
Wie sich das Streaming-Angebot, der Markt und sein Publikum verändern, das hat sich einmal mehr auch die Unternehmensberatung EY in einer groß angelegten Studie vorgeknöpft. Die aktuelle „Digital Household Study“ bestätigt und vertieft diverse Trends, kommt aber auch zu spannenden neuen Erkenntnissen. Unter anderem wird deutlich: Der deutsche Bewegtbild-Markt ist für die Anbieter kein Selbstläufer.
Streaming gehört inzwischen zum deutschen Standard. Drei von vier Haushalten in Deutschland (76 Prozent) haben mindestens einen Dienst abonniert, „der sie mit Serien und Filmen versorgt“, wie es in der diesjährigen „Digital Household Study“ der Wirtschaftsprüfungs- und Beratungsgesellschaft EY heißt. Für die Analyse wurden 20.000 Menschen weltweit befragt, 1000 davon in Deutschland.
Der internationale Vergleich macht aber auch deutlich: Wir Deutschen rangieren als Streaming-Fans auf einem hinteren Platz: Nur in der Schweiz (75 Prozent) sind es demnach etwas weniger Haushalte, die für ein Video-On-Demand-Angebot zahlen. Anders sehe es in Südkorea, Kanada (jeweils 89 Prozent), Italien und den USA (jeweils 88 Prozent) aus.
Was EY über den Streaming-Markt 2025 herausgefunden hat
- Deutsche User machen es Streamern nicht so leicht
Bereits in der Hochphase des klassischen Pay-TV galt der deutsche Markt den globalen Konzernen als immens wichtig, aber schwer zu erobern. Einer der Gründe neben dem wachsenden VoD-Angebot: das breit aufgestellte Free-TV-Segment aus kommerziellen und öffentlich-rechtlichen Sendern. Ihre Macht beim Publikum mag schwindend sein, die Sehdauer fürs Lineare nimmt kontinuierlich ab.
Doch auch die EY-Studie kommt zu dem Schluss: Noch relativ viele Menschen in Deutschland setzen aufs klassische Fernsehprogramm. In jedem zweiten Haushalt (50 Prozent) wird demnach überwiegend lineares Fernsehen geschaut. Nur in Frankreich (54 Prozent) und der Schweiz (51 Prozent) sei der Anteil noch höher.
Die aus TV und Streaming bekannten langen Formate haben es indes auf dem Smartphone (noch) schwer: Laut EY schaut nur knapp ein Drittel der Befragten (32 Prozent) hierzulande gerne lange Videoformate. Damit sei Deutschland das Schlusslicht in dieser Kategorie. Zum Vergleich: Der internationale Durchschnitt liegt bei 41 Prozent.
Dennoch urteilt auch EY auf lange Sicht: „Dem Streaming gehört die Zukunft.“ Gerade unter jungen Nutzenden sei der Anteil, der lineare Sender und Programme nutze, klein. Auf Dauer werde dies auch zu einem kleineren Gesamtanteil führen.
- Mehr Anbieter, höhere Preise, weniger Neues.
Olaf Riedel, Partner bei EY-Parthenon und Leiter Technologie, Medien & Telekommunikation:, bringt es auf den Punkt „Die Anbieter von Videostreaming-Diensten haben sich in Deutschland in den vergangenen Jahren vervielfacht. Ihre Preise ebenso. Das Angebot, das jeder einzelne Dienst bietet, ist dagegen gesunken. Folglich muss, wer die volle Vielfalt an Serien und Filmen genießen will, mehrere Dienste gleichzeitig abonnieren. Was wiederum – gerade in Zeiten wie diesen – die Haushaltskassen stark belastet.“
Die Zahlen, auf die sich Riedel beruft:
- Mehr als die Hälfte der von EY befragten User (58 Prozent) gibt an, vom Überangebot frustriert zu sein.
- Fast ein Drittel (31 Prozent) überlegt daher aktuell, Streaming-Abos zu kündigen.
- Zudem gibt ein Viertel der Befragten (27 Prozent) weltweit an, sich über fremde Accounts bei Streaming-Diensten anzumelden. Ein Nutzungsverhalten, das die Anbieter wie Netflix verstärkt bekämpfen.
