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"Natürlich können Marken etwas bewegen!"

19. September 2023

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Die Konsumstimmung ist im Keller und die Menschen blicken pessimistisch in die Zukunft. Kaum jemandem wird noch zugetraut, das Ruder herumzureißen. Können Unternehmen und Marken die Stimmung drehen? Welche Werte sollten sie jetzt vermitteln?
Darüber spricht Ines Imdahl, Diplompsychologin und Inhaberin des Marktforschungsunternehmens Rheingold Salon, im Rahmen der MEDIENTAGE MÜNCHEN 2023 und im Interview mit dem MTM-Blog.

 

Krisenmarathon und Konjunkturflaute erschüttern das Vertrauen in die etablierten Parteien und bereiten den Boden für die Spaltung der Gesellschaft. Mit anderen Worten: Die Stimmung ist mies.

Ja, das ist sie. Immer wenn den Menschen die Methoden zur Krisenbewältigung ausgehen, wenn sie merken, sie kommen nicht mehr weiter, obwohl sie schon viel versucht haben, gibt es noch einmal eine kleine Gegenbewegung: Sie nehmen mit, was mitzunehmen ist, fahren noch einmal in den Urlaub oder bauen eine neue Heizung ein. Als ob noch alles in Ordnung wäre, versuchen sie die Ruhe vor dem Sturm auszudehnen, abzuwarten und nichts zu ändern. Nach dem Motto: Es wird schon schiefgehen.

Das ist ein Zustand, der dazu führt, dass es im Inneren anfängt zu brodeln und die Unruhe steigt. Diese Unzufriedenheit merken wir zunehmend als Unmut in unseren Interviews. Selten ist so viel über alle politischen Ausrichtungen, egal ob Opposition oder Regierung, geschimpft worden.

Und wegen dieses Unmuts können sich Rechtspopulisten als Anwälte des vermeintlichen Volkswillens in Position bringen?

Es gibt diesen Unmut, ja. Es gibt aber gleichzeitig dieses Abwarten, Stillstehen wie ein Kaninchen vor der Schlange. Auch die Unternehmen sind in diesem Verharrungsmodus. Viele fragen sich, ob sie nicht doch noch ein bisschen wachsen können, indem sie weitermachen wie bisher.

Wenn weder die Menschen noch die Unternehmen oder die Politiker, die an der Macht sind, eine echte Zukunftsvision haben, dann ist es ein Paradoxon, dass ausgerechnet eine rechtspopulistische Partei das eigentliche Zukunftsbild in die Öffentlichkeit bringt. Diese Partei erscheint vielen als die einzige, die etwas anders machen will, die eine Vision für die Zukunft hat, auch wenn diese nicht demokratisch ist.

Der Zug ist nicht deshalb so stark, weil alle plötzlich rechts geworden sind, sondern weil der Eindruck entsteht, alle anderen verharren und machen mehr desselben.

 

Welche Rolle spielen Marken und Werbung in dieser Situation?

Eine riesengroße Rolle. Der Glaube an die Politik ist weitgehend weg, der in die westlichen Religionen auch. Aber wir wissen aus Studien, dass viele Menschen noch an die Unternehmen glauben.

Warum also nehmen nicht die Unternehmen die Zukunft in die Hand und entwickeln neue Modelle und Visionen?

Ines Imdahl, Rheingold Salon

Sie können den Menschen die Hoffnung geben, die sie erwarten und verdienen, in der Werbung, aber auch in neuen Narrativen rund um das Thema Purpose.

 

Wie könnte das aussehen?

Viele Menschen haben gerade während der Krise bei der zunehmenden Auseinandersetzung mit dem Thema Nachhaltigkeit bemerkt, dass es ganz schön schwer ist, etwas zu verbessern. Vor ein paar Jahren noch hat man mit dem Zeigefinger auf Unternehmen gezeigt, die behauptet haben, sie seien nachhaltig und das nicht für alle Bereiche zutreffend war.

Heute reden die Menschen kaum noch über Greenwashing. Sie sehen, wenn sich Unternehmen bemühen und einzelne Schritte in Richtung Nachhaltigkeit gehen. Die Konsument:innen erwarten keine hundert Prozent. Sie denken: So lange die Unternehmen das ein bisschen besser machen als ich, kann ich mich daran orientieren und quasi folgen.

