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Fragen, die Social Media aufwirft

4. November 2021

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Nach gut eineinhalb Jahren Corona-Pandemie sollten auch die omnipräsenten sozialen Netzwerke aus neuen Perspektiven betrachtet werden: Google, Facebook, Twitter und Co. gewinnen an potenziellem Einfluss auf die Meinungsvielfalt. Sie entscheiden als Gatekeeper mit eigenen Logiken darüber, wer welche Inhalte im Internet zu Gesicht bekommt, ob sich Hass und Hetze verbreiten können. Die Digital Giants, zu denen auch Amazon mit immer mehr Inhalten zählt,  werden aber nicht nur auf dem Nutzermarkt immer mächtiger.
Wie können Politik, Gesellschaft und jede:r einzelne dieser Marktmacht begegnen? Ein Thema in diversen Diskussionsrunden im Rahmen der Medientage München 2021.

 

Die #MTM21 Ende Oktober boten die optimale Plattform, um über soziale Medien zu sprechen. Während im Münchner Isarforum in diversen Sessions positive wie negative Entwicklungen im Netz diskutiert wurden, verkündete Mark Zuckerberg in Übersee den Namenswechsel von Facebook zu Meta und damit verbunden das klare Ansinnen, mit diesem Signet das Fernziel des Social Networks zu verdeutlichen: Meta soll digitale Parallelwelt werden, ein soziales digitales 3-D-Erlebnis namens "Metaverse“, in dem wir Menschen treffen können ohne jeglichen reellen Kontakt. Eine virtuelle Welt, in der Facebook vermutlich ein Quasi-Monopol anstrebt.

Während sich Kritiker:innen aus dem inneren Kreis der digitalen Giganten über die schöne neue Welt des Mark Zuckerberg bereits Sorgen machen, zeigte sich im Rahmen der diesjährigen Medientage, dass Gesellschaft und Politik noch nicht einmal mit den aktuellen Problemen zurechtkommen, die soziale Netzwerke mit sich bringen. Shitstorms, Hass und Häme sind auf den sozialen Online-Plattformen Facebook, Twitter oder YouTube gang und gäbe.

Ganz aktuell besagt etwa eine Umfrage der Organisation Hateaid, dass jede zweite Person zwischen 18 und 35 Jahren bereits digitale Gewalt erlebt hat. Somit sind Anfeindungen im Internet "nicht nur zur Realität, sondern zur traurigen Normalität geworden", wie die Studie hervorhebt. 

 

Was können Betroffene gegen kollektiven Hass tun?

Und unternimmt die Politik genug dagegen? Letzteres beantwortete Nicole Diekmann bei den Medientagen mit einem klaren Nein. Die Journalistin wurde 2019 Opfer eines Shitstorms für ihren Twitter-Tweet "Nazis raus".

Der Kenntnisstand der Politik sei im Umgang mit und bei der Regulierung von großen sozialen Online-Netzwerken nicht auf der Höhe der Zeit, kritisierte Diekmann. Man versuche mit Instrumentarien aus den vergangenen 100 Jahren mit den Plattformen umzugehen, "was natürlich nicht funktioniert". Erst langsam würden neue Maßnahmen entwickelt, um die digitalen Giganten der Neuzeit "einzufangen“.

"Warum behandeln wir die Plattformen nicht wie Publisher? Schließlich kuratieren sie Inhalte und bezahlen Publisher für Inhalte – also sind sie Publisher und könnten nach deutschem Recht reguliert werden“, wollte Moderator Richard Gutjahr wissen. Dies sei sicher ein Weg, antwortete Nicole Diekmann, allerdings würden Facebook und Co. sich über die zu zahlenden Strafen "schlapp lachen“.

 

MTM21-Diekmann-GutjahrNicole Diekmann mit Richard Gutjahr (Foto: MTM)

 

Vergiftet Social Media das Meinungsklima?

Besonders dramatisch wirken sich die Kehrseiten der sozialen Medien – Hass, Häme, Falschnachrichten – auf demokratische Prozesse aus. Die Zeiten, in denen Wahlkämpfe hauptsächlich in TV-Runden entschieden wurden, sind anscheinend vorbei. Heute werden viele politische Schlachten im Internet geschlagen – und dort häufig unreguliert und unkontrolliert. Microtargeting, Bots, Algorithmen oder Fake-Accounts sind die Werkzeuge, die eine freie und öffentliche Meinungsbildung beschädigen und das Meinungsklima verzerren können. Wie lässt sich dem begegnen?

