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Die Münchnerin Daphne Ferraro ist Headautorin der international erfolgreichen Amazon-Serie "Maxton Hall – Die Welt zwischen uns". Die Reihe wurde unter anderem mit einem Blauen Panther für das beste Headwriting ausgezeichnet. Im Interview erklärt die HFF-Absolventin, wie man einen Buchbestseller ins Streaming bringt. Und im Rahmen des MTM-Specials Future Video 2025 wird Daphne Ferraro am 1. April im House of Communication tiefe Einblicke geben in die Kunst des Storytellings ...
Ihre Serie "Maxton Hall" war der erfolgreichste Neustart eines nicht-amerikanischen Originals in der Geschichte von Prime Video: Sie erreichte in mehr als 120 Ländern Platz eins der Prime-Video-Charts. Was macht den Erfolg der Serie aus?
Hier hat einfach vieles gestimmt. Die Regie, der Look der Serie, die Produktion und natürlich auch unser Wahnsinns-Cast. Und nicht zu vergessen der Umstand, dass sich viele Menschen in dieser sorgenvollen Zeit nach Eskapismus sehnen.
Zudem bekommen Geschichten, die, wie Maxton Hall, auf ein weibliches Zielpublikum ausgerichtet sind, endlich den Platz im breiten Kanon zugewiesen, den sie verdienen – das war wie Lightning in a Bottle.
Als Vorlage diente ein Bestseller. Wie transportiert man so einen Stoff in eine Serie für Streaming und/oder TV?
Ich muss gestehen, dass ich das Buch nicht kannte, bis es mir von der Produktionsfirma vorgelegt wurde, habe es aber dann schnell verschlungen. Besonders gefallen hat mir die Idee, an einem Stoff zu arbeiten, in dem eine Liebesgeschichte im Zentrum steht – davon werden in Deutschland nicht viele entwickelt.
So eine Adaption ist wie ein Übersetzungsprozess, es geht also darum, das Wesen der Geschichte einzufangen. Als leidenschaftliche Leserin ist mir sehr wichtig, nah am Ursprungsmaterial zu bleiben und die emotionalen Kernmomente der Geschichte zu schützen.
Aber Seriendrehbücher brauchen eine andere Struktur als ein Roman, weil zum Beispiel die inneren Monologe, die die Figuren im Roman austragen, auf dem Bildschirm nicht sichtbar zu machen sind, oder prägnante Cliffhanger am Ende der Episoden eingearbeitet werden müssen, damit die Zuschauerschaft am Ball bleibt.
Sie waren bei Maxton Hall Headautorin. Wie sieht der konkrete Entstehungsprozess eines Drehbuches aus?
Als Headautor:in ist man zu Beginn der/die kreative Visionsträger:in und entwickelt einen eigenen Ansatz dafür, wie die Geschichte im Serienformat Gestalt annehmen soll.
Im nächsten Schritt entsteht dann eine so genannte Serienbibel. Darin werden unter anderem die Entwicklung Charaktere über den Verlauf der Staffel und die Episodenstrukturen skizziert.
Dann geht es an das Pilotbuch, also das Drehbuch für Episode 1. Sobald basierend darauf dann das Greenlight vorliegt, geht es an die Arbeit an den weiteren Episodendrehbüchern.
In einem Writers Room fließen durch die Beteiligten verschiedene Perspektiven und für einen selbst unerwartete Ideen ein.
Daphne Ferraro
Für Maxton Hall wurde ein Writers Room eingerichtet, das heißt, es haben mehrere Autor:innen an den Drehbüchern mitgeschrieben. Kann man tatsächlich die Kraft der vielen Köpfe addieren?
Die Arbeit im Writers Room ist immer wieder ein sehr spannender Prozess, denn es fließen durch die Beteiligten verschiedene Perspektiven und für einen selbst unerwartete Ideen ein. Im Grunde ist es eigentlich ein Idea Room, in dem leidenschaftlich über Figuren und Plot diskutiert wird. Im Anschluss legen die Autor:innen erste Würfe für die Episodendrehbücher vor. Und dann liegt es an mir als Headautorin, die unterschiedlichen Stimmen in einen sprachlichen und inhaltlichen Fluss zu bringen.
Ich hatte auch während des Schreibprozesses viele fruchtbare Gespräche mit der Regie sowie der Produktion, sodass die gemeinsame Vision für die Serie früh auf einen Nenner kam.
US-Plattformen stehen ja im Ruf, nicht mehr als ein Jahr Zeit zu geben von der Drehbuchidee bis zur Postproduktion. Da müssen sich auch Autor:innen sputen. Wie sehr setzt das unter Druck?
Diese Prozesse sind tatsächlich sehr stark durchgetaktet. Und ja, es ist definitiv stressig, zu wissen, dass man bis zum Abend noch 25 Seiten schreiben oder überarbeiten muss. Aber ab einem gewissen Punkt nehmen so viele Gewerke parallel die Arbeit auf, um den Dreh vorzubereiten, dass es einfach nicht anders geht.
