Der Schutz lokaler Werbemärkte ist für die Vielfalt im Rundfunk unverzichtbar. Diese Schlussfolgerung lässt sich aus einer Marktbefragung der Bayerischen Landeszentrale für neue Medien (BLM) ziehen. Danach rechnen die lokalen Radio- und TV-Sender in Bayern mit empfindlichen, teilweise existenzbedrohenden Einbußen bei den Werbeerlösen, sollten auch überregional ausgerichtete Sender regionalisierte Rundfunkwerbung ausstrahlen dürfen.
Über den Einsatz regionalisierter Rundfunkwerbung durch nationale Fernsehanbieter und überregionale Hörfunkveranstalter wird schon seit längerer Zeit gestritten, denn die Öffnung regionaler Werbemärkte für bundesweite Programme hat weitreichende wirtschaftliche Folgen für die lokalen Sender, wie die Marktbefragung der BLM jetzt bestätigt.
Teilgenommen haben daran im zweiten Halbjahr 2022 rund die Hälfte aller bayerischen Lokalradio- und TV-Programme.
Technisch möglich, aber medienrechtlich untersagt
Rein technisch ermöglicht Addressable TV bundesweiten Programmen wie ProSieben oder RTL die regionale Ausspielung von Rundfunkwerbung. Gesetzlich ist das jedoch laut Medienstaatsvertrag (§ 8, Abs. 11 MStV) nur mit landesrechtlicher Ausnahmeregelung zulässig. Existiert eine solche – wie in Bayern - nicht, gilt das Verbot regionalisierter Rundfunkwerbung. Deshalb genehmigt die BLM bundesweiten Anbietern bislang keine regional ausgespielte Werbung. Denn Werbung gilt laut MStV als Teil des Programms und darf wie dieses nicht auseinandergeschaltet werden.
Die Ergebnisse der Marktbefragung bestätigen laut BLM-Präsident Dr. Thorsten Schmiege, dass die Regelung im Medienstaatsvertrag (MStV) zum Verbot regionalisierter Werbung in bundesweiten Programmen ein wirksames Instrument zur Sicherung lokaler Meinungsvielfalt ist. Denn ohne den Schutz lokaler Werbemärkte durch den Medienstaatsvertrag drohten erhebliche Einbußen für lokale und regionale Rundfunkveranstalter: „Eine Existenzbedrohung kann nicht ausgeschlossen werden, zumal berücksichtigt werden muss, dass nach fast drei Jahren krisenbedingter Umsatzrückgänge Reserven oder Einsparpotenziale aufgebraucht sind“, so Schmiege.
Warum das Verbot regionalisierter Werbung zulässig ist
Mit den Vorgaben im MStV will der Gesetzgeber lokale und regionale Anbieter im Sinne der Meinungsvielfalt stärken, damit die Lokal- und Regionalsender ihre wirtschaftliche Grundlage nicht verlieren. Die Zulässigkeit des Verbotes regionalisierter Rundfunkwerbung hat im Februar 2021 der Europäische Gerichtshof bestätigt, wenn dadurch das damit verfolgte Ziel des Schutzes der Medienpluralität auf regionaler und lokaler Ebene „in kohärenter Weise“ erreicht werden könne.
Das bedeutet: Die über Internetplattformen erbrachten Werbedienstleistungen auf dem regionalen Werbemarkt dürfen keine echte Konkurrenz für die regionalen und lokalen Veranstalter darstellen, also nicht austauschbar sein. Deshalb sind die lokalen Anbieter in der Schwerpunktstudie auch befragt worden, inwiefern Online-Werbung die klassischen Spots ersetzen kann.
Das Ergebnis: Online-Werbeformen wie In-Stream und In-Page-Werbung stellen derzeit keinen geeigneten Ersatz für klassische Werbespots dar. Und auch mittel- bis langfristig wäre das nur begrenzt möglich. Gegen den Ersatz klassischer Werbung durch digitale Werbeformen sprechen aus Sicht der lokalen Rundfunkanbieter vor allem die große ‚lineare‘ Reichweite und die hohe Bindung der Nutzenden.
Wirtschaftliche Folgen für Lokalradios
Die klassischen Werbespots sind für den lokalen Rundfunk also die wichtigste wirtschaftliche Existenzgrundlage. Das Fazit der befragten Unternehmen, falls regionalisierte Rundfunkwerbung eingeführt wird:
- Die Gefahr einer Budgetabwanderung sehen sowohl die lokalen Hörfunkanbieter als auch das Lokalfernsehen vor allem im Bereich des Handels. Damit scheint die wichtigste Branche für die Werbeumsätze gleichzeitig am stärksten gefährdet.
- Im lokalen Hörfunk werden Budgeteinbußen in Höhe von durchschnittlich knapp 30 Prozent prognostiziert. Einem Großteil der Unternehmen drohen empfindliche Einbußen bei den Werbeumsätzen. Dreiviertel der befragten Anbieter könnten in die Verlustzone rutschen.
- Die Verluste ließen sich nur durch Einsparungen kompensieren, die zwangsläufig zu dauerhaften Rentabilitätseinbußen führen und zu Lasten der Qualität gehen würden. Damit sind langfristig auch Akzeptanz und Reichweite gefährdet.
Budgetabwanderung durch regionalisierte Werbung im lokalen Hörfunk
Prognosen zur Situation im Lokal-TV
Noch dramatischere Folgen hätte die Einführung regionalisierter Werbung für das Lokalfernsehen in Bayern, das jetzt bereits mit negativen Kostendeckungsgraden kämpft.
- Im Lokal-TV erwarten die Anbieter im Durchschnitt Umsatzverluste von knapp 40 Prozent. Bereits geringe Einbußen könnten zu empfindlichen Verlusten führen, die ohne Rücklagen nicht zu kompensieren sind.
- Eine mögliche „Budgetabwanderung“ sehen die Lokal-TV-Anbieter sowohl zum landesweiten Hörfunk als auch zu bundesweiten Fernsehprogrammen.
Budgetabwanderung durch regionalisierte Werbung im lokalen Fernsehen
Damit zeichnet sich folgendes Gesamtbild ab: Für beide Mediengattungen kann eine reale Existenzbedrohung nicht ausgeschlossen werden.
Verhalten fallen dagegen die Erwartungen aus, von der Einführung regionalisierter Werbung profitieren zu können. Mögliche zusätzliche Erlöspotenziale werden im Hörfunk mit durchschnittlich zwei Prozent und im Lokal-TV mit durchschnittlich sechs Prozent prognostiziert.
Die Bayerische Landeszentrale für neue Medien (BLM) veröffentlicht regelmäßig Beiträge zu fachspezifischen Themen im Blog der Medientage München. Die Medientage sind eine Marke der Medien.Bayern GmbH – einer Tochtergesellschaft der BLM.
Die Zusammenfassungen wichtiger Panel-Diskussionen sowie Bildmaterial der 36. MEDIENTAGE MÜNCHEN stehen in der Mediathek der Medientage-Homepage und auch im Blog der Medientage bereit.
Die Medienthemen können auch gehört werden: im Podcast der Medientage München.
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