Während der #MTM21 diskutierten darüber Expert:innen auf Einladung der Bayerischen Landeszentrale für neue Medien (BLM). Felix Kartte, Senior Advisor der zivilgesellschaftlichen Organisation Reset.Tech, plädierte für eine starke europäische Plattform-Aufsicht. Die Forderungen seiner Organisation nach mehr Regulierung sieht er durch die jüngsten Veröffentlichungen der Whistleblowerin Frances Haugen zu Facebooks Geschäftsgebaren in einer Art "Realitycheck“ bestätigt.

"Regulierung von Social Media wird häufig noch mit Zensur gleichgesetzt und als Eingriff in die Meinungsfreiheit gesehen, dabei geht es genau ums Gegenteil", betonte Kartte. So seien Facebook & Co. keine neutralen Kommunikationsplattformen, vielmehr sei es deren Geschäftsmodell, Stimmungen zu kuratieren und zu verstärken. Dabei stünden nicht das Gemeinwohl oder demokratische Werte wie etwa die Meinungsfreiheit im Fokus, sondern einzig das Profitinteresse des Konzerns.

Ilse Aigner (Foto oben), Präsidentin des Bayerischen Landtages, machte während der erstmals hybrid organisierten Medientage deutlich, dass der Einsatz von Social Media in der Politik "Fluch und Segen" sei. Zum einen komme man nah an die Menschen heran, zum anderen sei man direkt angreifbar.

Im Interview mit Dr. Alexandra Föderl-Schmid, der stellvertretenden Chefredakteurin der Süddeutschen Zeitung, erklärte Aigner, ungefilterte Twitter-Botschaften seien gut, um Bürger direkt zu erreichen, aber "kein Qualitätsjournalismus“. Sie setze daher auf die "Einordnungsfunktion der Medien“, die den kurzen Inhalt journalistisch aufbereiten müssten. Um die Kontrolle über die Verbreitung von Inhalten zu behalten, sei "jeder Post, der rausgeht“, mit ihr abgestimmt.

Sie habe eine enge Mitarbeiterin, mit der sie festlege, "was wo wann gesendet“ werde. Über diesen Weg kontrolliere sie auch die Reaktion der Nutzer:innen. "Inhalte, die demokratische Spielregeln überschreiten, werden herausgefiltert“, betonte Aigner.

 

 

Die Landesmedienanstalten von Bayern und Nordrhein-Westfalen haben in einer gemeinsamen Studie versucht, den Bundestagswahlkampf im Internet zu analysieren. BLM-Präsident Dr. Thorsten Schmiege verwies auf die Schwierigkeiten bei der Durchführung der Studie: "Wir bekommen von den Plattformen nicht die Daten, die wir bräuchten, um das Problem fassen zu können.“ Schmiege bezeichnete Verbote als verfrüht, vielmehr gelte es, Transparenz für die Nutzer:innen zu schaffen. Der BLM-Präsident hält auch wenig davon, das Problem nun in Brüssel "zu parken“, sondern plädierte für eine deutsche Initiative.

Auch Dr. Tobias Schmid, Direktor der Landesanstalt für Medien NRW, sieht die deutsche Politik gefordert. "Es kann doch nicht wie in den USA die Verantwortung über den Meinungsbildungsprozess einer Firma oder Plattform übertragen werden, vielmehr muss das die Gesellschaft entscheiden, da brauchen wir Gesetze, denn auch die Freiheit braucht Grenzen, sonst enden wir im Sozialdarwinismus.“

 

Was Deutschland schon getan hat

Vergessen darf man nicht: Wenn es um die Begrenzung der Marktmacht der großen global Online-Konzerne (Digital Giants) geht, hat Deutschland Pionierarbeit geleistet. Bereits 2013 leitete das Bundeskartellamt das erste Verfahren gegen Amazon ein.

Andreas Mundt, seit zwölf Jahren Präsident des Bundeskartellamts, plädierte deshalb bei den 35. Medientagen für die Beibehaltung der nationalen Zuständigkeiten und die bewährte Zusammenarbeit im Rahmen des European Competition Networks, dem alle Kartellbehörden der Mitgliedstaaten der EU sowie die Kartellabteilung der Europäischen Kommission angehören.