Übersetzt auf die aktuelle Entwicklung bedeutet das: Jedes Unternehmen, das kleine Schritte in Richtung Zukunft und Veränderung geht, weg vom reinen Wachstum, kann jetzt ein Leuchtturm und ein Guide für die Menschen sein.

Ines Imdahl, Rheingold Salon

 

 

Gerade versucht sich ja jeder an denselben Themen: Nachhaltigkeit, Diversität, Inklusion und Body Positivity. Wie findet man denn heraus, welche Werte zur Marke passen?

Wir machen das eigentlich seit 30 Jahren, gemeinsam mit Kund:innen herauszufinden, wofür ihre Marke steht und was die Kernmotivation war, ein Unternehmen zu gründen. Keiner gründet eine Firma, um Geld zu verdienen. Das ist übrigens gar nicht erlaubt. Man muss einen anderen Unternehmenszweck haben. Auch Nachhaltigkeit ist ein Hygienefaktor und kein Unternehmenssinn, genauso wenig wie Diversity, Inklusion oder Body Positivity. Jedes Unternehmen muss Geld verdienen und dabei nachhaltig wirtschaften. Der Sinn dahinter ist aber vielleicht, bequeme Schuhe herzustellen, die noch dazu schön sind.

Die Kernfrage muss lauten: Wie schaffe ich einen psychologisch relevanten Mehrwert im Alltag der Menschen. Diesen Wert haben fast alle Unternehmer bei ihrer Gründung vor Augen. Oft geht er aber verloren, weil Wachstumsziele und Controlling in den Vordergrund rücken. Jahresziele sind dann zum Beispiel fünf Prozent Wachstum, mehr Frauen in der Führung und Inklusion.

Ich freue mich, dass viele Nachhaltigkeitsziele für sich entdecken. Sie sind ein Must-have, aber überhaupt nicht differenzierend. Der Unternehmenssinn muss weit darüber hinausgehen.

 

Viele sind auf Sinnsuche, aber wenn Sie Unternehmen nach ihrem Purpose fragen, haben die meisten keine Ahnung. Hängen die alle noch in den 1990er-Jahren fest?

Ja, die meisten schon. Es geht noch immer ums "Wallstreeten", Gewinne zu steigern und Investoren zu befriedigen. Aber wenn man fragt, was ist Ihr Purpose, was wollen Sie bewegen, was zeichnet Ihr Unternehmen aus, kommt meistens nicht viel. Jeder macht irgendetwas mit Qualität, Tradition und Innovation, egal um welche Branche es geht.

Wir arbeiten mit vielen Unternehmen an möglichen Zukunftsnarrativen. Dabei geht es darum, Unternehmenserfolg individuell umzudefinieren.

Wir alle müssen wieder etwas anderes wollen als mehr, mehr, mehr.

Ines Imdahl, Rheingold Salon

 


In der Werbung geht es oft um Diversity und Body Positivity. Die Darstellerinnen sind divers, mehrgewichtig, megasportlich, können trotz Periode alles und begeistern Yogaprofis mit ihren „Moves fürs Klima“. Gibt es da etwas gutzumachen oder ist das ein bisschen drüber?

Das ist komplett drüber und die Werbung hat hier nichts gelernt. Es geht weiterhin um Perfektion, selbst wenn ich ein bisschen zu viel auf den Rippen oder meine Periode habe. Das ist die Fortsetzung einer Form der Werbung, die wir schon in den 1980er-Jahren hatten. Damals gab es eine junge Frau, die Mutter war, einen Hund hatte, zur Arbeit ging, Kaffee getrunken hat, schlank, fit und immer gut drauf war und das alles, obwohl sie eine Frau war.

Heute können die Frauen alles, obwohl sie ihre Periode haben. In unseren Studien sagen sie immer: Ich muss mich schämen, wenn es mir nicht gut geht, weil ich meine Periode habe. Dennoch suggeriert uns die Werbung, es ist alles wie normal. Es ist ein männliches Leistungsmodell, dass wir immer linear funktionieren sollen und nicht zyklisch.

 

Wie kommt das bei den Konsument:innen an?

