Smart TV, Streaming, Addressable TV, Connected TV: Das zunehmend vernetzte Fernsehen beflügelt Anbieter, die Werbebranche oder auch die Produktionshäuser. So lautet der Tenor der Expert:innen, die das MEDIENTAGE Online-Special "Connect! The Future of TV" begleitet haben. Das Event, welches mit den Partnern MEKmedia und Deutsche TV-Plattform bereits zum sechsten Mal veranstaltet wurde, hat deutlich gemacht, welches Wachstumspotenzial noch im Big Screen schlummert.
Sowohl Stefan Sutor, Geschäftsführer der Medien.Bayern GmbH, als auch Martin C. Körner, Geschäftsführer MEKmedia, sind sich einig: Getrieben von rasanten technologischen Entwicklungen und einem veränderten Mediennutzungsverhalten steckt noch viel Musik im vernetzten Fernsehen.
Körner schätzt, dass auch dieses Jahr wieder weltweit mehr als 100 Millionen smarte Fernsehgeräte verkauft werden, die Anbietern die Basis geben, um neue Geschäftsmodelle im Streaming bzw. VoD-Bereich anzuschieben, um interaktive und zielgerichtete Werbeformen im Bereich Addressable TV zu entwickeln und um frische Formatideen umzusetzen. Nahezu die Hälfte der deutschen TV-Haushalte schaut bereits vernetzt.
Zahlen für handfeste Prognosen hat Klaus Böhm beim MEDIENTAGE Online-Special "Connect! The Future of TV“ vorgelegt, Media & Entertainment Lead bei Deloitte Consulting. Aus dem aktuellen Deloitte Media Consumer Survey lässt sich viel über den Wandel im Bereich Bewegtbild herauslesen. So belegt das aktualisierte jährliche Werk, dass sich vor allem die Jungen vom linearen TV verabschiedet haben, aber auch, dass alle Altersgruppen Abrufinhalte nutzen, wenn auch Ältere eher die Mediatheken der Sender ansteuern. Böhm: "Das zukünftige Nutzungsverhalten wird niemals wieder so sein, wie es mal war. Wer heute jung ist und Streaming-Dienste nutzt, wird auch später auf das gewohnte Mediennutzungsverhalten zurückgreifen, anstatt lineare Programme zu konsumieren."
Deutlich machen die Deloitte-Ergebnisse, wie sehr sich die Einstellung der Nutzer:innen zu Anbietern und Finanzierungsfragen im Streaming geändert hat.
Klar ist für den Deloitte-Manager, dass das werbefinanzierte Streaming inzwischen gute Chancen hat, vom Publikum akzeptiert zu werden.
Böhm bedauert: "Das lineare Fernsehen hat nach dem ersten Hype in der Corona-Phase nicht nachhaltig profitiert." Die Deloitte-Analyse zeichnet alles in allem deutliche Veränderungen im Nutzungsverhalten:
Wo gehen künftig die Budgets hin, wenn sich Zielgruppen im Bewegtbildkosmos derart verschieben? Gegenüber der Eventmoderatorin, Carine Léa Chardon, Geschäftsführerin ZVEI-Fachverband Consumer Electronics und Geschäftsführerin der Deutschen TV-Plattform, betont pilot-Geschäftsführerin Deniz Mathieu: "Noch ist etwas Strecke zu machen, aber man kann den Weg schon sehen." In ihrer praktischen Arbeit greift die "klassische TV-Planerin“ bereits heute auf eine bunte Mischung aus linearem Fernsehen, Streaming, Apps oder auch Social Video wie TikTok zurück.
Doch die Managerin aus dem Mediaagentur-Netzwerk bedauert, dass sie noch nicht „in einem Rutsch“ alles planen könne und auf Daten aus den verschiedensten Quellen zurückgreifen müsse. Mathieu wünscht sich mehr Zusammenarbeit der Vermarkter, Datenanbieter, Kunden und Agenturen, mehr Austausch und Transparenz sowie auf lange Sicht eine einheitliche Datenbasis – wie sie jüngst mit dem Schritt der AGF Videoforschung zu einem Standard aus TV und Stream eingeläutet wurde.
Gerade bei nachwachsenden Zielgruppen müssen die Macher:innen geradezu auf neue Verbreitungswege zurückgreifen. Sie seien bei der klassischen Verwertung über Kino und TV einfach nicht mehr so erreichbar, meint Ulrich Herrmann, Redaktionsleiter und Drehbuchautor beim SWR, wo er das vielbeachtete Instagram-Projekt #ichbinsophiescholl betreut.
