiten, dass die Jugendlichen durchaus über die mögliche Manipulation von Menschen durch Algorithmen Bescheid wissen, sie aber noch mehr über die Funktionsweise wissen wollen (Thomas, 15 Jahre: „Der TikTok-Algorithmus ist enorm gut, macht aber auch sehr süchtig, weshalb ich auf lange Zeit weniger TikTok benutzen will.“)
2 - Mediensozialisationsaufgabe wahrnehmen
Die Wissensvermittlung sollte im Rahmen der Medienerziehung in Elternhaus und Schule ausgebaut werden und nicht nur anlassbezogen stattfinden.
Unter der Devise „Challenge accepted“ betont BLM-Präsident Dr. Thorsten Schmiege: „Hier müssen auch Lehrkräfte und Eltern, die neue Technologien häufig negativ sehen, mit entsprechenden Materialien noch besser unterstützt werden. Wir werden in unseren medienpädagogischen Angeboten wie dem Medienführerschein oder in unseren Veranstaltungen die Entwicklungen bei KI und Algorithmen noch mehr in den Fokus nehmen.“
3 - Offenheit zeigen
Eltern und Lehrkräfte scheinen eine negative Sichtweise auf KI-Anwendungen zu haben und geben diese weiter, was die Wahrnehmung der Jugendlichen prägen kann, so ein Fazit der Wissenschaftlerinnen.
Amaya (16 Jahre) bezeichnet beispielweise das Verhalten ihrer Englischlehrerin als zu negativ: „Zum Beispiel hat sich unsere Englischlehrerin dann darüber aufgeregt, dass jetzt eh keiner mehr seine Hausaufgaben macht wegen ChatGPT und so.“ Sie rede das schlecht und äußere nur ihre Meinung anstatt Fakten näherzubringen.
Ängste äußern die befragten Jugendlichen beispielsweise mit Blick auf ihre berufliche Zukunft und den möglichen Ersatz von Arbeitskräften durch KI. Vor diesem Hintergrund plädiert BLM-Präsident Schmiege dafür, neben der Vermittlung eines reflektierten Umgangs auch die positiven Aspekte Künstlicher Intelligenz darzustellen.
Zu „Algorithmen und Künstliche Intelligenz im Alltag von Jugendlichen“ habe ich mich mit dem Forschungsteam um PD Dr. Claudia Riesmeyer und Dr. Larissa Leonard, mit Prof. Dr. Steffen Zimmermann und mit Prof. Dr. Leyla Dogruel ausgetauscht (Screenshot: Medien.Bayern GmbH)
Wie ein niederschwelliger Aufbau von KI-Kompetenzen an Schulen mit „Experiential AI Learning“ stattfinden kann, zeigte Prof. Dr. Steffen Zimmermann zum Abschluss der Online-Veranstaltung. Karrierechancen und gesellschaftliche Teilhabe hängen davon ab, souverän mit KI umzugehen, so Zimmermann. Deshalb plädiert der Professor für Digital Business für eine frühzeitige und flächendeckende Vermittlung von KI-Kompetenzen. Genauso sieht Prof. Dr. Leyla Dogruel die „Algorithm Literacy“ als Kernkompetenz in „datafizierten Gesellschaften“.
Nun gilt es, weitere Erfahrungen zu sammeln, die wissenschaftlichen Erkenntnisse zu evaluieren und Maßnahmen zu entwickeln.
Die Studie ist in der BLM-Schriftenreihe als Band 11 erschienen und steht hier zum Download bereit. Zum Videomitschnitt der Veranstaltung geht es hier.
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