Ernstes, Humorvolles, viel Medienpolitik, Finanzen und tolle Speaker: Für die Besucher:innen der 38. MEDIENTAGE MÜNCHEN ist am Freitag nochmals ein facettenreiches Programm im House of Communications geboten worden. An einem Tag, an dem die Medienpolitik über die Zukunft der Öffentlich-Rechtlichen beriet und die Welt bange auf das Ergebnis der nahenden US-Wahl blickte. Hier eine Momentaufnahme von Tag 3 der #MTM24.
Wie gehen Medien, Gesellschaft und Politik mit "Alternative Facts" um? Diese Wortschöpfung von Kellyanne Conway, der damaligen Beraterin von Ex-US-Präsident Donald Trump, prägte eine hochkarätige besetzte Runde zum Thema „Fake News und Desinformation“ im Rahmen der MEDIENTAGE MÜNCHEN.
Dr. Fabian Mehring, Bayerischer Staatsminister für Digitales machte eine „Verlagerung des politischem Diskurses heraus aus den linearen Medien“ aus. Heute gelte für die Öffentlichkeitsarbeit der Politik der erweiterte Dreiklang: „BILD, Bams, Glotze – und Social Media.“ Tatenlosigkeit sei keine Lösung, so der Tenor der Runde, bei der auch Manfred Weber, (Foto: Medien.Bayern GmbH) EVP-Partei- und Fraktionsvorsitzender im Europäischen Parlament, Google-Managerin Sabine Frank, Markus Knall, Chefredakteur von Ippen.Media mit BR-Chefredakteur Christian Nitsche sprachen.
Foto: Medien.Bayern GmbH
Weber nannte diese „Schlacht: fundamental“, zumal KI die Entgleisungen im Netz vervielfacht. Fake News und gezielte Desinformation sei längst fester Bestandteil des Diskurses, gesteuert von Akteur:innen, die sich mittels der Einflussnahme auf die öffentliche Meinung einen persönlichen Vorteil versprechen. Und das teilweise gezielt gesteuert aus dem Ausland.
Sabine Frank stufte Fact Checking als wenig effizientes Instrument ein, um die Welle an Desinformation abzuflachen. „Wir müssen vor die falsche Information kommen, daher setzen wir auf Prebunking“, meinte die Google-Managerin.
Weichenstellungen für ARD und ZDF während der #MTM24
Neben den Weichenstellungen für den Journalismus in Zeiten von KI, Multikrisen und Desinformation stand auch seine Finanzierung am MTM-Freitag zur Diskussion. Allen voran die Frage, wie der öffentlich-rechtliche Rundfunk in welchem Umfang und mit welchen Aufträgen künftig aus dem Rundfunkbeitrag der deutschen Haushalte gespeist werden soll.
Und seit Freitagmittag steht fest: Umfangreiche Reformen wurden beschlossen, um effizientere Strukturen zu schaffen und Kosten einzusparen, auch mit Blick auf die Entwicklung des Rundfunkbeitrags. So soll die Zahl der ARD-Radioprogramme nun in der Tat sinken. Ebenso sollen kleinere, lineare TV-Sender der Öffentlich-Rechtlichen wegfallen.
Der Rundfunkbeitrag wird indes vorerst nicht erhöht und bleibt bei 18,36 Euro pro Monat. Die Ministerpräsidenten verschoben bei ihrem Treffen in Leipzig die Entscheidung zur Finanzierung von ARD und ZDF. Laut dpa soll im Dezember weiter beraten werden.
Die offene Frage des künftigen Rundfunkbeitrags könnte übrigens erneut vor dem Bundesverfassungsgericht landen, wenn die Öffentlich-Rechtlichen klagen. Denn die neue Beitragsperiode beginnt am 1. Januar 2025 und der nun ausgebremste Vorschlag der Beitragskommission KEF sah vor, dass der Rundfunkbeitrag zum Jahreswechsel von 18,36 Euro um 58 Cent auf 18,94 Euro steigen sollte. Bisher nehmen ARD, ZDF und Deutschlandradio rund neun Milliarden Euro pro Jahr aus den Haushaltsabgaben ein; auch die Landesmedienanstalten werden aus dem Beitragstopf finanziert.
Damit die Reformen greifen können, müssen noch alle Landtage zustimmen. Die Reform könnte nach früheren Länderangaben von Sommer 2025 an umgesetzt werden. Diese Lösung – Reformen vor der künftigen Beitragshöhe – entspricht übrigens den Wünschen, die zuletzt Bayerns Ministerpräsident Markus Söder bei der Eröffnungsveranstaltung der MEDIENTAGE MÜNCHEN 2024 ausgesprochen hatte.
Wo kommt künftig die Kohle her?
Wie sich privatwirtschaftliche Medienhäuser künftig finanzieren können, thematisiert ein aktuelle Studie von XPLR: MEDIA in Bavaria, eine Schwesterinitiative der MEDIENTAGE MÜNCHEN innerhalb der Medien.Bayern GmbH. Die Ergebnisse wurden von Dr. Cornelia Wallner und Dr. Bartosz Wilczek, Wissenschaftler:innen an der LMU, vorgestellt.
In der Diskussionsrunde zur Studie mit Michael Husarek, Chefredakteur der Nürnberger Nachrichten, Johannes Ott, Geschäftsführer von Radio Gong 96.3 in München und
Petra Winter, Gesellschafterin und Chefredakteurin der Beautiful Minds Media, bestätigten sich die Ergebnisse des Forschungswerke, wonach nachlassende Erlösen aus den klassischen Quellen Werbung und Abonnement mit mehr und mehr Umsätzen aus der „Diversifizierung“ kompensiert werden können bzw sollen.
