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Wie Bayern gegen Hass im Netz kämpft

22. Juli 2020

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„Wer die Meinungsfreiheit schützen will, der muss strafbaren Hass bekämpfen“:  Bayerns Justizminister Georg Eisenreich geht deshalb bereits seit Herbst 2019 gemeinsam mit der Bayerischen Landeszentrale für neue Medien (BLM) gegen Hate Speech im Internet vor. Ihre Initiative „Justiz und Medien – konsequent gegen Hass“ trägt erste Früchte, wie bei einer gemeinsamen Online-Veranstaltung zum „Europaweiten Aktionstag für die Betroffenen von Hasskriminalität“ deutlich wurde.

„Der Freistaat hat Hate Speech als Straftatbestand auf dem Schirm“: Mit dieser Ankündigung begrüßte der Bayerische Staatsminister der Justiz, Georg Eisenreich die Gäste der virtuellen Konferenz mit dem Titel „Justiz, Medien, Gesellschaft – gemeinsam gegen Hate Speech“. Der frühere Digitalminister Bayerns, der Hassrede als „eine der negativen Folge der Digitalisierung“ bezeichnete, bemerkt, „dass sich in unserer Gesellschaft etwas zusammenbraut, das die Demokratie ernsthaft gefährdet und Auswirkungen auf die Meinungsfreiheit hat“.

Eisenreich skizzierte beim Digital-Event die Wirkung von Drohungen im Netz auf Meinungsmacher. Journalist*innen könnten sich in der Folge zurückziehen und nicht mehr berichten. Eisenreich machte bei der Veranstaltung der beiden Initiatoren hinter „Justiz und Medien – konsequent gegen Hass“ klar: „Wer rassistische, antisemitische oder volksverhetzende Inhalte streut, muss in Bayern mit einer konsequenten Strafverfolgung rechnen.“

BLM-Präsident Siegfried Schneider lieferte am europaweiten Aktionstag gegen Hate Speech eine erste Bestandsaufnahme zur Initiative „Justiz und Medien – konsequent gegen Hass“: 106 Prüfbitten, 95 Ermittlungsverfahren sowie eine rechtskräftige Verurteilung kann das im Oktober 2019 ins Leben gerufene Projekt des bayerischen Justizministeriums und der BLM zur Bekämpfung von Hasskriminalität im Internet als Ergebnisse vorweisen.

„Ein erster Erfolg und ein wichtiges Zeichen – zumal die Ermittlungen aufgrund schwieriger Täteridentifizierung oder Auslandstatbeständen sehr komplex sind“, hoben die beiden Partner im Kampf gegen Hate Speech hervor.

Schneider verwies auf Schulungen durch Polizei und Staatsanwälte, die Chefredaktionen seit Start angeboten wurden. Es müsse „von oben her“ in Medienhäusern ein Gefühl dafür entwickelt werden, wo Meinungsfreiheit endet und Hasskriminalität beginnt, die dank der Initiative zur Anzeige gebracht werden könne. Der BLM-Präsident betonte bei der Online-Veranstaltung: „Wir sind jetzt auf einem guten Weg. Nur löschen reicht nicht.“

 

Bayern fordert: Strafverfolgung statt Löschen

Oberstaatsanwalt Klaus-Dieter Hartleb, seit Jahresbeginn Hate-Speech-Beauftragter der Bayerischen Justiz (Foto oben), führte diese Forderung beim Event weiter aus und verwies auf die im Frühjahr beschlossene Modifizierung des Netzwerkdurchsetzungsgesetzes (NetzDG). Danach sollen ab Sommer 2021 Betroffene leichter gegen Hassattacken vorgehen können. Im Gegenzug endet dann die aktuell gültige NetzDG-Vorgabe von 2017 für die Plattformen. Sie sieht vor, dass Hasskommentare nur gelöscht, nicht aber zur Anzeige gebracht werden müssen.

Hartleb, der die Hate-Speech-Beauftragten bei den 22 bayerischen Staatsanwaltschaften koordiniert und technisch berät, gab ein Ziel aus: Strafverfolgung statt Löschen.

Der Jurist nannte die bayerische Initiative von Justizministerium und BLM „sehr wichtig“, um es Medien bereits jetzt zu ermöglichen, vor der Löschung durch Facebook und Co. zu handeln.

Im Mittelpunkt steht ein Formblatt, mit dem der konkrete Hinweis zusammen mit einem Screenshot betroffener Posts in die Cloud hochgeladen und dort rechtlich bewertet werden kann. Kommt es zu Ermittlungen und einer Strafanzeige, weil ein Post etwa dem Tatbestand der Volksverhetzung entspricht, drohen den Tätern Geldstrafen, Einträge ins Führungszeugnis oder gar Gefängnis. Laut Silke Bierl, Richterin am Amtsgericht München, effiziente Geschütze im Kampf gegen Hate Speech.

blm-bierlDie Münchner Amtsrichterin Silke Bierl (Foto: Screenshot)

 
Strafrechtliche Folgen fürs Posten von Hasskommentaren

Gerald Huter hat gerade eben für sein Haus erfahren, wie der Freistaat den Medien gegen Hass im Netz zur Seite steht. Eine Anzeige des Geschäftsführers des Schweinfurter Lokalsenders Radio Primaton löste diese Woche bayernweite Hausdurchsuchungen durch Polizei und Staatsanwaltschaft aus. 17 Beschuldigte zwischen 21 und 69 Jahren müssen sich nun für den Tatbestand der Volksverhetzung vor Gericht verantworten. Was war geschehen?

