Der Bewegtbild-Konsum wird immer vielfältiger. Neben dem klassischen TV buhlen Streaming-Angebote und neuerdings auch FAST TV um die Gunst der Zusehenden. Dr. Bernd Riefler ist Gründer und CEO des Münchner Analysehauses veed analytics. Er und sein Team unterstützen internationales Klientel bei strategischen Produkt- und Content-Fragen.
Ein Interview im Vorfeld des #MTM SPECIALS Future Video am 16. Mai in München, wo Riefler darlegen wird, wie das Fernsehen der Zukunft aussieht, welche Player künftig den Ton angeben und warum Zuschauer:innen nur mäßig Lust haben, Technik-Trends auszuprobieren.
Herr Riefler, welche Technologien, Anwendungen und Player geben künftig den Ton an?
Streaming wird zukünftig eine noch wichtigere Rolle spielen, das wird auch zunehmend für das klassische Fernsehen so sein. Zum einen werden dadurch neue Funktionalitäten leichter umsetzbar sein und zum anderen auch mehr Haushalte erreicht. Viele kennen ja schon die Catch-Up-Funktionen oder auch Hybride EPGs, also Programmguides.
Wir müssen allerdings auch bedenken, dass der Drang, Dinge auszuprobieren, beim Fernsehpublikum begrenzt ist.
Wie meinen Sie das?
Technologisch geht viel, aber bei der Anwendung hapert es dann. Denn Nutzer:innen sind bei Veränderungen häufig träge. Es ist eine Kunst, das technisch Mögliche so anwendbar zu machen, dass es auch in die tägliche Routine eingebunden wird.
Lassen Sie uns noch über die Player sprechen. Wer gibt dort künftig den Ton an?
Die großen Tech-Player wie Google, Amazon und Apple, werden sicherlich eine zentrale Rolle spielen. Sie verfügen über die Möglichkeit zur vertikalen Integration und decken alles ab – vom Endgerät zum Betriebssystem, bis zur Anwendung und zu den Inhalten.
Dennoch brauchen diese Plattformen Inhalte, die von großen internationalen, aber auch lokalen Anbietern bereitgestellt werden. Dazu gehören Studios und auch Sendergruppen. Hier ermöglichen die Entwicklungen – zum Beispiel FAST TV oder auch Channels auf Amazon oder Apple – grundsätzlich weitere Möglichkeiten, sodass auch kleinere Player neue Distributionsformen wählen können. Ob sich das dann auch kommerziell lohnt, wird sich zeigen.
Inzwischen gibt es ein Überangebot an Anbietern. Wie sticht man als solcher aus der Masse heraus?
Da geht es um Auffindbarkeit. Die User müssen die Inhalte auf den verschiedenen Oberflächen und Einstiegspunkten finden. Metadaten sind ein zentraler Aspekt der Auffindbarkeit, damit Nutzer:innen direkt die richtigen Impulse und Informationen erhalten. Dazu gehören Vorschaubilder, Absenderkennung und Beschreibungen.
Zudem gewinnen Social-Media-Kanäle an Bedeutung, wie auch weiterhin das klassische Word-of-Mouth, also die Mundpropaganda, die eine hohe Relevanz hat.
Was denken Sie, zieht es das Publikum künftig in personalisierte lineare Kanäle?
Diesen Trend gibt es bereits, da müssen wir uns nur YouTube ansehen. Auf der anderen Seite gibt es mit Top-Ten-Listen oder „andere schauen gerade“ eine Gegenentwicklung.
Wir gehen davon aus, dass es auch weiterhin diesen Mix geben wird. Wobei von einer zunehmenden Personalisierung sowohl auf Plattform-Level, als auch bei linearen Kanälen auszugehen ist. Bei linearen Kanälen zeichnet sich dies durch FAST-TV-Kanäle bereits ab, aber auch in der Nutzung des ProgrammG-uides zum Verlinken zu VoD-Inhalten.
Was bedeutet das veränderte Nutzerverhalten für Werbetreibende? Wo sollen sie überhaupt noch ihre Spots schalten?
Das Schöne ist: Es gibt dadurch, dass insgesamt mehr Angebote entstehen und die Streamer nun auch Werbeplätze anbieten, für Werbungtreibende mehr Inventar und es sind neue Werbeformen möglich.
Die große Frage ist: Kann der Gesamtkuchen durch besseres Targeting und die neuen Formen sogar wachsen oder lässt die Fragmentierung den Kuchen sogar schrumpfen? Das wird sich erst noch zeigen.
Der Fernsehmarkt verändert sich massiv. Was macht das mit den Geschäftsmodellen?
Durch den technischen Fortschritt ist es heute möglich, dass viele Unternehmen entlang der Wertschöpfungskette eigene D2C-Modelle (direct to consumer) etablieren können. Somit lassen sich neue Erlösquellen über Abos und Werbung erschließen. Dies steigert jedoch auch die Angebotsvielfalt und erhöht den Wettbewerb.
Zudem müssen sich die Unternehmen organisatorisch breiter aufstellen, um neue Themen wie App-Entwicklung, Maintenance oder Kundenservice abbilden zu können.
Wohin bewegt sich der Bewegtbild-Kosmos?
Der Bewegtbildkonsum wird sicher noch vielfältiger und auch personalisierter werden. Auf der anderen Seite gibt es die Sehnsucht nach den viel zitierten „Lagerfeuermomenten“.
Die große Frage ist, ob das komplette Angebot irgendwann nur noch in Streaming-Apps stattfindet. Dazu muss in Sachen Zugänglichkeit und Auffindbarkeit hier und da noch nachgebessert werden.
Zur Person:
Dr. Bernd Riefler ist der Founder & CEO von veed analytics – einem Market Intelligence Unternehmen für die Videoindustrie. Riefler und sein Team unterstützen ihre internationalen Kunden bei strategischen Produkt- und Content Fragestellungen.
Bevor Dr. Bernd Riefler veed analytics ausgründete, war er als Partner und Head of Media Practice bei einer Boutique-Beratung tätig. In dieser Rolle hat der Manager viele Strategie- und Implementierungsprojekte für Streaming-Unternehmen, Fernsehsender und Kabelnetzunternehmen in Europa und den USA erfolgreich geleitet.
Streaming, Connected TV, AVoD, FAST, OTT, Addressable TV, Social TV: Viele Facetten prägen den dynamischen Bewegtbild-Kosmos. Doch welche Trends, Business-Modelle, Content- und Media-Strategien setzen sich durch? Welche Technologien, Anwendungen und Player geben künftig den Ton an? Wie nutzen wir im Jahr 2030 den großen Bildschirm?
Diese Fragen stehen im Mittelpunkt des neuen MTM SPECIALS FUTURE VIDEO 2023. Die Konferenz findet am 16. Mai im Münchner House of Communication statt und widmet sich der Zukunft von Video. Ein Tag mit spannenden Branchenexpert:innen und interessanten Einblicken in die Maschinenräume der Bewegtbildkonzerne.
Bernd Riefler wird als Speaker die Geschäftsmodelle der Zukunft einordnen.
Mehr Informationen und der Ticketshop sind hier zu finden.
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