Streaming ist angekommen und diversifiziert sich nun: Die großen Anbieter legen sich mehr eigenes Profil zu und setzen hiesige Marken unter Druck. Neben der Finanzierung durch Abos wird werbefinanziertes VoD immer relevanter und dank AGF vergleichbar mit klassischer TV-Werbung. Selbst ans Umweltbewusstsein der Nutzer:innen wird beim Streamen inzwischen gedacht.
Diverse Studien belegen: Streaming ist weiter auf dem Vormarsch. Offensichtlich wird der Boom des abgerufenen Bewegtbildinhalts auch durch das Kaufverhalten der Big Player im Markt, um die riesige Nachfrage nach Filmen, Serien, Dokus, Shows oder auch Sport bedienen zu können. Stimmen die Kartellbehörden zu, dann kann Amazon Prime Video künftig mit dem Kauf des Hollywood-Studios MGM zusätzlich auf mehr als 4000 Filme und 17.000 Serien zurückgreifen. Fast 8,5 Milliarden Dollar ist dem Online-Händler die Übernahme eines der wenigen noch konzernunabhängigen Studios wert.
Immerhin hat der Senkrechtstart von Disney+ auf Basis einer umfangreichen Library die anderen großen Streaming-Player in den vergangenen Monaten unter Zugzwang gesetzt. In Rekordzeit baute Disney+ seine Marktanteile auch hierzulande weiter aus. Laut einer Marktanalyse von JustWatch.com zum ersten Quartal dieses Jahres sicherte sich der US-Gigant neben Netflix, Prime Video, TV Now und Co inzwischen 16 Prozent vom deutschen Streaming-Segment.
Nun hat Prime Video zumindest reichlich fiktionalen Nachschub. Amazon sorgt daneben mit einem bunten Strauß an deutschen Eigenproduktionen für ein stärkeres Regionalprofil.
Deutsche Marken halten dagegen
Einmal mehr erhöht sich dadurch der Druck auf den deutschen Markt, in dem nationale Marken wie Sky, TV Now (Mediengruppe RTL Deutschland) oder Joyn (Discovery/ProSiebenSat.1) mit den großen Anbieter:innen sowie mit den expansiven Mediatheken der Öffentlich-Rechtlichen mithalten wollen und sollen. Es wird viel produziert. Auch Kooperationen und Partnerschaften sollen unterstützen.
Joyn: So viele Originals gab es noch nie! 2021 zündet Joyn ein Content-Feuerwerk https://t.co/O5TCyAinan #München pic.twitter.com/RJHhCG9Cwk
— presseportal.de (@na_presseportal) January 25, 2021
Auch könnten neue Services wie ScreenHits TV für mehr Gleichberechtigung beim Online-Abruf sorgen; die EMEA-Dependance um den früheren ProSiebenSat.1-Manager Ramy Nasser bereitet den Deutschland-Start der Anwendung vor, die als "All in One Streaming App" die gängigsten Abonnements in einer Hand bündeln soll.
Kürzlich haben die Marktforscher von Kantar das Abo-Verhalten der deutschen Haushalte im Rahmen ihrer Studienreihe "Entertainment on Demand" durchleuchtet. Die Nase vorn haben nach abgeschlossenen Abos im 1. Quartal Netflix und Prime Video, Disney+ folgt auf Platz drei. Die RTL-Offerte TV Now reiht sich dahinter ein, vor dem Sport-Streamer DAZN und Sky Ticket. Und: Immerhin hat schon knapp jeder zweite deutsche Haushalt (49,2 Prozent) Kantar zufolge ein Streaming-Abonnement.
Sowohl TV Now als auch Sky haben für 2021 eine Content-Offensive eingeplant, um sich ein größeres Stück vom Streaming-Kuchen zu sichern. Daneben geht DAZN in die Vollen: Der Anbieter legt ein Gastronomie-Angebot vor, das dem „Sky Sports Bars“ sehr ähnlich ist. "DAZN for Business" umfasst für 250 Euro Monatsgeführ eine Streaming-Box sowie ein auf Kneipen und Bars zugeschnittenes Sport-Portfolio. Damit löst sich der Streaming-Dienst, der ab der kommenden Saison mehr Bundesliga und Champions League zeigen wird, aus der bisherigen Kooperation mit dem Sky-Gastro-Angebot. Im Gegenzug erweitern die Partner ihre Sport-Kooperation für das gängige Abo über Sky Q.
