Wie bunt sind unsere Medien, wie divers sind Strukturen und Inhalte? Fragen, die der weltweit tätige Medienkonzern Discovery sehr ernst nimmt. Dort ist Diversity als Unternehmensziel fest verankert und hält mit dem Programm Mosaic Einzug in die tägliche Arbeit.
Wie der Konzern davon profitiert und welche positiven Veränderungen entstehen, das schildert Susanne Aigner, Geschäftsführerin Discovery GSA & BNLX im Interview mit dem Blog der Medientage München.
Wie definiert Discovery "Diversity"?
Für uns zeigt sich Diversity in der Verwirklichung von Gleichberechtigung, Inklusion und gegenseitigem Respekt. Wir glauben, dass die innovativsten Ideen und Lösungen aus einem möglichst breiten Spektrum an Gedanken und Perspektiven kommen – und dem wollen wir Raum geben: sowohl in den Strukturen, in den Zusammensetzungen der Teams, als auch in unserer Haltung nach außen sowie unserem Storytelling, den Inhalten und der Machart vieler unserer Sendungen.
Wir orientieren uns auch an der Anfang 2020 eingerichteten deutschen Wirtschafts-Initiative Beyond Gender Agenda. Das bedeutet für Discovery, dass Führungspositionen unabhängig von Behinderungen, Geschlecht, kultureller sowie sozialer Herkunft, Alter, oder sexueller Orientierung sowie Geschlechtsidentität mit den Personen mit der jeweils besten Eignung besetzt werden sollten.
Für den weltweit tätigen Konzern Discovery ist Vielfalt doch seit vielen Jahren ein fester Bestandteil der Unternehmenskultur. Warum haben Sie 2020 mit dem Programm Mosaic noch eins draufgelegt?
Dieser weiterführende Schritt war schon länger in der Vorbereitung, denn wir wollten, dass Diversity nicht nur "auf dem Papier steht“ und von einigen Gruppen getragen wird, sondern wirklich verpflichtend wird für alle und auch von höchster Management-Ebene quasi selbstverpflichtend im Unternehmen verankert wird.
Mit Mosaic werden die Themen Diversity, Equity und Inclusion umfassend und über alle Ebenen und Funktionen im Unternehmen hinweg aktiviert und umgesetzt. Das Programm bündelt und fokussiert das bisherige Engagement in einer Reihe von Initiativen, darunter: Unconscious Bias, Respekt & Integrität, Allyship, Rekrutierung und Karriereentwicklung, Content Diversity, Supplier Diversity und Social Impact.
Wie weit sind Sie mit der Umsetzung?
Discovery hat im vergangenen Jahr global ein "Steering Committee" für die Themen Diversity, Equity und Inclusion gegründet, dem Jean-Briac Perrette, unser President & CEO of Discovery International, vorsteht. Von hier aus wird die Initiative auf die einzelnen Länder heruntergebrochen: Geleitet vom jeweiligen Top-Management muss jedes Land mindestens ein Diversity-Ziel für die nächsten 2 bis 3 Jahre aufstellen, das kontrolliert, nachverfolgt, durch Datenerhebungen unterstützt und am Erfolg gemessen wird. Der Ansatz wird je nach Markt nuanciert und mit der jeweiligen Geschäftsführung diskutiert – denn wir sind uns bewusst, dass Diversity-Daten sowohl aus regulatorischer als auch kultureller Sicht sehr unterschiedlich gehandhabt werden.
Mosaic läuft jetzt auch aktiv hierzulande an: Wir haben dazu intern so genannte Ambassadors nominiert, die sich explizit um den Fortschritt und die Projektarbeit der beiden Themen kümmern, die wir in Deutschland für uns definiert haben. Zum einen wollen wir im Talent Recruitment sicherstellen, dass Gender- und Diversitätsaspekte bei der Auswahl und Ansprache von Bewerber:innen sowie bei der Förderung von Mitarbeitenden eine tragende Rolle spielen. Zum anderen soll Content Diversity gewährleistet werden.