Zu der speziellen Werbung für Hygieneprodukte kann ich sagen: Die Frauen finden es nicht gut, wenn jemand trotz Periode alles kann. Sie wollen das gar nicht können müssen. Sie verstehen die Botschaft, dass man sich nicht einschränken lassen muss. Aber diese Botschaft ist für sie nicht attraktiv.

Dass die Werbung gerade versucht, alle denkbaren Gruppen mit ins Boot zu holen und positiv zu überzeichnen, ist für mich eine Notflucht und kein Zukunftsbild.

Ines Imdahl, Rheingold Salon

Es ist ein hilfloser Versuch, noch ein Stück mehr vom Kuchen abzubekommen, indem man sich auch noch das Body-Positivity-Diversity-Nachhaltigkeits-Schild oben draufpappt. Unternehmen, die wirklich etwas bewegen wollen, packen das nicht einfach auf ihre Werbung.

 

Solche Spots werden doch getestet?

Gut, aber was wird getestet: Sind sie sympathisch, sind sie aufmerksamkeitsstark und mit viel Glück noch, ob die Marke erkannt wird.

Dabei muss ein Spot nicht unbedingt sympathisch sein, um zu wirken. Die Geschichte muss psychologisch und auf tieferer Ebene attraktiv sein, sie muss verwickeln und der Produktmehrwert muss klar herauskommen. Man muss die relevanten Verfassungen und Motive ansprechen, eine Entwicklung für die Marke und eine Perspektive für die Menschen eröffnen.

Tatsächlich geht das Storytelling immer mehr verloren und damit sind wir wieder bei den Narrativen.

Wir brauchen die tollen Zukunftsgeschichten, die den Sinn des Unternehmens vermitteln und was es künftig für die Menschen erreichen will und keine tumbe Werbung, die uns alles mit Body Positivity verkaufen will.

Ines Imdahl, Rheingold Salon

 


Auf der anderen Seite gibt es ja noch immer die Unbelehrbaren, die der Deutsche Werberat regelmäßig rügt: Knapp bekleidete Frauen seifen Autos ein oder räkeln sich auf Laminatböden, um für Handwerkerleistungen zu werben. Warum halten sich sexistische Motive so hartnäckig?

Es gibt immer noch zu viel sexistische Werbung und sie ist oft ein Zeichen für schlichte Einfallslosigkeit auf Kosten der Frauen. Grundsätzlich bin ich aber kein Gegner von Erotik in der Werbung, so lange sie sinnzusammenhängend eingesetzt wird. Wenn der Produktbereich etwas mit Erotik zu tun hat, wie Duft, Kosmetik oder auch Abendgarderobe zum Beispiel. Auf einem Laminatboden hat eine nackte Frau erstmal nichts zu suchen. Es sei denn, man möchte den Laminatboden als neuestes Item für das sexuelle Leben verkaufen. Dann sollte allerdings auch der Sexualpartner nackt daneben liegen.

Bei den Autos muss man differenzieren: In der Regel räkelt sich ja niemand auf einem Bentley, sondern eher auf kleineren, tiefergelegten Autos mit großem Auspuff. Auch dazu haben wir eine Studie gemacht: Wenn sich die Potenz der Männer in der Größe des Autos ausdrücken kann, liegen meistens keine Frauen darauf. Nur wenn das Auto nicht ausreichen könnte, um Frauen an sich zu binden, kommen sie auf die Motorhaube.

 

Münchens zweite Bürgermeisterin Katrin Habenschaden warnt davor, dass sexistische Werbung die Vorstellungen von Jungen und Mädchen präge. Stereotype Rollenbilder würden dadurch leicht Teil des Selbstbildes.

Auf jeden Fall ist das so. Ich sehe allerdings bei Social Media und den Influencern ein größeres Problem als bei klassischer Werbung.

Das Bild einer nackten Frau auf einem Lieferwagen ist unsinnig und sexistisch, hat aber weniger Einfluss auf das Selbstbild der Heranwachsenden als die vielen jungen Frauen, die sich auf Instagram und TikTok ausziehen und meinen, sie müssten bestimmten Körperbildern entsprechen. Der Druck, der dadurch entsteht, ist sicher größer als beispielsweise in der Außenwerbung.

 

Was würden Sie sich von den Werber:innen wünschen?

