Gemeinsam sind sie stärker: So sehen es inzwischen mehrere Parteien im deutschen Bewegtbild-Markt, die den Gedanken einer Streaming-Plattform für das Duale System der Zukunft in verschiedenen Varianten durchspielen.
Hier ein Einblick in den neuesten Vorschlag aus dem Kreis der Werbungtreibenden. Am 16. Mai folgen bei der Tageskonferenz #MTM Special FUTURE VIDEO Prognosen und Einschätzungen zu den Plänen der Anbieter.
Bereits Anfang 2022 prognostizierten die Medienwissenschaftler des Oxforder Reuters Institute, dass Medienhäuser mehr und mehr zusammenarbeiten werden, um den Herausforderungen in Bezug auf Publikum und Plattformen zu begegnen.
Ein Modell rund um Coopetition, das in erster Linie Publisher durchdenken sollten, stellte kürzlich eine Studie im Auftrag der Medienanstalt LfM zur Diskussion.
Für den Bewegtbildmarkt hat kürzlich Bert Habets der Branche die Hand gereicht. Der ProSiebenSat.1-CEO sprach auf dem DLM-Symposium in Berlin Ende März erstmals öffentlich davon, eine gemeinsame Streaming-Plattform von öffentlich-rechtlichen und privaten Sendern in Deutschland schaffen zu wollen. Das Ziel: verlässliche Inhalte als Gegengewicht zur zunehmenden Desinformation.
Später präzisierte der Manager den Vorschlag, den die Medienwächter und die ARD als diskussionswürdig erachteten. Demnach steht die einst zusammen mit Discovery gegründete Streaming-Tochter Joyn im Mittelpunkt der ProSiebenSat.1-Überlegungen. Die bisher eher am Marktrand agierende Plattform soll für den Konzern in Zukunft die "zentrale digitale Drehscheibe" und "Eckpfeiler des digitalen Angebots" werden. Der Aggregationsansatz solle durch Kooperationen mit allen Gattungen und denkbaren Partnern verstärkt werden, so der CEO.
Öffentlich-Rechtlich + Privat + Werbung = ?
Nun greift die Mediabranche die Idee einer gemeinsamen Plattform auf: OMG-Chef Klaus-Peter Schulz, Martin Krapf als Ex-Screenforce-Chef und Vice President der Global TV Group sowie die tief in der Medienbranche verankerte Rechtsanwältin Dorothee Belz stellen in einem OMG-Papier Ideen vor.
Sie holen dabei gleich zur „Neuordnung des Dualen Rundfunksystems“ aus. Wie Horizont berichtet (Paid), schlägt der Agenturverband unter anderem vor, dass die Mediatheken der öffentlich-rechtlichen und privaten TV-Anbieter ihre Inhalte auf einer gemeinsamen und kostenfrei zugänglichen Plattform anbieten könnten. Mit Werbung.
Somit würde ein Konstrukt entstehen, welches die ältere Forderung der OMG nach der Werbeöffnung von ARD und ZDF im Netz weitertreibt. Klaus-Peter Schulz argumentierte bei den Medientagen München 2022: „Das gesamte Wachstum des boomenden Bewegtbildmarktes wandert fast ausschließlich ins Silicon Valley, deshalb müssen wir hier im deutschen Markt mehr Angebotsflächen erschließen.“
Klaus-Peter Schulz bei den #MTM22 (Foto: Medien.Bayern GmbH, David-Pierce Brill, Janine Riekher, Alexander von Spreti)
Nach wie vor findet diese Idee auf Seiten von Privatsendern und Verlagen allerdings wenig Gegenliebe. Mit dem aktuellen OMG-Papier holen Schulz, Krapf und Belz weiter aus und fordern: „Es ist an der Zeit, das duale System neu zu denken und gängige Denkbarrieren hinter sich zu lassen.“ Ihnen schwebt nichts weniger als das „Duale Modell des Plattform-Zeitalters“ vor.
Ob aus der OMG-Vision Realität wird?
Die nächsten Jahre werden es zeigen, die Medienpolitik müsste es abnicken. Im Prinzip würde ein solch duales Plattform-Modell bedeuten, dass die deutschen Anbieter ihre bisherigen Verbreitungs-Netzwerke via Kabel oder Satellit in den Stream übersetzen. Verbunden mit allen Vorteilen des digitalen Abrufs.
Doch wie würde die Konkurrenz aussehen? Bleiben die internationalen Platzhirsche wie Netflix oder Amazon Prime Video daneben für sich? Wie positionieren sich neue und künftige AVoD-Plattformen dazu? Wie handeln die Manager:innen hinter zattoo, Roku oder waipu.tv, die immer mehr werbefinanzierte Inhalte unter den Labeln AVoD oder FAST mit Erfolg an den Streaming-Fan bringen?
Klar ist: Das Abo-Modell gerät aufgrund der großen Konkurrenz und einem zunehmend preisbewussten Publikum unter Druck. Die „Subscription Fatigue“ nimmt zu. Laut WSJ bemängeln viele User die fehlende Transparenz bei Preiserhöhungen, Vertragsbedingungen und Kündigungsrichtlinien. Lösungen werden demnach im Bündeln von Abos oder mit alternativen Zahlungsoptionen gesucht.
Für die Zuschauenden ist das individualisierte TV- und Streaming-Erlebnis auf jeden Fall nicht mehr wegzudenken. Weil mit dem vernetzten Bewegtbildgenuss über Connected TV und Streaming auch jede Menge begehrter Daten zum Publikumsverhalten gesammelt werden, hat sich der BITKOM Gedanken über rechtliche Fragen gemacht. Der Verband stellt der Gattung nun einen Leitfaden rund um Möglichkeiten und den Rechtsrahmen des individualisierten TV- und Streaming-Erlebnis zur Seite.
Streaming, Connected TV, AVoD, FAST, OTT, Addressable TV, Social TV: Viele Facetten prägen den dynamischen Bewegtbild-Kosmos. Doch welche Trends, Business-Modelle, Content- und Media-Strategien setzen sich durch? Welche Technologien, Anwendungen und Player geben künftig den Ton an? Wie nutzen wir im Jahr 2030 den großen Bildschirm?
Diese Fragen stehen im Mittelpunkt des neuen MTM SPECIALS FUTURE VIDEO 2023. Die Konferenz findet am 16. Mai im Münchner House of Communication statt und widmet sich der Zukunft von Video. Ein Tag mit spannenden Branchenexpert:innen und interessanten Einblicken in die Maschinenräume der Bewegtbildkonzerne.
Mehr Informationen und der Ticketshop sind hier zu finden.
Interessiert an Themen rund um die Medienbranche? Dann ist hier im Blog der Medientage München noch mehr Lesenswertes zu finden. Zudem können Medienthemen auch gehört werden: im Podcast der Medientage München.
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