Das Werbeumfeld Streaming wird erschlossen
Daneben wächst die Bedeutung von werbefinanziertem Streaming, AVOD genannt. Zumal sich die Zahl der Bezahl-Abos pro deutschem Haushalt stabil bei etwa über zwei Streaming-Adressen eingependelt hat und die Anbieter:innen hier nicht viel mehr Zuwachs erwarten können. Neben ersten Anbieter:innen, die ausschließlich frei abrufbares VoD gegen Werbung planen (rlaxxTV), setzen vor allem die Streaming-Ableger der kommerziellen Senderfamilien auf die Vermarktung der Werbeumfelder auch im Netz. Auch um zusätzliche Erlöse einzufahren, gerade nach einem flauen, von Corona geprägten Werbejahr 2020 und einem Minus der Nettoerlöse in Höhe von 3,4 Prozent. Die Netto-Werbeinvestitionen ins klassische TV gingen um 8,8 Prozent auf 4,01 Milliarden Euro zurück.
Paul Mudter, COO des RTL-Vermarkters Ad Alliance, etwa sagt: "Die Bereitschaft für Streaming-Angebote zu zahlen, ist endlich; daher suchen viele Zuschauer nach kostenlosen Alternativen.“ Er und sein Team bieten seit Februar mit XITE ein an die heutigen Verbrauchergewohnheiten angepasstes Musik-TV an. Das Angebot verbinde das Musikfernsehen der 90er Jahre mit digitaler Unterhaltung für das 21. Jahrhundert, heißt es aus Köln. XITE wird durch lineare Werbeunterbrechungen, die an TV-Werbeblöcke erinnern, refinanziert. Dabei läuft das Targeting wie bei Online-Werbung ab und schafft personalisierte Werbeunterbrechungen. Es klingt dabei durch: Streaming-Werbung soll besser werden und nicht mehr nur einfach die Unterbrecher-Spots des Fernsehens imitieren.
@XITENL launched its first German channel and we are thrilled to power XITE with our smartclip #adtech stack and monetisation expertise. The XITE Channel will bolster the #ConnectedTV portfolio of the Ad Alliance before we roll out across other European markets.#smartclip pic.twitter.com/pFTF2yfst4
— smartclip (@smartclipEurope) February 18, 2021
Daneben sind die Weichen gestellt, um klassische TV- und Streaming-Werbung für Werbungtreibende vergleichbarer zu machen. So hat sich die AGF Videoforschung der Sender dazu durchgerungen, angestammte Fernsehwährungen zu den Akten zu legen, um aus einer Hand zu messen, welche Reichweite eine TV-Sendung durch Streaming erhält. Seit April wird dabei nicht mehr die durchschnittliche Sehbeteiligung mit Bezug zur Nutzungsdauer ausgewiesen, sondern die Nettoreichweite all jener Zuschauer:innen, die im Fernsehen oder im Stream mindestens eine Sekunde des jeweiligen Inhalts gesehen haben. Deutlich wird dadurch, welchen Stellenwert Streaming inzwischen für die großen TV-Marken hat. Zumal auch immer mehr über den großen TV-Bildschirm gestreamt wird. Es wächst zusammen …
Wer sich jetzt noch Gedanken macht, dass er beim Wechsel vom Fernsehen zur Mediathek oder zum Streaming mehr Strom verbraucht, der kann neuerdings ziemlich genau anhand seines Streaming-Profils den Energieverbrauch errechnen. Den Service bietet die Suchmaschine JustWatch.com an. Bei dem Tool wird zum Schluss ein Angebot eingeblendet, um den persönlichen CO2-Streaming-Fußabdruck auszugleichen.
Smart TV, Streaming, Addressable TV: Bei dem Online-Special Connect! The Future of TV am 24. Juni 2021 widmen sich die MEDIENTAGE dem Thema Connected TV und dem vernetzten Fernsehen.
Mit einem ausführlichen Programm in Zusammenarbeit mit unseren Partnern MEKmedia und der Deutschen TV-Plattform wird das MEDIENTAGE Special Connect! The Future of TV Ende Oktober Teil der MEDIENTAGE MÜNCHEN sein. Dort wird dann auch zum zweiten Mal der Connect! The Smart TV Award verliehen.
Du interessierst dich für Themen rund um die Medienbranche? Dann findest du hier im Blog der Medientage München noch mehr Lesenswertes.
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