Und wenn man sich über eine so lange Zeit so intensiv mit den Figuren beschäftigt hat, kommt man irgendwann in einen fast berauschenden Flow, in dem das Schreiben dann auch leicht von der Hand geht.
Wie viel hat gutes Storytelling mit Instinkt und Bauchgefühl, aber auch mit Handwerk zu tun?
Für mich persönlich kommt Instinkt vor Handwerk, denn das, was uns in Geschichten wirklich berührt, hat meist viel mit dem Bauch und wenig mit dem Kopf zu tun, wie das Innenleben der Charaktere, an die wir emotional andocken. Das Handwerk bildet da lediglich den Rahmen. Aber klar, der muss auch stimmen.
Dennoch würde ich sagen, das Wertvollste beim Schreiben ist der ganz persönliche kreative Instinkt, durch ihn wird eine Geschichte authentisch und ansprechend.
Für den Erfolg in der Branche braucht es immer zwei von drei Dingen: Geld, Ahnung oder Manieren.
Daphne Ferraro
Und wie kommt man an Drehbuch-Projekte beziehungsweise wie wichtig ist das Netzwerken?
Ich bin nicht der Typ Mensch, der gern auf Branchenpartys mit einem Glas Sekt in der Hand herumsteht und Small Talk macht. Idealerweise lässt man seine Arbeit für sich sprechen und das zieht die richtigen Menschen an.
Mein Professor für Drehbuch, Michael Gutmann, gab uns Folgendes mit auf den Weg: Für Erfolg in der Branche braucht es immer zwei von drei Dingen: Geld, Ahnung oder Manieren. Solange Ihr mindestens zwei davon besitzt, werdet Ihr Euren Weg machen.
Sie sind zweisprachig aufgewachsen und schreiben inzwischen auch für den US-Markt. Wie sehr unterscheiden sich die beiden Länder aus Sicht einer Drehbuchautorin?
Ich stehe, was die Arbeit in den USA angeht, noch am Anfang. Ich habe aber bereits gelernt, dass es in Amerika sehr auf den mündlichen Pitch und die Fähigkeit, sich als Mensch zu verkaufen, ankommt. In Deutschland dagegen kann man sich viel mehr auf das geschriebene Werk stützen.
Was die Vergütung anbelangt, wird hier mehr Geld ins Development gesteckt. In Amerika werden Verträge erst beim Verkauf einer entwickelten Idee geschlossen – wenn das nicht passiert, geht man leider leer aus.
Zur Person:
Daphne Ferraro lebt und arbeitet als Drehbuchautorin in München. Die gebürtige Dänin schloss ihr Drehbuchstudium an der Hochschule für Fernsehen und Film München (HFF) 2017 mit dem historischen Drama TERRA MURATA ab, das mit dem FIRST STEPS Drehbuchpreis 2017 ausgezeichnet wurde. Daraufhin wirkte sie an dem deutschen Netflix-Hit "Dark" mit, schrieb das Drehbuch zu Katja von Garniers Kinofilm "Fly" und arbeitete zuletzt als Headautorin an der High-End-Serie "Maxton Hall – die Welt zwischen uns" für Prime Video Deutschland, die schon kurz nach ihrem Release im Mai 2024 zur erfolgreichsten internationalen Serienproduktion in Prime Videos Geschichte wurde.
Daphne Ferraro arbeitet mit zahlreichen Produktionsfirmen zusammen, entwickelt Kino- und Serienstoffe und ist als freie Dozentin tätig. Ihre Familie ist über ganz Europa verstreut – die Kreative spricht fließend Deutsch, Dänisch, Englisch und Italienisch.
#BigScreenVideo!
Alles wächst auf dem großen Bildschirm zusammen: Fernsehen und Streaming sind schon da, Social TV und Gaming ziehen nach, Zukunftsmodelle richten sich danach aus. Der Big Screen wird zur zentralen und vernetzten Anlaufstelle für Publikum, Publisher und Promotion. Mit Folgen für Menschen, Medien und Marken, für Media- und Business-Modelle, für die Infrastruktur, Produzenten oder auch die Technologiehersteller.
Darüber wollen wir beim #MTM SPECIAL FUTURE VIDEO 2025 sprechen!
Die Konferenz findet am 1. April 2025 im House of Communication in München statt und widmet sich der Zukunft von Video: Auch Rezepte für vielversprechende Inhalte stehen auf dem Programm von #FuVi25. Daphne Ferraro zählt zu den Expert:innen des Events!
Mehr Lesenswertes rund um die Themen der MEDIENTAGE MÜNCHEN steht im Blog der Medientage bereit. Inspirierendes kann auch gehört werden: im Podcast der MEDIENTAGE MÜNCHEN.
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