Hier stellen wir uns die Frage: Wie divers ist unser Inhalt jetzt schon? Wen sprechen wir an – und wen zeigen wir in unseren Formaten? Wie können wir künftig unter dem Aspekt Diversität Formate entwickeln? In den nächsten Wochen und Monaten werden jetzt die Ambassadors Projektgruppen definieren, Ziele setzen und erste Maßnahmen anstoßen.
Eine bereits umgesetzte umgreifende Initiative war auch, dass jeder Mitarbeitende ein verpflichtendes Unconscious Bias Training absolvieren musste, um mögliches Schubladendenken zu bekämpfen. Im nächsten Schritt findet ein weiterführendes Training auf oberer Management-Ebene statt, um das Thema von Führungsseite her noch stärker ins Unternehmen zu tragen.
Da ist schon viel passiert. Wie wirkt sich das Programm auf die Strukturen des Hauses aus?
Es gibt schon seit langem eine globale Organisationseinheit "Lifeworks & Inclusion". Unser langjähriges Engagement für Diversity spiegelt sich auch eindrucksvoll in unseren Mitarbeiternetzwerken wider, in denen sich die Kolleg:innen weltweit engagieren und austauschen. In unserem Unternehmen gibt es Gruppen wie "WorD", in der es um Sprache und Kultur geht, "GreenD", in der es um Nachhaltigkeit und Ernährung geht, "PriDe", die sich mit LGBTQ-Themen auseinandersetzt, und unsere Frauennetzwerke, die sich mit Genderfragen beschäftigen.
Intern wollen wir immer wieder ein Bewusstsein für das Thema Diversität durch Veranstaltungen schaffen: Dieses wie letztes Jahr setzen wir prominent besetzte Panels um, 2021 anlässlich des Diversity-Tags unter dem Thema "Diversity: Groundbreaking success factor or merely a generic trend in the Corporate world?“.
Zunehmend wichtig wird für uns dabei das Thema der Intersektionalität, der Vielschichtigkeit des Hintergrunds, der Erfahrungen und der persönlichen Geschichte, die jeder in ein Unternehmen mit hineinbringt und der daraus erwachsenden freiwilligen Verpflichtung, für alle ein Zugehörigkeitsgefühl zu schaffen, ein "Belonging“ zu ermöglichen, das alle entsprechend unterstützt und gleichberechtigt ihren Talenten entsprechend fördert.
Ein nach außen sichtbares Zeichen für unsere Wertschätzung von Diversität ist die absolute Gleichberechtigung von Mann und Frau.: In Managementpositionen beschäftigt Discovery über 53 Prozent Frauen.
Bei Discovery zählen einzig Können und Erfahrung – und darum haben wir auch einen sehr hohen Anteil von Frauen in hohen Führungspositionen.
Susanne Aigner, Discovery
Nehmen wir den Punkt Content Diversity: Wo stehen die Discovery-Angebote?
Speziell bei unserem Sender TLC umfasst das Programmangebot schon lange das Thema "Diversität“. Mit dem Anspruch, hier das Leben in all seinen Facetten und seiner Vielfalt zu zeigen, echt und vorurteilsfrei, zeigen wir hier viele Sendungen über Menschen, die nicht in herkömmliche "Schemata“ passen.
Doch gerade Content Diversity wird im Zuge unserer Mosaic-Initiative nochmals stärker in den Fokus rücken. Seien Sie sicher: Wir werden hier in den kommenden Jahren unser Programmangebot auf allen Sendern noch bunter und vielfältiger gestalten.
Gibt es Kooperationen, die Ihr Vorhaben eines bunteren Konzerns und Angebots unterstützen?
2020 haben wir in Deutschland auch nach außen hin ein sichtbares Zeichen für unser Engagement für Diversity gesetzt: Wir haben die "Charta der Vielfalt“ unterzeichnet und stehen nun offiziell für ein vorurteilsfreies Arbeitsumfeld.
Ich persönlich bin im Beirat von Beyond Gender Agenda sowie Mitglied bei Mission Female, da mir explizit Themen der Chancengleichheit und Inklusion im Arbeitsleben am Herzen liegen.
Sehen Sie sich mit Ihrem umfassenden Vorstoß im deutschen Markt in guter Gesellschaft?