Es gibt einen Bereich, in dem wir viel zu wenig Sex und Erotik in der Werbung haben: bei den Frauen 50plus. Es gab mal eine Dove-Werbung mit schönen nackten Frauen, die auf eine sehr ästhetische Art gezeigt hat, die Erotik ist nicht tot mit 50. Tatsächlich gibt es auch in Filmen und Serien kaum über 50-Jährige.

Wir haben viele junge Frauen an unpassenden Stellen in der Werbung und an manchen Stellen zu wenig Weiblichkeit und Erotik.

Ines Imdahl, Rheingold Salon

Die Frauen 50plus sind in vier Jahren die größte Gruppe in Deutschland, die viel umworbene GenZ ist die kleinste Kohorte. Frauen 50plus kommen als sexuelle, weibliche Wesen, die noch eine Erotik haben und ein Leben, kaum noch vor. Dabei sind wir mit 50 Jahren genauso weit von 80 wie von 20 entfernt.

 

Können Marken die Werte einer Gesellschaft beeinflussen?

Natürlich können Marken etwas bewegen! Sie haben vielleicht sogar einen viel größeren Hebel als die Politik. Wir alle sind auf Social Media und wir treffen überall auf Werbebotschaften, haben so viele Kontakte wie nie zuvor. Die junge Generation bekommt mehr von Marken mit als von allem anderen. Sie weiß mehr über Nike und Apple als über unseren Bundeskanzler.

Ein Beispiel: Als Adidas während Corona die Mieten in den Innenstädten gekürzt hat, wurde das nach einem Shitstorm schnell zurückgenommen. Tatsächlich hätte daraus eine grandiose Geschichte werden können: Eine große Marke setzt sich glaubwürdig für die Kleinen ein, weil die eine Mietkürzung nicht durchsetzen können. Mit der eingesparten Miete werden die Kleineren beim Durchhalten unterstützt. Stattdessen wurde das wie so oft als Egonummer platziert.

Wir müssen gemeinsam überlegen, wie wir uns glaubwürdig für die Kleineren einsetzen und das Miteinander stärken können.

Ines Imdahl, Rheingold Salon

Wir müssen herausfinden, wie Zukunft wieder Spaß machen kann, ohne ständig zu verzichten. Dafür braucht es alle kreativen Köpfe dieser Welt.

 

Zur Person:

Ines Imdahl studierte an der Universität Köln Psychologie mit dem Schwerpunkt Morphologie. Seit Januar 2000 war sie Geschäftsführerin und Inhaberin bei Rheingold. Sie hat das Rheingold Institut, eine der renommiertesten internationalen Adressen für tiefenpsychologische Markt- und Medienforschung, mitgeprägt und aufgebaut.

2011 gründete die Diplom-Psychologin zusammen mit Jens Lönneker den Rheingold Salon, eine tiefenpsychologisch arbeitende Forschungsagentur, die Emperie, Strategien, Gestaltung und Umsetzungsprozesse verbindet. Die Arbeitsschwerpunkte von Ines Imdahl liegen in der psychologischen Markt- und Kulturforschung, besonders im Bereich Frauen- und Jugendforschung, sowie Werbewirkungsforschung. Ihre zahlreichen Studien, Veröffentlichungen und die Medienpräsenz rund um das Thema Frauen, Jugend und Werbung unterstreichen ihre unbestrittene Kompetenz auf diesen Fachgebieten.

Ines Imdahl ist verheiratet und hat vier Kinder. Neben ihrer Arbeit steht die Familie an erster Stelle. Fotografiert wurde sie von Roland Breitschuh.

 


Die MEDIENTAGE MÜNCHEN 2023 finden vom 25. bis 27. Oktober bei der Serviceplan Group im House of Communication in München statt. Dabei blicken wir im Rahmen zahlreicher Sessions zum Thema Werbung & Marketing auf Herausforderungen, Aufgaben und Trends für Unternehmen, Medien sowie Agenturen. Zu den Highlight-Speakern des Tracks zählt auch Ines Imdahl.

MTM23-Schriftzug

Interessiert an Themen rund um die Medienbranche? Dann ist hier im Blog der Medientage München noch mehr Lesenswertes zu finden.
Zudem können Medienthemen auch bei uns gehört werden: im Podcast der Medientage München.

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