Die Generation Alpha hat nichts mit Print am Hut. Könnte man meinen, ist aber weit gefehlt! Das Magazin ZEIT LEO hat eine treue Leserschaft. Wie lässt sich die Zielgruppe der 14-Jährigen und jünger fürs Lesen begeistern, wie stellt man Augenhöhe her und wie gelingt es, jungen Zielgruppen auch schwere Themen zu vermitteln – das erklärt Chefredakteurin Inge Kutter im Interview mit dem Blog der MEDIENAGE MÜNCHEN. Die Blattmacherin gehört zu den Expert:innen der #MTM24, die sich mit der Frage befassen: "Wie stellen sich Medienmarken auf den Nachwuchs ein?".
Frau Kutter, Print ist ein "Old School"-Medium. Ist dieses Format noch zeitgemäß für eine Zielgruppe, die inmitten digitaler Technologie aufwächst?
Auf alle Fälle! Die jüngere Hälfte unserer Zielgruppe hat ja noch kein digitales Gerät zur Verfügung. Das bekommen Kinder meist erst, wenn sie auf eine weiterführende Schule wechseln.
Der Großteil unserer Leser:innen sind natürlich auch Kinder der Zeit-Leserschaft. Ihre Eltern sind die Gatekeeper in Sachen Mediennutzung. Sie erlauben ihren Kindern nur eine begrenzte Zeit mit digitalen Medien. Ihnen ist die Leseförderung wichtig, und hier kommen wir ins Spiel: Viele Studien belegen, dass sich das Lesen mit Texten auf Papier leichter erlernen lässt, weil die Augen weniger ermüden und die Ablenkung geringer ist.
Wie machen Sie den Kindern das Lesen schmackhaft?
Anstatt einfach nur Wissen zu vermitteln, erzählen wir Geschichten unter dem Motto "Auf ins Abenteuer". Kindheit besteht aus Spielen und Träumen, aus Entdecken und Ausprobieren. Bei diesem Grundgefühl setzen wir an. Wir nehmen die Kinder mit auf eine Abenteuerreise, die ihnen Spaß macht, die sie die Welt entdecken lässt und sie in ihrer persönlichen Entwicklung unterstützt und fördert.
Wenn uns Eltern oder Großeltern schreiben, dass ihr Kind oder ihr Enkel für Stunden mit der neuen Ausgabe von ZEIT LEO im Zimmer verschwunden sind, dann wissen wir, dass es uns gelungen ist, Kinder mit Print zu begeistern.
Ihre Zielgruppe reicht von sieben bis 13 Jahren. Gibt es in dieser Altersspanne nicht ein großes Interessengefälle?
In der Tat haben wir eigentlich zwei Zielgruppen. Da sind die Grundschüler:innen und die älteren Kinder. Die Jüngeren interessieren sich für Tiere, Naturwissenschaften und Nachhaltigkeit, aber auch dafür, wie Kinder in anderen Welten leben.
Die älteren haben dagegen bereits Interessen, die Jugend-typisch sind, wie die Peer Group, Politik, Trends oder Digitales. Diese Themen, für die sie sich neu interessieren, lassen wir weg, weil sie die Jüngeren nicht ansprechen. Deshalb bleiben wir bei der Ausrichtung des Blattes bei den Grundschüler:innen.
Kinder sind anspruchsvolle Leser:innen und fordern diese Augenhöhe ein.
Wie stellt sich eine Marke wie LEO auf diese Zielgruppe ein?
Das funktioniert nur über Augenhöhe. Kinder sind anspruchsvolle Leser:innen und fordern diese Augenhöhe ein. Da wir selbst nicht die Zielgruppe sind, ist der ständige Austausch mit dieser Altersgruppe immens wichtig.
Haben Sie deshalb vor drei Jahren den Kinderrat eingeführt?
Ja, denn nur so bekommen wir einen umfassenden Einblick in ihre Wertvorstellungen, beispielsweise was Nachhaltigkeit, Tierschutz und Umwelt anbelangt. Diesem Gremium gehören fünf Kinder aus ganz Deutschland an, unterschiedlichen Alters, Geschlechts, Wohnorts und mit diversen Hobbys und Hintergründen. Durch sie fließt die Kinderperspektive in unsere redaktionelle Arbeit ein.
Wir treffen uns mit ihnen alle drei Wochen per Videocall zum Austausch. So erfahren wir auch aus erster Hand, wenn sich Vorlieben ändern oder neue Trends entstehen. Wir legen dem Kinderrat auch Cover-Entwürfe vor und lassen ihn mit abstimmen. Außerdem gehen wir mit jedem neuen Heft in eine Schulklasse und stellen uns dort einer Blattkritik.