Wenn man einen Blick auf die Liste der namhaften Unternehmen wirft, die bei Beyond Gender Agenda sind, sehen wir, dass wir mit unserem Engagement bereits zahlreiche prominente "Mitstreiter“ haben. Und mit Initiativen wie der Charta der Vielfalt, deren Schirmherrin Angela Merkel ist, verpflichten sich mehr und mehr Unternehmen in Deutschland, Vielfalt und Wertschätzung in der Arbeitswelt zu fördern. Über 3800 Unternehmen und Institutionen haben bereits unterzeichnet.
Ich glaube, dass es sich Unternehmen auf Dauer gar nicht mehr leisten können, Diversity nicht als Unternehmensziel zu verankern und umzusetzen - in wirtschaftlicher wie gesellschaftspolitischer Hinsicht. Man denke hier allein an den demografischen Wandel, der sich in der Arbeitswelt bei den Themen Fachkräftesicherung und Wissenstransfer zeigt.
Es gibt viele positive Hinweise darauf, wie langfristig und nachhaltig das Thema uns alle beschäftigen wird.
Susanne Aigner, Discovery
In der Umsetzung hakt es allerdings noch an einigen Stellen. Vor allem Flexibilität und Offenheit sind aktuell schon Erfolgsfaktoren, mit deren Hilfe Unternehmen auf Veränderungsdruck durch gesellschaftlichen Wandel und globale Trends reagieren. Und das ist in jedem Fall ja schon ein guter erster Schritt.
Welche Learnings können Sie "Nachzüglern" mitgeben?
Längst haben Studien gezeigt, dass Unternehmen, die kulturelle Vielfalt am Arbeitsplatz fördern, die offen sind für die Einstellung von Mitarbeitenden mit unterschiedlichem Hintergrund, unabhängig von ethnischer Herkunft, Religion und Kultur, erfolgreicher, innovativer und produktiver sind – und auch ein positiveres Image haben. Daraus lernen mehr und mehr Unternehmen, dass es nicht nur ein "ethisch-moralisches“ Thema ist, Vielfalt zu unterstützen. Es geht darum, langfristig die internationale Wettbewerbsfähigkeit zu sichern.
Unternehmen profitieren von gelebter Diversität. Vielfalt bringt verschiedene Talente zusammen, die alle mit unterschiedlichen Fähigkeiten auf ein gemeinsames Ziel hinarbeiten. Unternehmen profitieren dabei von jedem einzelnen im Team, denn sie bringen neue Perspektiven, Erfahrungen und Wissen mit, die sich ebenfalls in der Arbeit widerspiegeln. Ein Plus nicht nur für globale Geschäftsbeziehungen von Unternehmen, sondern auch für die Zufriedenheit der Mitarbeiter:innen die seltener den Job kündigen. Und es fördert die Attraktivität als Arbeitgeber und das gesellschaftliche Ansehen der Firma.
Sollten gerade Medienanbieter Diversität ernst nehmen?
Medienunternehmen setzen sich von anderen Branchen dadurch ab, dass sie mit ihren "Produkten" – Artikel, Radio-, Fernsehbeiträge – für andere Menschen Informationen auswählen, Denkanstöße liefern und Meinungen prägen, etwa, indem sie Geschlechter-Rollen zementieren oder eben hinterfragen. Medien müssen daher eine Vorbild- und Vorreiterfunktion übernehmen, denn sie haben in Punkto Reichweite und Meinungsbildung die stärksten Hebel - mehr denn je in unserem Zeitalter der Digitalisierung und sozialen Massenmedien. Doch je gleichförmiger und homogener Redaktionsteams gestaltet sind, desto schwerer dürfte es fallen, bei dieser Arbeit vielfältige Perspektiven und Themen der Gesellschaft vorurteilsfrei aufzugreifen.
Gerade aufgrund des besonderen verfassungsrechtlichen Auftrags der Medien ist die Frage der Repräsentation aller Bevölkerungsgruppen im Journalismus auch eine Frage der Demokratie und der Zugangsgerechtigkeit.
