Den Zeitungsverlegerverband BDZV treiben allerlei Herausforderungen um, darunter die Themen Mehrwertsteuer, KI und Fair Search. Ein gemeinsames Dach mit dem Verband MVFP der Zeitschriftenverleger soll für mehr Schlagkraft sorgen. Auch die zahlreichen Austritte sind ein Thema. Dafür hat der neue BDZV-Hauptgeschäftsführer Jörg Eggers ein paar Ideen.
Herr Dr. Eggers, Sie sind seit 1. November Hauptgeschäftsführer des Bundesverbands Digitalpublisher und Zeitungsverleger, BDZV. Die Branche steht unter hohem wirtschaftlichen Druck. Was sind aus Ihrer Sicht die dringlichsten Themen?
Im Hinblick auf die EU-Kommission, die sich gerade neu formiert, sowie die anstehenden Bundestagswahlen, gibt es viele Themen. Dazu zählt der Umgang der internationalen Plattformen mit dem Copyright. Es geht um faire Erlöse für Verlage.
Der nächste Punkt lautet Fair Search: Verlage sollen hier nicht benachteiligt werden. Der Musterfall Google Shopping, der ganz maßgeblich durch den BDZV und den Zeitschriftenverlegerverband MVFP vorangetrieben wurde, hat gezeigt, wie wichtig rechtsverbindliche Grundlagen sind.
Zum Dritten der digitale Werbemarkt: Hier gab es für Verlage enorme Einbußen zugunsten von Google, Meta, TikTok in den letzten Jahren. Wir brauchen auch da Wettbewerbsbedingungen auf Augenhöhe.
Bald ist Weihnachten. Was wären Ihre Wünsche an die Politik?
Wir wünschen uns von der neuen Regierung, dass bei allen Gesetzgebungsverfahren, die eingeleitet werden, deren Wirkung auf Medien bedacht wird. Ein gutes Beispiel ist das Kinderlebensmittel-Werbegesetz. Eine Wiederaufnahme dieses Vorhabens würde für die Zeitungsbranche 200 Millionen Euro Verlust bedeuten, ohne dem Gesetzesziel einen Zentimeter näher zu kommen.
Außerdem wäre uns der Schutz der Verlage mit Blick auf KI-Sprachmodelle wichtig. Verlage stellen Qualitätsinhalte zur Verfügung, aber die Plattformen kommen der Transparenzpflicht nicht nach. Es ist doch klar, dass diejenigen, die Inhalte bereitstellen, also die Verlagsunternehmen, davon auch profitieren sollen.
Es ist nicht einzusehen, dass auf die Vermittlung von Nachrichten und Information überhaupt Steuern erhoben werden.
Dr. Jörg Eggers
Und wie sieht es mit dem Thema Mehrwertsteuer aus?
Die steht auch auf unserer Liste, denn es ist nicht einzusehen, dass auf die Vermittlung von Nachrichten und Information überhaupt Steuern erhoben werden. Der öffentlich-rechtliche Rundfunk in Deutschland zum Beispiel ist steuerfrei. Und auch in vielen unserer europäischen Nachbarländern beträgt die Mehrwertsteuer auf Presseerzeugnisse null Prozent oder ist zumindest sehr niedrig – niedriger auch als bei uns.
Im BDZV sind von der überregionalen Zeitung bis zur kleinen Lokalzeitung viele Häuser vertreten. Es gibt inzwischen Verlage, die die Zustellung der Printausgabe gestoppt haben. Wie ist die aktuelle wirtschaftliche Lage der Branche?
Die Vertriebserlöse sind im Durchschnitt stabil. Zugleich sind die Kosten zwischenzeitlich bei Zeitungsdruckpapier und Energie extrem in die Höhe geschossen. Auch bei der Zustellung sind die Preise drastisch angestiegen. Da die Druckauflage sinkt, wird die Verteilung pro Stück überproportional teurer, denn die Kosten bleiben gleich, egal ob in einer Straße nur eine Zeitung oder gleich zehn Exemplare verteilt werden.
Für manche Verlage ist das wirtschaftlich nicht mehr vernünftig darstellbar und sie suchen nach anderen Wegen, um ihre Abonnent:innen zu beliefern. Ausprobiert wird alles, die Ablage zur Abholung an einem zentralen Punkt ebenso wie die Zustellung per Drohne.
Vor 25 Jahren haben die Werbeeinnahmen noch zwei Drittel des Umsatzes ausgemacht.
Dr. Jörg Eggers
Wie steht es um die Werbeeinnahmen?
Sie haben sich weiter vermindert. Aktuell machen sie rund 20 Prozent des Umsatzes aus. Vor 25 Jahren waren es noch zwei Drittel und vor 20 Jahren immerhin noch die Hälfte.
Den Großteil der Werbeeinnahmen in Deutschland, Europa, weltweit teilen mittlerweile die internationalen Plattformen unter sich auf und beschädigen die privatwirtschaftlich organisierten nationalen Medienmärkte.