Wir müssen dabei immer Hinterkopf behalten, dass die Leser:innen mit dem Heft alleine sind und wir auch das sensibelste Kind nicht verstören dürfen.
Wie vermittelt man schwere Themen wie den Ukraine-Krieg oder die Krise im Nah-Ost?
Wir sprechen mit dem Kinderrat und versuchen, ein Gefühl dafür zu bekommen, welche Fragen die Kinder beschäftigen. Dazu liefern wir Antworten, achten allerdings darauf, auf der Sachebene zu bleiben. Es sollen keine Bilder vom Krieg im Kopf entstehen.
In einer Geschichte zur Situation in der Ukraine haben wir gerade gezeigt, wie Kinder in einer unterirdischen Metrostation zur Schule gehen. Der Aspekt Hoffnung ist uns dabei sehr wichtig. Unsere Leserschaft soll erfahren, wie Kindern dort geholfen wird. Wir müssen dabei immer Hinterkopf behalten, dass die Leser:innen mit dem Heft alleine sind und wir auch das sensibelste Kind nicht verstören dürfen.
Gibt es Parallelen zwischen Zeit und Zeit Leo?
Ja, und zwar in Bezug auf Werte und Qualität. Wie die Muttermarke hat ZEIT LEO einen hohen journalistische Anspruch und achtet extrem auf die Güte der Texte. Der Persönlichkeitsbildung, die die Zeit leistet, entspricht bei unserer jungen Zielgruppe die Persönlichkeitsentwicklung.
Wir konnten seit dem Relaunch 2021 die verkaufte Auflage von 45.000 auf 50.000 Exemplare steigern.
Können Sie uns einen Einblick geben, was die einzelnen Erlössäulen bei Zeit Leo sind?
Abo und Veranstaltungen sind unsere größten Erlössäulen. Das Abogeschäft ist erfreulicherweise sehr stabil und das Veranstaltungs-Business ebenso. Unsere wichtigste Veranstaltung ist die ZEIT-LEO-Weltretter-Mission, eine deutschlandweite Schulaktionen. Kinder definieren Probleme in ihrer Umgebung, suchen Lösungen und setzen die konkret um. Im vergangenen Jahr haben wir beispielsweise eine Kindergruppe ausgezeichnet, die eine Holzpalette für den Schulhof bunt bemalt hat, auf der sich alle einfinden konnten, die niemanden zum Spielen hatten. Eine wunderbare Idee!
Solche Aktionen führen wir zusammen mit Sponsoring-Partnern durch. Weitere Umsätze kommen aus dem Werbegeschäft sowie durch die verkaufte Auflage. Was uns besonders freut: Während die Zahlen vieler Printprodukte rückläufig sind, konnten wir seit dem Relaunch 2021 die verkaufte Auflage von 45.000 auf 50.000 Exemplare steigern.
Zur Person:
Inge Kutter ist seit 2015 Chefredakteurin des Kindermagazins ZEIT LEO. Vorher war sie auf verschiedenen Stationen im ZEIT Verlag tätig, u.a. als Redakteurin des Magazins ZEIT Campus und im Ressort Wissen der ZEIT.
Inge Kutter hat Journalistik an der LMU München und an der Université Paris-Assas studiert, die Deutsche Journalistenschule und den Manuskriptum-Kurs für Kreatives Schreiben absolviert. Ihr Roman "Hippiesommer" erschien 2016 im Arche-Verlag. In diesem Jahr hat sie die digitale Serie "ZEIT auf dem Land" mitgegründet.
Die MEDIENTAGE MÜNCHEN 2024 finden vom 23. bis 25. Oktober unter dem Motto "Realities" bei der Serviceplan Group im House of Communication in München statt.
Dabei blicken wir im Rahmen zahlreicher Sessions unter anderem auf Trends, Herausforderungen und Aufgaben für Unternehmen aus dem Publishing. Als Expertin nimmt Inge Kutter an einer Diskussionsrunde zur passenden Medienansprache der Generation Alpha teil. Tickets sind online erhältlich!
Interessiert an Themen rund um die Medienbranche? Dann ist hier im Blog der MEDIENTAGE MÜNCHEN noch mehr Lesenswertes zu finden. Zudem können zahlreiche Medienthemen auch gehört werden: im Podcast "This is Media NOW".
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