Radio Primaton hatte Mitte Februar eine Demonstration gegen die Bedingungen in einem Ankerzentrum in Schweinfurt gestreamt. In der Folge brach eine immens reichweitenstarke Kommentarflut über den Privatsender herein. Huter berichtete bei der Online-Veranstaltung von zahlreichen Hass-Postings, die die Staatsanwaltschaft gesichert hat und die dem Tatbestand der Volksverhetzung entsprechen. „Wir haben uns einem Shitstorm ausgesetzt gefühlt, den wir so noch nicht erlebt hatten.“

In der Folge beschritt das Medienunternehmen den Klageweg über die bayerische Initiative gegen Hass im Netz – mit Erfolg. Doch die Razzia selbst hat sein Team nach Gerald Huters Angaben „mit gemischten Gefühlen“ verfolgt. So schilderte der Primaton-Chef den Fall einer Redakteurin, die sich bedroht fühlte und die Redaktionsräume abschließen wollte.

Kein Einzelfall, wie Andreas Zick mit seiner Studie „Hass und Angriffe auf Medienschaffende. Zur Wahrnehmung von und Erfahrungen mit Angriffen auf Journalist*innen“ bei der Digitalkonferenz belegen konnte. Der Leiter des Instituts für interdisziplinäre Konflikt- und Gewaltforschung (IKG) hatte bereits Ende 2019 bei einer Befragung von 322 „sehr diversen Journalist*innen“ registriert, dass 62 Prozent Hass-Postings als eine Bedrohung der journalistischen Arbeit wahrnehmen würden  – mit der Folge, dass Themen ausgeklammert würden. Zick: „26 Prozent berichten dann nicht mehr zum Thema!“  

Vor allem wenn über diverse Aspekte der Migration berichtet werde, würden von den Befragten in der Folge Hassbotschaften erwartet, führte der Bielefelder Wissenschaftler aus.

blm-hassthemenHass im Arbeitsalltag Medienschaffender wird durch bestimmte Themen ausgelöst (Foto: Screenshot Studie IKG) ) 

Andreas Zick konnte den Stand der Bedrohung aus dem Netz in Zahlen fassen: Ende 2019 hatten rund 60 Prozent der Befragten innerhalb der letzten 12 Monate Erfahrungen mit Hate Speech gemacht, 16 Prozent erhielten der Analyse zufolge sogar Morddrohungen. Traurige Tendenzen, die auch andere aktuelle Studien belegen.

Sorge bereitete Catarina Katzer bei der Online-Veranstaltung, dass die sich im Netz alltäglich gewordene Aggression inzwischen sehr stark real auf die Straße verlagere. Die Leiterin des Kölner Instituts für Cyberpsychologie & Medienethik skizzierte „eine sehr beängstigende Entwicklung“. Das Posten von Hasskommentaren auf dem heimischen Sofa entkoppele den Täter von seiner Tat. „Die Hemmschwelle fällt, um Hass gegen Personen auszuüben.“

blm-hass-im-netzWomit es Medienschaffende zu tun haben .... (Foto: Screenshot Studie IKG) 

Katzer appellierte an die Zivilcourage der Gesamtgesellschaft: „Wir brauchen Menschen, die anderen den digitalen Spiegel vorhalten.“

Hassrede setze gefährliche Spiralen in Gang, fasste Annette Schriefers zusammen, die Moderatorin des Events von Bayerischem Justizministerium und BLM. Siegfried Schneider gab zu bedenken: „Am Ende arbeiten wir an einem gesamtgesellschaftlichen Problem, es geht um Menschenrechte!“

 

Schulen gegen Hate Speech und Cyber-Mobbing

Übrigens: Die Initiative Medienführerschein Bayern stellte zum Aktionstag für die Betroffenen von Hasskriminalität eine Materialsammlung für Lehrkräfte und pädagogisch Tätige zur Verfügung. Zu den Themen „Hate Speech“ und „Cyber-Mobbing“ finden sich neben Angeboten wie Unterrichtseinheiten, Videos oder Quiz auch Broschüren und Flyer zur Weitergabe an Eltern. Beratungsangebote, an die sich betroffene Jugendliche direkt wenden können, ergänzen das Themenspecial, das hier abrufbar ist.  

Die Medientage München sind eine Marke der Medien.Bayern GmbH – Tochtergesellschaft der Bayerischen Landeszentrale für neue Medien (BLM).


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