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Wie können wir die Möglichkeiten der Digitalisierung lieben lernen?

5. Mai 2020

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Die geplante Corona-Tracing-App ist umstritten. Nach massiver Kritik änderte die Bundesregierung ihre Position. Sie will nun "eine dezentrale Architektur vorantreiben, die die Kontakte nur auf den Geräten speichert und damit Vertrauen schafft". Woher kommt dieses Misstrauen der Politik, das auch auf Umfragen unter Verbraucher*innen fußt?
Der Blog der Medientage München hat bei einem Kenner digitaler Themen nachgehakt – bei Jan Möllendorf, Managing Partner der Erlanger Digitalagentur defacto x.
 

 

Die Deutschen shoppen mobil bei Amazon, verabreden sich am Smartphone zur Houseparty, sehen sich via Zoom – sind aber misstrauisch, wenn sie ihre Daten über eine Corona-App anonym teilen sollen. Was läuft da schief, Herr Möllendorf?

In diesem unglaublichen Misstrauen der Bürger*innen gegenüber einer Contact-Tracing-App, die Kontakte von Infizierten nachverfolgbar machen soll, tritt zu Tage, was seit Jahren versäumt wurde und wird.

Es nervt wirklich, dass Politiker*innen immer noch solche Digitalisierungs-Blockierer sind. Anstatt die Bevölkerung darüber aufzuklären, dass darin mehr Chance als Risiko steckt, drücken sich die Verantwortlichen um klare Aussagen.

Wobei ich eines sagen muss: Auch wir als Digitalbranche sind da ein Stück weit schuld daran.

 

Was wurde falsch gemacht?

Wir haben im digitalen Marketing bei der Entwicklung der legalen und technisch möglichen Lösungen nicht immer an den User gedacht. Nehmen wir das Beispiel Retargeting:  Seit Jahren werden Nutzer*innen beim Shoppen und Suchen markiert und auf anderen Seiten wieder identifiziert.

Aber wenn im Mai auf meinem Desktop eine Anzeige für einen Adventskalender aufploppt, den ich im November zuvor online eingekauft hatte, dann stimmt da was nicht. Nutzer verstehen das nicht. Die Menschen übertragen solche unerklärlichen Vorgänge auf andere Bereiche und misstrauen verständlicherweise immer mehr den digitalen Anwendungen.

 

Wenn die Digitalbranche um dieses Problem weiß – warum lösen es die Anbieter nicht?

Das ist nicht so einfach. Zum einen fehlt oft der Mut zur Selbsthygiene. Dazu kommt, dass Lösungen wie das Frequency Capping, also die Einschränkung der Ausspielung von Display-Werbemitteln an einzelne Nutzer*innen, durch die verschärften Cookie-Regelungen nicht mehr ganz so einfach umzusetzen sind.

 

Würde es helfen, wenn Politiker*innen und Entscheider*innen eine gewisse Daten-Freundlichkeit vorleben würden?

Man muss immer bei sich selbst anfangen, bevor man mit dem Finger auf andere zeigt. So ist zum Beispiel mein Podcast Digital Life Talk ein kleiner Versuch, einen Beitrag zu leisten. Aber als Einzelner ist man ziemlich machtlos. Als Unternehmen engagieren wir uns daher immer schon in Branchenverbänden; zum Beispiel bin ich im Hauptvorstand des bitkom

Aber ich finde, die Politik müsste mal eine "Data Love"-Kampagne starten. Ziel sollte sein, dass unsere Gesellschaft die Möglichkeiten der Digitalisierung zu lieben lernt. Liebe soll in diesem Sinne nicht als bedingungslos unkritische Hingabe verstanden sein. Sondern wie jede Liebe: vertrauensvoll, zuneigend, respektvoll, reflektierend und kritisch.

Leider glaube ich, dass wir bei der zum Teil hysterischen Diskussion von potenziellen Gefahren bleiben. Eine konstruktive Auseinandersetzung mit dem Thema Digitalisierung und der Nutzung von Daten bleibt aus.

 

So pessimistisch?

Sagen wir mal so: Mehr Hoffnung lege ich eher in die nächste Generation von Politiker*innen und Führungskräften, die als Digital Natives vertraut sind mit Daten und ein gesundes Misstrauen aufbauen konnten. Die packen das in 10 bis 20 Jahren ganz anders an.

Vielleicht gründet auch mal jemand eine neue Form der Interessensvertretung zum Thema Digitalisierung. So wie im Rahmen der industriellen Revolution Gewerkschaften als Interessensvertretungen gegründet wurden, könnte man jetzt User-Gewerkschaften oder Parteien gründen. Dann würde die Diskussion zum Umgang mit der Digitalisierung garantiert konstruktiver und zielorientierter geführt als jetzt.

Aus meiner Sicht sind übrigens Ad-Blocker heute etwas wie die Interessensvertretungen von Usern.

 

10 oder 20 Jahre! Bis dahin könnte doch die Digitalbranche in entscheidenden Punkten die Weichen neu stellen?

In der Tat: Es wäre an der Zeit, dass wir alles daranlegen, verlorenes Vertrauen in die Nutzung von Daten wieder aufzubauen. Die Corona-Krise zeigt uns auf, dass wir uns ganz dringend mit allen Aspekten der Digitalisierung befassen müssen. Nicht nur mit den Möglichkeiten der Monetarisierung.

Am Ende bedeutet dieses Vorhaben ganz viel Arbeit. Aber wir müssen proaktiv an diesen Dingen arbeiten.

 

Jan Möllendorf und defacto x sind Experten für die Digitalisierung von Kundenbeziehungen. Seit rund 20 Jahren ist er Managing Partner der Erlanger Digitalagentur. Möllendorf ist mit dem "Digital Life Talk" auch als Podcaster präsent und spricht mit Gästen aus der Branche, um Hörer*innen eine "Inspirationsquelle für eine zuversichtliche Nutzung der Chancen der Digitalisierung" zu bieten.
Jan Möllendorf ist Jury-Mitglied beim "Connect! The Smart TV Award", der als Gemeinschaftsprojekt der Medientage München und der Deutschen TV-Plattform dieses Jahr erstmals verliehen wird. Unterstützt wird der Award vom MedienNetzwerk Bayern.

 


 

Sie interessieren sich für Themen rund um die Medienbranche? Dann finden Sie hier im Blog der Medientage München noch mehr Lesenswertes. 

 

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