Das Internet ist für die Menschen inzwischen zur Nachrichtenquelle Nummer eins geworden. Dem Publikum folgt der ORF nun ins Netz, um es mit gesellschaftlich relevanten News zu versorgen: Der öffentlich-rechtliche Sender aus Österreich hat einen YouTube-Channel für seine Nachrichtenmarke Zeit im Bild (ZiB) gestartet. Er will damit all jenen Menschen "seriöse Informationen" unterbreiten, die den ORF sonst ignorieren. Für den Start auf der Google-Plattform hat sich das Team um ZIB-2-Anchor Armin Wolf einiges einfallen lassen.
YouTube ist mehr als nur eine Videoplattform. Das Google-Angebot wird vor allem von jungen Menschen als Suchmaschine im Netz genutzt. Genau hier setzt die Strategie des ORF an, wonach ab sofort YouTube täglich mit Nachrichten in einem eigenen Channel bespielt wird.
Laut Irina Oberguggenberger, ORF-Redaktionsleiterin Social Media, will der Sender über Search "ins Spiel kommen und Antworten zu den wichtigsten Info-Fragen liefern“. In einer ORF-Mitteilung zum Start des neuen Social-Media-Angebots gibt sich die ORF-Managerin überzeugt: "Wir können die Recherche-Power der größten Nachrichtenredaktion des Landes nutzen, um in die Tiefe zu gehen, Hintergründe zu beleuchten und die verschiedenen Themenaspekte einzuordnen."
So sieht das Angebot von ZIB auf YouTube aus
Täglich gehen aktuelle Beiträge aus verschiedenen ORF-Nachrichtensendungen im neuen YouTube-Channel online. Quellen für Berichte, Reportagen und Interviews sind nicht nur die ZIB-Ausgaben in ORF 1 und ORF 2, auch Reihen wie "Bundesland heute" oder "Pressestunde" werden angezapft. "Thematisch reicht das Angebot von politischen News über Wirtschaft und Wissenschaft bis hin zu Chronik oder Kultur“, verspricht der ORF.
Hinzu kommt donnerstags ein "ZIB erklärt"-Video in einer Länge von etwa zehn Minuten. Die ZIB-Hosts Stefan Lenglinger und Kathrin Pollak (Foto oben mit Social-Media-Chefin Irina Oberguggenberger, Mitte. Foto: ORF, Thomas Ramstorfer) präsentieren auf YouTube, was die Social-Media-Redaktion und die Redaktion der bisherigen ZIB 3 an Hintergründen und Einordnung sowie Fakten-Checks zu den großen aktuellen Themen zusammenstellen.
Klar wird: Der ORF schichtet mit dem ORF Zeit im Bild-YouTube-Kanal Ressourcen vom bisherigen linearen in sein digitales Angebot um. Für den YouTube-Kanal wurde die ZiB 3 aufgegeben, die im klassischen TV-Programm ein jüngeres Publikum erreichen sollte. Der Sender wolle der "neuen Realität der Mediennutzung" entsprechen.
Das ist der Start von ORF Zeit im Bild auf YouTube:
Sechs Millionen User auf YouTube im Visier
Im Interview mit der Wiener Zeitung Der Standard macht die Social-Media-Verantwortliche Irina Oberguggenberger deutlich, dass dem ORF mit dem Schritt auf YouTube "keine andere Wahl“ bleibe, wolle er seinen gesellschaftlichen Auftrag ernst nehmen und Angebote für alle schaffen. Sie lässt aber auch durchblicken, mit wie viel Respekt der Sender an das neue Angebot herangeht:
Seit Anfang September ist ORF Zeit im Bild nun auf YouTube zu finden. Im Netz mit eigenen Inhalten aufzutreten, ist nicht wirklich Neuland für die ZIB-Redaktion, die bereits auf Instagram, Facebook und TikTok präsent ist. Gerade der Erfolg der Marke Zeit im Bild auf dem chinesischen Clip-Portal mit "fast einer halben Million Followern" und Instagram mit 1,1 Millionen Followern forcierte das neue Engagement auf YouTube. Der ORF stuft den Neustart als "eine weitere Möglichkeit“ ein, "Infos mit dem ‚ZIB‘-Gütesiegel Menschen zugänglich zu machen, die der ORF sonst nicht mehr erreicht“, so Oberguggenberger.
Und Armin Wolf rechnet vor: "Mehr als sechs Millionen Menschen in Österreich nutzen YouTube und sehr viele davon nicht nur zur Unterhaltung, sondern auch um sich zu informieren.“ ZIB-2-Anchorman Wolf koordiniert als stellvertretender Chefredakteur die ZIB-Social-Media-Kanäle.
Er betont, dass bei Weitem nicht alles, was den Menschen in sozialen Netzwerken angeboten wird, auch seriöse Information sei. Wolf: "Genau das wollen wir auf YouTube liefern, wie es das ZIB-Social-Media-Team bereits für zweieinhalb Millionen Abonnentinnen und Abonnenten auf Instagram, Facebook und TikTok tut."
Mit TikTok-Strategien den Diskurs lenken und Wahlen entscheiden
Laut "Reuters Institute Digital News Report 2024" und der deutschen Teilstudie des Leibniz-Instituts für Medienforschung müssen gängige Nachrichtenmedien im Netz um User kämpfen: Die Befragung dokumentiert die wachsende Bedeutung von kurzen Online-Nachrichtenvideos wie sie Social-Media-Plattformen bieten.
Wie groß der Einfluss von Social Media auf die Gesellschaft, auf den demokratischen Diskurs und die politische Willensbildung ist, wurde gerade eben bei den weltweit beachteten und denkwürdigen Landtagswahlen in Sachsen und Thüringen deutlich. Die hohen Verluste der klassischen Volksparteien und die deutlichen Wahlerfolge der AfD, vor allem bei sehr jungen Wähler:innen, werden unter anderem auf die kontinuierliche und eindringliche Kommunikationsarbeit der Blauen auf TikTok zurückgeführt.
Umso schwerer wiegt, dass klassische Medien als Gegenpol zunehmend wegfallen; immer mehr Lokalzeitungen, die ohnehin gerade junge Leser:innen nicht mehr erreichen, verschwinden aus der Medienlandschaft. Das macht deutlich, wie wichtig kluge Informationsstrategien der Nachrichtenmedien in Netz und Social Media sind.
Die MEDIENTAGE MÜNCHEN 2024 finden vom 23. bis 25. Oktober unter dem Motto "Realities" bei der Serviceplan Group im House of Communication in München statt.
Dabei blicken wir im Rahmen zahlreicher Sessions auch auf die Verantwortung der Medien, gerade in Zeiten von KI und Fake News verlässliche Informationen über verschiedene Kanäle und Strategien zu vermitteln, die Orientierung bieten. Denn eine informierte Öffentlichkeit bildet die Grundlage für eine funktionierende Demokratie. Tickets sind ab sofort erhältlich!
Interessiert an Themen rund um die Medienbranche? Dann ist hier im Blog der MEDIENTAGE MÜNCHEN noch mehr Lesenswertes zu finden.
Zudem können zahlreiche Medienthemen gehört werden: im Podcast "This is Media NOW".
Kommentare