Live am Mikro gepatzt? Den Social-Media-Post verbockt? Die neueste Marketing-Maßnahme in den Sand gesetzt?
Kein Schaden ohne Nutzen: Aus Fehlern kann und sollte man lernen. Eine gesunde Fehlerkultur in Sendern ist wichtig. Über "Lessons Learned" wird unter anderem Annika Sesterhenn bei den LOKALRUNDFUNKTAGEN 2024 sprechen. Die Programm-Managerin ist seit 2012 beim Berliner Rundfunk 91.4 – und hat dort viel gelernt.
"Die besten Fehler des Jahres und was wir daraus gelernt haben": Was hast du dir gedacht, als wir dich für diese Session der #LRFT24 angefragt haben?
Erstmal musste ich herzlich lachen. Die Anfrage, als Speakerin bei Euch dabei zu sein, kam zwei Tage, nachdem ich den neuen Titel Programm-Managerin bekommen hatte. "Gerade befördert worden und schon soll ich über Fehler reden?!" – habe ich mir da gedacht.
Aber dann habe ich gemerkt, was das für ein cooles und wichtiges Thema ist. Viel zu oft wird ja nur großspurig und selbstverliebt über Erfolge berichtet, dabei kann man aus einer gesunden Fehlerkultur und Selbstreflektion so viel lernen. Ich freue mich total, zu diesem Thema als Speakerin bei den Lokalrundfunktagen dabei sein zu dürfen.
Wie geht Ihr im Sender mit Fehlern um?
Menschen, die behaupten nie Fehler zu machen, finde ich persönlich vor allem eins: dubios. In Berlin gibt’s zu solchen fehler- und makellosen Charakteren einen schönen Spruch: „Mensch ohne Macke – Kacke“. Haha.
Fehler machen gehört dazu. Gerade jungen Moderator:innen, die am Anfang ihrer Karriere stehen, sagen wir immer: "Spring ins kalte Wasser und wenn dabei etwas schief geht, dann geht’s eben schief." Nichts ist schlimmer, als Moderator:innen oder Redakteur:innen, die aus Angst vor Fehlern, immer nur ganz korrekt und damit automatisch auch langweilig schreiben oder moderieren. Gerade On Air sind Fehler – kleine Versprecher, Zögerer, Faden-Verlierer – auch Hinhörer.
Stetige Angst vor Fehlern blockiert auf Dauer nur die Kreativität.
Wir arbeiten bei uns im Team immer nach dem Vier-Augen-Prinzip und brainstormen für kreative Themen viel in größeren Runden, und da gehört es zu unserer Teamkultur auch dazu, dass wir über Irrtümer oder Fehler auch mal gemeinsam ablachen können.
Von der Pike auf gelernt beim Berliner Rundfunk – und neuerdings im Management als Programm-Managerin! Bei deiner Karriere scheinst du vieles richtig gemacht zu haben. Welche Rolle spielte auf deinem Weg eine gesunde Fehlerkultur?
Ich hatte das große Glück, in meiner Radio-Karriere immer selbst Chefs gehabt zu haben, die mich haben machen lassen. Als Moderatorin ist mir alles selbst On Air passiert, was eben so passieren kann: Faden verloren, Sendeloch gefahren, falschen O-Ton abgedrückt, Lachanfall, Heulanfall …
Es war alles dabei und es gab nie großen Ärger dafür. Dafür bin ich sehr dankbar und diese Fehlerkultur möchte ich unbedingt so beibehalten. Ich bin davon überzeugt:
So ein lockerer und tiefenentspannter Umgang mit Fehlern macht Mut und macht stark und man lernt vor allem, sich selbst nicht zu wichtig zu nehmen.
Auch als Chefin vom Dienst, als Redaktionsleiterin und jetzt als Programm-Managerin habe ich schon Fehler gemacht und werde sicherlich auch in Zukunft Fehler machen. Ich finde es wichtig, gerade als Führungskraft Fehler einzugestehen, Fehler im Team zu besprechen und auch mal zu sagen: "Leute, gerade weiß ich auf Anhieb auch keine Lösung, lasst uns zusammen nach einer suchen."
Wenn man sein Team auf die Reise mitnimmt und klar macht, dass Ideen immer gerne gehört werden, kommen oft überraschende und tolle Lösungsansätze dabei heraus und vor allem einigt man sich auf Pläne, hinter denen dann das Team dann auch geschlossen steht.
Würdest du dich als Role Model für den Radionachwuchs sehen?
Ich finde den Begriff Role Model irgendwie schwierig, weil der so impliziert, dass man etwas nachmachen soll.
Ich wünsche mir viel eher, dass künftige Radio-Personalities vor allem lernen, bei sich zu bleiben, ihre eigene Uniqueness auszustrahlen, ihr eigenes Ding zu machen.
Rein vom Weg der Karriere, die mir das Unternehmen möglich gemacht hat – von der Praktikantin und Volontärin zur Redakteurin, Moderatorin, Chefin vom Dienst, Redaktionsleiterin und schließlich Programm-Managerin – hoffe ich natürlich, dass das auch eine Motivation und Inspiration für Mitarbeitende sein kann, zu sehen: Es ist ganz viel möglich, wenn man weiß, was man will. Durchaus auch ohne das Unternehmen zu wechseln.
Welche Tipps kannst du Radiomacher:innen generell ans Herz legen?
Die Angst vorm Fehler Machen ist oft viel schlimmer und größer, als das was wirklich passiert, wenn man einen Fehler macht. Seid mutig und für den Rest gilt: Es versendet sich!
Zur Person:
Annika Sesterhenn ist Programm-Managerin beim Berliner Rundfunk 91.4. Sie ist eine "hauseigene Pflanze" des Privatradios. 2012 begann sie beim Privatsender ihr Volontariat in der Redaktion, moderierte ab 2014 die Drive-Time, wurde 2020 Chefin vom Dienst und 2022 Redaktionsleiterin "Tag des Senders" und ist seit 1. Mai Programm-Managerin.
Gemeinsam mit Berliner-Rundfunk-Nachrichtenchef Sebastian Pasutti moderierte sie zudem den regionalen, News-lastigen Berliner-Rundfunk-Podcast „Die Woche in Berlin“.
Sesterhenn, die ihr Studium der Literatur- und Sprachwissenschaft der spanischen Philologie und Arabistik an der FU abgeschlossen hat, war zunächst als freie Redakteurin beim Berliner Stadtmagazin tip beschäftigt und hat mehrere Jahre als professionelle Sängerin gearbeitet.
Der diesjährige Termin für das Klassentreffen des lokalen und regionalen Rundfunks steht: Am 25. und 26. Juni finden die LOKALRUNDFUNKTAGE 2024 im NCC Mitte NürnbergMesse statt. Am Dienstag können sich Interessierte unter anderem in der Session "Lessons Learned – Die besten Fehler des Jahres und was wir daraus gelernt haben" über die unterschiedlichsten Formen des Umgangs mit Fehlern informieren.
Interessiert an weiteren Themen? Dann steht der Blog der Medientage für Euch bereit. Die Medienthemen können auch gehört werden: im Podcast der Medientage München.
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