Gerade eben hat die ARD/ZDF-Massenkommunikation Langzeitstudie 2020 offenbart, dass die Nutzung von Streaming-Diensten weiter zunimmt und Bewegtbild an Bedeutung gewinnt. Kein Wunder, dass die Sender ihre Anstrengungen erhöhen, neben dem klassischen TV auch die digitalen Kanäle zu bespielen. Zunehmend wird von Fernsehmarken exklusiv fürs Netz produziert, was wiederum noch mehr Zuschauer*innen zu Streaming-Töchtern und Mediatheken lotst.
In den ersten vier Monaten des Jahres, die auch die besondere Phase während des Corona-Lockdowns von Mitte März an einbeziehen, hat sich die Mediennutzung weiter zugunsten von Video verändert. Laut der ARD/ZDF-Massenkommunikation Langzeitstudie 2020 entfällt inzwischen knapp die Hälfte der gesamten Mediennutzungszeit (424 Minuten) auf Bewegtbildinhalte mit netto 213 Minuten (+ 9 Minuten im Vergleich zu 2019). Über alle Zielgruppen hinweg wird diese Zeit zu 72 Prozent auf lineares TV verteilt, zu 28 Prozent auf Sendermediatheken, Streaming-Dienste, YouTube - oder auch DVDs.
Ein deutlicher Wandel ist bei den 14- bis 29-Jährigen zu erkennen; hier ist das Verhältnis inzwischen umgekehrt: 28 Prozent der Videonutzung entfällt bei dieser Zielgruppe auf lineares Fernsehen, die restlichen 72 Prozent auf die weiteren Verbreitungswege für Bewegtbild mit Streaming-Diensten wie Netflix und Amazon Prime Video (39 Prozent) sowie Videos oder Fernsehsendungen auf YouTube (19 Prozent).
Was in den Mediatheken geboten wird
Ein Trend hin ins Netz, der von den TV-Anbietern inzwischen selbst entfacht und durch exklusive Inhalte sowie Produktionen befeuert wird. Beispiel ARD: Vor knapp einem Jahr wurde in der Chefetage des Ersten beschlossen, dass sich die Mediathek zu einem eigenständigen Streaming-Angebot hin entwickeln soll. Um das Online-Angebot insgesamt zu verstärken, werde es künftig eine integrierte Programmplanung in der ARD-Programmdirektion für das Erste und auch für die Mediathek geben, verkündete das Team damals.
Wie das aussehen kann, wird aktuell im Fall der neuen Folgen der Hochglanz-Produktion „Babylon Berlin“ deutlich, deren Free-TV-Start im Oktober im Ersten ein umfangreiches Teaser-Angebot in der ARD Mediathek vorangeht. Zu finden ist unter anderem ein Making-of, es folgen Filmklassiker der 1920er- und frühen 1930er-Jahre zum Streamen sowie persönliche „Einführungen“ der Regisseure Henk Handloegten, Achim von Borries und Tom Tykwer.
Die ARD-Sky-Serie "Babylon Berlin" ist ein Streaming-Renner (Foto: ARD, SKY)
Die Begründung fürs große Online-Feuerwerk rund um die ARD-Sky-Produktion „Babylon Berlin“ gibt Florian Hager, Channel Manager der ARD Mediathek, der die Serie als „echtes Highlight“ bezeichnet. Hager: „Für die ersten beiden Staffeln konnten wir bisher mehr als 20 Millionen Videoabrufe registrieren.“ Hier will das Erste offensichtlich anknüpfen.
Ähnlich wie die Macher*innen der ARD Mediathek ticken die Verantwortlichen vom ZDF, die mit knapp 105 Millionen Sichtungen im Juli einen „Rekordsommer“ verkünden konnten, oder auch die öffentlich-rechtlichen Mitstreiter*innen von Arte. In Mainz beim Zweiten heißt das Motto jetzt: „In den kommenden Monaten werden wir weitere Akzente bei Design, Usability und vor allem für die Mediathek konzipierten Inhalten setzen."
Beim deutsch-französischen Sender wird ab Oktober das „Fest für Serienfans“ bei langer Verweildauer bis 2021 ausgerufen - mit Produktionen wie "Young Doctor's Notebook", eine starbesetzte Reihe mit Daniel Radcliffe und Jon Hamm. Dazu heißt es: „Serien prägen längst das Programmprofil von Arte sowohl linear als auch non-linear. Dieses Web-Angebot ist ein weiterer Schritt von Arte, um den Bedürfnissen des Publikums weiterhin gerecht zu werden und hochwertige Serien über einen Sendeplatz hinaus zugänglich zu machen. Es ist der Anfang eines Online-Angebots, das kontinuierlich ausgebaut wird mit Kult- und Ausnahmeserien sowie frei zugänglichen Premieren.“ Ebenso will das Team die Online-Verfügbarkeit des linearen Angebots weiter ausbauen.
Eine immer größere Auswahl für Nutzer*innen ...
Daneben wir inzwischen reichlich exklusiv für die gestreamten Sender-Beiboote produziert - mit teils großen Wachstumsfantasien. Jenseits der öffentlich-rechtlichen und vom Rundfunkbeitrag finanzierten Mediatheken entwickeln sich die Streaming-Angebote der kommerziellen Senderfamilien rasant weiter – auch mit Blick auf die finanzstarke Konkurrenz aus den USA.
ProSiebenSat.1 etwa hat 2019 seinen Angriff auf Netflix und Amazon Prime Video gemeinsam mit Discovery und der Marke Joyn gestartet. TV Now ist die erfolgreiche und expansive Antwort der Kölner Mediengruppe RTL Deutschland auf die amerikanischen Flaggschiffe. Die mit dem Entertainment-Giganten Disney und seiner Streaming-Offerte Disney+ seit dem Frühjahr einen weiteren starken Anbieter aus dem eigenen Land neben sich dulden müssen.
Alles in allem geht der Kampf um Zuschauer*innen, der gut drei Jahrzehnte lang im linearen Fernsehen geführt wurde, nun im Internet unter verschärften Bedingungen in eine neue Runde.
Die Medientage München begleiten die Themen TV, Bewegtbild und Streaming im Rahmen der virtuellen Konferenz, die dieses Jahr vom 24. bis 30. Oktober 2020 erstmals im Netz stattfinden wird.
Sie interessieren sich für Themen rund um die Medienbranche? Dann finden Sie hier im Blog der Medientage München noch mehr Lesenswertes.
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