Foto: Medien.Bayern GmbH
Will heißen: Auf die bereits etablierten Paid-Modelle im Netz sollen sich der Studie zufolge bevorzugt Erlöse aus Dienstleistungen im Bereich Druck oder Events, aus Merchandising, E-Commerce oder auch Content Syndication addieren. Der Journalismus nähert sich damit immer mehr seiner Quersubventionierung … Daneben ist das Gebot der Stunde: Allianzen, um gemeinsam Strukturen aufzubauen und Kosten zu sparen.
Mit den Leuten in den Dialog treten!
Von der Krux, dass bei all der Desinformation die meisten Menschen zwar den Medien noch vertrauen, aber davon ausgehen, dass es die anderen nicht mehr tun, berichtete Dr. Nils C. Kumkar, SOCIUM der Universität Bremen, zum Auftakt des Journalism Summit. Dieses Phänomen nennt die Wissenschaft „Vertrauenskrise zweiter Ordnung“. Faktenchecks allein würden dagegen wenig ausrichten. „Viel mehr Information“ sei vonnöten, so Kumkar. Dazu passte der Titel der traditionellen MEDIENTAGE-Abschlussveranstaltung: „Reality Under Construction – Qualitätsjournalismus zwischen Anspruch und Wirklichkeit“. Sie drehte sich um die Frage, wie Journalismus das Vertrauen der Menschen zurückgewinnen und bewahren kann.
Was beschäftigt jene, die über den Informationsfluss in den Medien entscheiden? Dr. Helge Fuhst, der an der Spitze von ARD-aktuell und immer wieder vor der Kamera der ARD-Tagesthemen steht, betonte, dass vor allem der Umgang mit der Desinformation im Mittelpunkt stehe, die Art wie etwa über erkennbare „alternative Fakten“ berichtet werde. Doch wie sollen Medien mit jenen umgehen, die gezielt den Weg vor Mikros und Kameras suchen, um ihre Parolen abzusondern? „Immer wieder zeigen: Wir geben Euch eine Plattform, aber nennt dort Euere Lösungen“, riet Dr. Gregor Peter Schmitz. Der stern-Chefredakteur bezweifelte, dass sich demokratiegefährdende Parteien selbst entzaubern würden.
Sonja Schwetje, die an der Spitze des werbefinanzierten RTL-Nachrichtensenders ntv steht, berichtete bei der Runde, dass ihr Team viel Diskussionsbedürfnis habe, um den Anspruch an journalistische Standards mit persönlichen Vorbehalten gegenüber radikalen Meinungen in Einklang zu bringen. Denn: „Meinungsfreiheit ist unser höchstes Gut“, hielt die TV-Managerin fest.
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Nochmals zurück zum Thema Vertrauen: Wir alle, auch Medienleute, haben uns weit von der Gefühlslage der Menschen entfernt. Ein Unbehagen, das sich in der Folge breit macht bei den vermeintlich Abgehängten, würde in der Folge klug genutzt von Parteien, die sich als Heimat dieser Menschen positionieren: Diese Erklärung leitete die österreichische Politikwissenschaftlerin Natascha Strobl her, um den regen Zulauf zur AfD zu erklären.
Brenzlig wird es zunehmend für Journalist:innen bei ihrer Arbeit vor Ort: „Eine Recherche ist in so manchem Zeitpunkt nur noch der Zündfunke, um aufgebrachten Menschen zu signalisieren ‚Jetzt geht es richtig los!‘“, so Justus von Daniels vom Rechercheverbund CORRECTIV. Er plädierte dafür, den Menschen stärker im Analogen zu signalisieren: „Wir machen das für Euch!“ So ließ sich auch die Aktion von CORRECTIV erklären, dass das Team mit dem Klappstuhl vor Rathäuser zieht und ein Forum bietet für Gespräche. Strobl, die das Kippen von Social Media von einem Raum des Austauschs hin zum Ort der Hetze skizzierte (Schmitz: „Wir alle haben uns furchtbar getäuscht in der Wirkung von Social Media.“), stimmte der Prognose Von Daniels‘ zu: „Im analogen Raum liegt eine gute Zukunft für den Journalismus.“
Was noch zu erwähnen ist ..
Wie sehr die US-Wahl gerade im Mittelpunkt des globalen Interesses steht, machten auch diverse Sessions im Verlauf der MEDIENTAGE MÜNCHEN 2024 deutlich. Die Sorge vor den Folgen für Demokratie, Gesellschaft und auch Medien, sollte der Republikaner Donald Trump am 5. November zum zweiten Mal ins Amt des amerikanischen Präsidenten gewählt werden und die demokratische Mitbewerberin Kamala Harris unterliegen, lag über vielen Diskussionen. Und so waren die beiden Kandidat:innen sehr präsent bei den #MTM24 ..
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Volontär:innen der Mediengruppe Pressedruck begleiteten per Liveticker die 38. MEDIENTAGE MÜNCHEN. Die Eindrücke des Nachwuchses aus den Häusern Augsburger Allgemeine, Mediengruppe Main-Post, Allgäuer Zeitungsverlag GmbH und SÜDKURIER sind hier zu finden.
Natürlich kommen die MEDIENTAGE MÜNCHEN wieder: Der 22. bis 24. Oktober 2025 sollte schon einmal für die #MTM25 reserviert werden!
Die Zusammenfassungen wichtiger Panel-Diskussionen sowie Bildmaterial der 38. MEDIENTAGE MÜNCHEN stehen in der Mediathek der Medientage-Homepage und auch im MTM-Blog bereit.
Die Medienthemen können auch gehört werden: im Podcast der MEDIENTAGE MÜNCHEN.
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