Je diverser sich die Führungsetagen von Medien präsentieren, desto mehr wird sich auch verändern, wie unsere Gesellschaft und alle ihre Gruppen in den Medien dargestellt werden.
Susanne Aigner, Discovery
Darüber hinaus ist gerade in UK eine Initiative im Entstehen, bei der Vertreter der unterschiedlichsten Medien wie Sky, BBC oder Channel 4, sich zu einem verstärkten Austausch zusammenfinden und gemeinsam Ideen entwickeln – hier gerade auch unter dem Aspekt der Bedeutung der Medien für das Thema Diversität. Bei diesem Projekt sind unsere Gruppen der Multicultural Allience, wo sich Mitarbeiter:innen der verschiedenen Regionen regelmäßig treffen und über Themen wie Herkunft, Zugehörigkeit und Ethnicity diskutieren oder Projekte anstoßen, stark engagiert: In UK wurde bereits ein Panel organisiert, das von unserem CEO Discovery International JB Perrette ermöglicht und unterstützt wurde. Weitere Events sind im Herbst geplant.
Wie sieht der diverse Medienkonzern der Zukunft aus?
Er sollte die Gesellschaft in all ihrer Vielfalt abbilden – und das sowohl vorbildhaft nach innen, in seinen eigenen Strukturen, als auch nach außen, in den Inhalten, die er produziert und durch die er meinungsbildend wirkt. Aber nicht nur in den Medienkonzernen, sondern ebenso in unserer Politik und Gesellschaft muss Diversity als Chance und Potenzial erkannt werden – und nicht als Problem. Bedeutend ist, dass es selbstverständlicher Teil unserer Gesellschaft, Kultur und Arbeitswelt wird.
Mein Wunsch: Diversity muss in den Zielen von Unternehmen verankert sein. Es sollte nicht die Ausnahme sein, sondern Normalität.
Zur Person:
Susanne Aigner verantwortet als Geschäftsführerin von Discovery die Märkte Deutschland, Österreich, Schweiz, Niederlande, Belgien und Luxemburg. Im deutschsprachigen Raum umfasst das Portfolio ihres Verantwortungsbereiches die Sender DMAX, TLC, Home & Garden TV, Eurosport 1, Discovery Channel, Animal Planet und Eurosport 2. Seit 2020 gehört auch TELE 5 zum Portfolio von Discovery.
Die studierte Kommunikationswissenschaftlerin arbeitet seit 2006 für das TV-Unternehmen. Bevor sie im Mai 2011 in die Geschäftsführung berufen wurde, war sie fünf Jahre lang für die Werbezeitenvermarktung von DMAX zuständig. Seit über 20 Jahren ist die Managerin in führenden Funktionen in der Medienbranche tätig. Vor ihrer Tätigkeit für Discovery war sie unter anderem Bereichsleiterin Marketing und Vertrieb bei Sport 1 (ehemals DSF) und Geschäftsführerin der Mediaagentur Media Plan.
In den letzten Jahren leitete Susanne Aigner bei Discovery erfolgreich umfassende Integrations- und Transformationsprozesse. Dabei ist ihr ein Engagement für Diversität und Empowerment ein besonderes Anliegen.
Sie ist unter anderem Mitglied des Vorstands beim Verband Privater Medien e. V. (VAUNET), Vorsitzende der Gesellschafterversammlung der Screenforce Gattungsmarketing GmbH sowie Mitglied des Ausschusses für Medienpolitik im Wirtschaftsbeirat Bayern.
Die MEDIENTAGE MÜNCHEN finden dieses Jahr vom 25. bis 29. Oktober statt. Sie stehen unter dem Motto New Perspectives. Dabei blicken wir auf die Zeit nach der Corona Pandemie und zeigen neue Perspektiven und Geschäftsmodelle auf. Thematisiert wird auch, was (Soziale) Medien, Politik und Gesellschaft heute für die Demokratie tun müssen oder wie Diversity und Female Empowerment fest in der Branche verankert werden können.
Du interessierst dich für Themen rund um die Medienbranche? Dann findest du hier im Blog der Medientage München noch mehr Lesenswertes. Zudem kannst du Medienthemen auch hören: im Podcast der Medientage München.
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