Damit sprach Mundt sich gegen aktuelle Tendenzen aus, die Durchsetzung des Rechts bei der europäischen Kommission zu zentralisieren. Ob Google, Apple, Facebook oder Amazon – die globalen digitalen Plattformen geraten immer stärker ins Visier der Wettbewerbshüter. Dies ist maßgeblich auf deren enorme Marktmacht zurückzuführen:

  • So ist Google mit einem Anteil von etwa 80 Prozent Weltmarktführer bei Suchmaschinen.
  • Apple hat mit dem iPhone Samsung als Marktführer im Smartphone-Geschäft abgelöst.
  • Facebook hat mit 2,8 Milliarden Nutzern die weltweit größte Community aufgebaut und kommt über alle Dienste – inklusive Instagram, WhatsApp etc. –  sogar auf 3,6 Milliarden Nutzer:innen.
  • Amazon ist Weltmarktführer im Online-Handel und expandiert in neue Geschäfte wie die Bereiche Cloud oder Werbung mit zuletzt 35 Prozent Wachstum.

In den USA addieren sich die Anteile von Google, Amazon, Facebook und Apple, für die das Akronym GAFA gebildet wurde, auf 50 Prozent des Werbemarktes und 84 Prozent des Online-Werbemarktes. Aktuell arbeiten die Plattformen an eigenen Ökosystemen für den Werbemarkt: Google mit dem Sandbox-Projekt und Apple mit App Tracking Transparency (ATT). Beide Unternehmen erklärten, dass sie ein privates Netz aufbauen und den Datenschutz stärken wollen.

Verschiedene Marktteilnehmer wie etwa die Verbände der Kommunikationsbranche in Deutschland sehen das anders und haben deshalb beim Bundeskartellamt Beschwerden gegen eine mögliche Monopolisierung der Daten eingereicht. Sie bekommen zunehmend Unterstützung durch die Politik:

  • In den USA haben die Staatsanwaltschaften mehrerer Bundesstaaten Klage gegen Google eingereicht.
  • Beispielsweise wurde Google in Frankreich bereits zu einer Strafe in Höhe von 220 Millionen Euro verurteilt.
  • In Großbritannien wird das Sandbox-Projekt bereits vorsorglich auf mögliche Verletzungen des Wettbewerbsrechtes geprüft.
  • In Deutschland gibt es derzeit neun juristische Verfahren gegen die vier Tech-Unternehmen, sechs davon wurden allein in diesem Jahr eingeleitet. Andreas Mundt erklärte, dass hierfür die Novelle des Wettbewerbsrechts ein wichtiger Baustein war.

Wenn wir in der Lage sind, das ungebremste Sammeln und uferlose Zusammenführen von Daten zu verhindern, dann ist dies eine Möglichkeit, die Dominanz dieser Unternehmen zu brechen.

Andreas Mundt, Bundeskartellamt

 

Um die nötige Kompetenz aufzubauen, hat das Bundeskartellamt die Zusammensetzung seiner Teams verändert. Heute gehören dazu neben Jurist:innen oder Ökonom:innen auch Mathematiker:innen oder Datenexpert:innen. Das Problem sind mangelnde Kapazitäten. "Wir haben enorme Ermittlungsbefugnisse und können hohe Strafen aussprechen, aber wir beobachten mit 400 Mitarbeiter:innen nicht nur die GAFAs, sondern die gesamte Wirtschaft“, sagte der Kartellamts-Chef und appellierte an die kommende Bundesregierung, das Personal weiter zu verstärken.

Von einer Zerschlagung der Konzerne hält Andreas Mundt indes wenig: "Dies ist ein sehr massiver Eingriff ins Eigentum, zudem dauern die Verfahren enorm lange – in USA erfahrungsgemäß zwischen 64 und 84 Monaten.“

 

MTM21-Gafa

Moderatorin Catrin Bialek, Handelsblatt, mit Dr. Christina Oelke, VAUNET, und Klaus-Peter Schulz. Zugeschaltet ist Andreas Mundt, Präsident Bundeskartellamt (Foto: MTM).

 


Die Video-Aufzeichnungen vieler Sessions der 35. MEDIENTAGE MÜNCHEN sind noch vier Wochen on Demand verfügbar.

Außerdem stehen die Zusammenfassungen wichtiger Panel-Diskussionen sowie Bildmaterial in der Mediathek der Medientage-Homepage und auch im Blog der Medientage bereit.

Die Medienthemen können auch gehört werden: im Podcast der Medientage München. Die nächste Ausgabe wird sich intensiv mit "Metaverse" befassen.

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