Für Dr. Markus Schäfer, CEO des Produktions-Netzwerks All3Media, hat der Zutritt der Streamer "den Markt in Bewegung gebracht". Mit großen Vorteilen für die deutsche Produktionsbranche, die auf die bisher im Schnitt erreichten 2,5 Milliarden Euro Umsatz mit Auftragsproduktionen nun weitere Erlöse aus den Töpfen von Amazon, Netflix oder Mediatheken erwartet.
Schäfer: "Ich glaube, dass die Nachfrage nach VoD und SVoD erst am Anfang steht.“ Er hebt die Unterschiede hervor; das "Lagerfeuer"-Fernsehen mit großen Shows oder Sport sei "heute und künftig für die lineare Auswertung wichtig“. Im Abo-finanzierten Streaming gehe es vor allem darum, das Publikum mit seriellem und horizontal erzähltem Content zu binden. Fürs werbefinanzierte Streaming (AVoD) erwartet der Produzent nochmals eine andere Form von Inhalten.
Das Online-Special zeigt auch auf, dass das klassischen Fernsehen von Connected TV profitiert. Stefanie Groiss-Horowitz, Senderchefin der österreichischen ProSiebenSat.1-Marken PULS 4 und PULS 24, hat letzterem, dem Nachrichtensender, im Herbst 2020 eine App zur Seite gestellt. Sie schätzt die Möglichkeiten, die „alte Welt des linearen Fernsehens“ on top mit den neuen Möglichkeiten zu verquicken. "Wir wollen ein bisschen überraschen mit diesen Features", sagt sie und glaubt, dass sich die Menschen wieder "ein bisschen verliebt haben ins Medium" während Corona.
Für VOX-Geschäftsführer Sascha Schwingel, der sich in der Rolle des "streamenden Broadcasters“ sieht, wirkt die aktuelle Bewegtbildentwicklung wie einst der Schritt, den die Musikbranche in den 1980er-Jahren mit der Erfindung des Walkmans machte: User zieht es weg vom Sofa hin zum Überall-Konsum per mobilem Abspielgerät. Hierin liegt aus Schwingels Sicht eine große Chance für TV-Macher, um den Zuschauer:innen auf allen Kanälen entgegenzukommen.
Der VOX-Boss geht davon aus, dass beide Welten – lineares Fernsehen wie VoD - noch lange parallel existieren werden. Bestätigt sieht Sascha Schwingel seine Strategie durch Zahlen; er sei stolz, als einziger Sender im 1. Halbjahr 2021 den Vorjahreswert mit der damals starken Sehbeteiligung im Lockdown verteidigt und sogar noch leicht ausgebaut zu haben.
Der rasanten Entwicklung des Marktes für Connected TV trägt der Preis "Connect! The Smart TV Award" Rechnung, den die MEDIENTAGE MÜNCHEN und die Deutsche TV-bereits zum zweiten Mal für besondere Innovationen, Apps und Services rund um das vernetzte Fernsehen verleihen. Unterstützt wird der Award vom MedienNetzwerk Bayern.
Neu in diesem Jahr ist Jurymitglied Kathleen Schröter, Technologist & Alchemist bei J2C als Patin des Tech-Preises im Award. Für die Entwicklung neuer Anwendungen sei es „wesentlich, dass Nutzer:innen im Mittelpunkt stehen“. Eine Neuerung gibt es in diesem Jahr bei der Kategorie “All Eyes on you – Bester Newcomer”: Hier können erstmals auch kreative und künstlerische Ideen für die Nutzung von TV-Screens der Zukunft eingereicht werden. Im Vorjahr fokussierte sich diese Award-Kategorie in erster Linie auf neue Produkte auf dem Markt. Jetzt öffnen die Partner die Kategorie für innovative und unkonventionelle Szenarien für die Bildschirmnutzung von morgen.
Das MEDIENTAGE Online-Special "Connect! The Future of TV" kann hier nochmals angerufen werden.
Mit einem ausführlichen Programm in Zusammenarbeit mit unseren Partnern MEKmedia und der Deutschen TV-Plattform wird das MEDIENTAGE Special Connect! The Future of TV Ende Oktober Teil der MEDIENTAGE MÜNCHEN sein. Dort wird dann auch zum zweiten Mal der Connect! The Smart TV Award verliehen.
Bewerbungen sind ab sofort hier möglich! Die Bewerbungsfrist läuft bis 31. August 2021.
Die MEDIENTAGE MÜNCHEN finden dieses Jahr vom 25. bis 29. Oktober statt. Sie stehen unter dem Motto New Perspectives. Dabei blicken wir auf die Zeit nach der Corona Pandemie und zeigen neue Perspektiven und Geschäftsmodelle auf.
Du interessierst dich für Themen rund um die Medienbranche? Dann findest du hier im Blog der Medientage München noch mehr Lesenswertes.
Zudem kannst du Medienthemen passend auch hören: im Podcast der Medientage München.