Im Herbst ist es Ihnen gelungen, eine Kooperation zwischen BDZV und dem Bundesverband der kostenlosen Wochenzeitungen (BVDA), dessen Geschäfte Sie seit 2011 führen, auf den Weg zu bringen. Was sind die zentralen Inhalte?
Eines schon mal vorweg: 80 Prozent der BVDA-Mitglieder sind auch Mitglied im BDZV. Die beiden Verbände haben in den vergangenen Jahren schon vielfach kooperiert. Beispielsweise bei den Themen Nachhaltigkeit und Logistik.
Der BDVA wird als Verband erhalten, die Mitarbeitenden wechseln zum Jahresanfang zum BDZV und erledigen die operativen Aufgaben als Dienstleister für den BVDA. So erzielen wir mehr Synergieeffekte und sparen Kosten.
Aktuell diskutieren wir deshalb auch mit den Unzufriedenen, die es vermutlich immer gibt, und mit den Nichtmehrmitgliedern über die besten Lösungen.
Dr. Jörg Eggers
Der BDZV hatte in den beiden vergangenen Jahren diverse Herausforderungen zu meistern. Es gab einige Austritte aus dem Verband. Wie stehen die Chancen, einzelne Mitglieder wieder zurückzuholen oder generell, neue zu gewinnen?
Ich bin zuversichtlich! Unsere Mitglieder erwarten zurecht, dass wir in ihrem Sinne Erfolge erzielen und gegenüber den verschiedenen Stakeholdern mit einer Stimme und klaren Botschaften auftreten. Davon profitieren auch die Nichtmitglieder, die für diese Erfolge nichts zahlen.
Wenn sich die Branche weiter entsolidarisiert, wird dies schlicht nicht mehr so möglich sein und am Ende verlieren alle. Aktuell diskutieren wir deshalb auch mit den Unzufriedenen, die es vermutlich immer gibt, und mit den Nichtmehrmitgliedern über die besten Lösungen.
Mit den Austritten entgehen dem Verband auch Gelder. Wie wollen Sie die fehlenden Einnahmen kompensieren?
Zum einen müssen wir schauen, bei welchen Maßnahmen wir sparen können. Es geht um die Frage: Worauf müssen wir uns fokussieren, beziehungsweise, was können wir weglassen.
Der Plan ist, verschiedene Angebote zu kostenpflichtigen Geschäftsmodellen zu machen. Ich denke da an Veranstaltungen oder Fortbildungen der Akademie, dafür werden wir künftig höhere Eintrittspreise verlangen müssen. Gleiches gilt auch für Plattformveranstaltungen. Es gilt zu differenzieren, was Kernmaßnahmen sind und was künftig zuzahlungspflichtig wird.
Wir wollen dieses gemeinsame Dach noch vor dem Start der neuen Regierung auf den Weg bringen.
Dr. Jörg Eggers
Burda-Vorstand und MVFP-Vorstandsvorsitzender Philippe Welte hat die Gründung eines übergeordneten Daches für die Verbände BDZV, MVFP angeregt, um der Branche in Berlin und Brüssel mehr Gewicht zu verleihen. Was ist der aktuelle Stand?
Wir wollen dieses gemeinsame Dach mit dem Arbeitstitel "Bündnis Zukunft Presse" Mitte Januar – und damit noch vor dem Start der neuen Regierung – auf den Weg bringen. Gut möglich, dass später auch noch andere Verbände dazu kommen. Wir versprechen uns davon, dass unsere jetzigen Ressourcen eine höhere Wirkung erreichen, sowohl in Brüssel als auch in Berlin.
Zur Person:
Dr. Jörg Eggers (Foto: BVDA, Bernd Brundert) steht seit 2011 an der Spitze des Bundesverbands kostenloser Wochenzeitungen (BVDA) in Berlin. Nach zwei Jahren bei der Europäischen Kommission in Brüssel und anschließenden Tätigkeiten in der wissenschaftlichen Politikberatung auf europäischer Ebene war er von 2008 bis 2011 stellvertretender Geschäftsführer des Bundesverbands der ölsaatenverarbeitenden Industrie in Deutschland (OVID).
Eggers ist ausgebildeter Business Trainer und zertifizierter Organisationsentwickler. Er hat unter anderem ein Studium der Wirtschafts- und Sozialwissenschaften des Landbaus absolviert und im Bereich der Ressourcenökonomie zum Thema "Institutioneller Wandel" promoviert.
Die Zusammenfassungen wichtiger Panel-Diskussionen sowie Bildmaterial der 38. MEDIENTAGE MÜNCHEN stehen in der Mediathek der Medientage-Homepage und im MTM-Blog bereit. Dort kann auch der wöchentliche Blog-Newsletter abonniert werden.
Die Medienthemen können auch gehört werden: im Podcast der MEDIENTAGE MÜNCHEN.
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