"Deep Fakes sind die neuen Fake News", hält die SZ fest. Und beschreibt in der Netzkolumne das Beispiel "Humans of an Unknown City", eine Seite mit Porträts, deren Biografien auf dem Einfallsreichtum des australischen Informatikers Julian Koplin und einer KI fußen. Alles erfunden und wohl auch schwer von Googles Suchtruppe zu finden, die das Netz nach Fälschungen durchforstet.
Deep-Fake-Pionier Hao Li stellte kürzlich die Prognose, dass innerhalb weniger Jahre perfekte und praktisch nicht nachweisbare Deep Fakes möglich sein könnten. Die Möglichkeit, Mimik und Stimmen beliebiger Personen zu synthetisieren, birgt enorme Gefahren für Politik, Wirtschaft und Gesellschaft. Somit haben Deep Fakes das Potenzial, die Effekte von Fake-News-Kampagnen um ein Vielfaches zu übersteigen. Vor allem Medien stellt dies vor neue Herausforderungen – Deep Fakes zu erkennen, fordert den redaktionellen Alltag heraus, erfordert völlig neue Skills und Techniken.
Einer, der Licht in Deep Fakes bringen könnte, ist der Physiker und Neurowissenschaftler Klaus Holthausen. Der CEO der TEAL AI AG spricht auf den 33. Medientagen München über "Künstliche Intelligenz: Wer arbeitet wirklich damit?" und spricht im Interview mit dem Blog der Medientage über das, was seine Arbeit rund um Big Data, KI und Blockchain bewirken kann.
Herr Holthausen, Sie haben eine von Ihnen entwickelte und patentierte Künstliche Intelligenz in die Blockchain eingebracht, die auf riesigen Datensätzen fußt. Mit dieser KI lassen sich Muster und Lösungen ableiten, von denen Kunden profitieren. In welchen Bereichen können Unternehmen eine solche Big-Data-Anwendung einsetzen?
Wichtiger noch als die KI sind Psychologie und Soziologie in diesem Zusammenhang. Diese sind die Grundlage für effiziente Zielgruppenmodelle, die von der KI dann lediglich umgesetzt werden.
Für jedes Unternehmen, das auf Kundenzentriertheit setzt, ist diese Technologie eine Basis. Gerade weil wir in einer komplexen Gesellschaft leben, die sich - nicht nur durch Soziale Medien - aus granularen Gruppen zusammensetzt, deren Diskurse zunehmend selbstbezogen und emotional werden.
Welchen Vorteil ziehen Medien und Marketing aus KI-Anwendungen?
Die Formel ist ganz einfach: weniger Fake, mehr Authentizität. Das bedeutet nicht, dass es im Internet der Zukunft keine Anonymität geben kann.
NGOs wie Amnesty International zum Beispiel könnten über die Blockchain eine eindeutige Absender-Identität erhalten. Dann wäre eine Meldung eines verifizierten, jedoch anonymen Mitarbeiters einer NGO für die Medien vertrauenswürdig verwertbar.
Im Marketing-Umfeld wären etwa bei Produkt- und Hotelbewertungen Fakes unwahrscheinlicher, da die Identität des Kommentierenden über die Blockchain verifiziert wird.
Wo stehen deutsche Unternehmen in Sachen Künstlicher Intelligenz?
Würden Sie danach fragen, wo deutsche Forscher in Sachen Künstlicher Intelligenz stehen, hätte ich eine positive Antwort zu bieten. Leider wandern kluge Köpfe nach ihrer Ausbildung in die USA aus.
Und Aktivitäten von Organisationen wie dem Deutsch-Chinesischen Verein zur künstlichen Intelligenz (GCAAI) zeigen, dass China als der eigentliche Riese der KI auch hier aktiv wird.
Können Sie gelungene Beispiele nennen?
In der Bilderkennung halte ich die Plattform SHORE® des Fraunhofer-Instituts IIS aus Erlangen für gelungen. Hier liegt nun alles am Transfer von der Wissenschaft in die Wirtschaft.
Auch im Bereich Computerlinguistik ist Deutschland gut aufgestellt, imponierend sind die Leistungen des deutschen Startups DeepL.
Alle sprechen über Big Data. Aber haben Unternehmen bzw. Medienhäuser das Thema wirklich für sich erschlossen?
Nein. Das liegt aber nicht an Big Data, sondern vielmehr an der Frage, welche Rolle Medienhäuser und Unternehmen in einer sich immer schneller verändernden Welt spielen sollen.
Nehmen wir das Thema Datenschutz. Hier ging man von den Prinzipien der Offline-Welt aus, die heute leider nicht mehr passen. Es ist so, als handelten wir noch nach den Regeln des Fußballs, obwohl die große Rasenfläche gar nicht mehr existiert und durch kleinräumige Badminton-Felder ersetzt wurde, zwischen denen kleine Gruppen Boccia spielen.
Es braucht im ersten Schritt eine Strategie für eine plurale Gesellschaft. Diese Strategie ist mit Soziologen und Psychologen umzusetzen. Erst im dritten Schritt sind Data-Science-Experten mit der Ausführung zu betrauen.
Dr. Klaus Holthausen wird die 33. Medientage München am 25. Oktober 2019 als Referent des Workshops "Künstliche Intelligenz: Wer arbeitet wirklich damit? Wo Unternehmen KI im Marketing bereits erfolgreich einsetzen" begleiten.
Das Thema KI steht übrigens auch bei der Bayerischen Landeszentrale für neue Medien (BLM) auf dem Programm: Die Augsburger Mediengespräche finden in diesem Jahr am 11. November unter dem Motto "Mensch und Maschine - Wie Künstliche Intelligenz unser Leben beeinflusst" statt.
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