- Preise, User Experience und Vertrauen wichtiger als Exklusives
Bei der Entscheidung für ein Streaming-Abonnement spielt der Preis laut EY „mit Abstand die wichtigste Rolle“. Das sagt mehr als jede:r Zweite (56 Prozent) hierzulande. Ein Drittel der Befragten (jeweils 34 Prozent) finde das Vertrauen in die Marke und eine einfache Bedienung der Applikation des Anbieters („User Experience“, UX) wichtig. Und: „Überraschenderweise spielen originale und exklusive Inhalte nur für knapp jede und jeden Fünften (19 Prozent) eine wichtige Rolle“, wie es weiter heißt.
Dr. Marcus Dimpfel, Partner bei EY-Parthenon, hält fest: „Der Kampf um die Aufmerksamkeit der Zuschauerinnen und Zuschauer – und damit auch um die Erlöse – ist in vollem Gange und so offen wie selten zuvor. Zum einen ist die Konkurrenzsituation im Streaming-Bereich selbst so groß wie noch nie, der Preisdruck für die zahlreichen Anbieter dadurch immens.“ Zu ähnlichen Ergebnissen kam im Vorjahr die Streaming-Studie der Beratung Simon Kucher.
- Globale Streamer konkurrieren mit deutschem TV und Mediatheken
Und zwar mit neuer Vehemenz: Dass die klassischen TV-Sender die Konkurrenzsituation unter Streamern, den Bedarf der Menschen nach möglichst kostenfreien Inhalten erkannt und ihre linearen Programme und Formate angepasst haben, verstärkt den Druck im Markt. „Reichweitenstarke Eigenproduktionen – die häufig sogar online vorab abrufbar sind – der Fernsehsender üben zusätzlichen Druck auf die Streaming-Dienste aus. Bei einigen Formaten sind nationale Marktteilnehmer der internationalen Streaming-Konkurrenz mindestens ebenbürtig, eher noch voraus,“ urteilt Dimpfel. Dies gelte besonders – aber nicht nur – für Sendungen, die sowohl linear als auch nicht-linear funktionieren. Die Windowing-Strategien der TV-Familien mit gemischten Strategien für TV und Mediatheken (BVoD) gehen auf.
Dr. Marcus Dimpfel: „Gescriptete und ungescriptete Unterhaltungsformate sind hier als ein positives Beispiel zu nennen. Schwieriger haben es deutsche Anbieter, wenn es um den Bereich Fiction geht.“ Hier habe die internationale Konkurrenz oft die Nase vorn, „auch wenn es immer wieder Achtungserfolge der deutschen Anbieter gibt“.
Gemeint sind Serien wie „Maxton Hall“, mit denen etwa Amazon Prime Video vom deutschen Markt aus internationale Erfolge feierte. Hinzu kommt, dass sich das Portfolio der Streams wandelt und verschiedene Bedürfnisse erfüllt. Lineare und werbefinanzierte Sender im Stream gehören dazu.
- Zeitbudget beim Publikum weitgehend ausgereizt – auch dank Social Media
Die Bildschirmzeit der User ist begrenzt. Das Angebot wächst indes weiter – nicht nur auf dem großen Bildschirm. Laut EY mit Folgen: „Die Nachfrage nach Bewegtbildangeboten wächst nicht mehr – die Konkurrenz aber schon. Beispielsweise durch Kurzvideoformate auf Social Media. Gerade für die junge Zielgruppe, sind diese kurzen Clips inzwischen eine ernsthafte Alternative zu klassischen Serien- und Filmformaten geworden“, so EY-Partner Olaf Riedel. Ein Trend, der 2024 erstmals deutlich wurde.
Wie auch Simon Kucher kommt EY zu dem Schluss: Eine wichtige Möglichkeit für die Streaming-Anbieter, bei potenziellen und vorhandenen Abonnent:innen zu punkten, bleibe der Preis: So sind 38 Prozent der Befragten offen dafür, Werbung bei ihrem Streaming-Dienst zu akzeptieren, wenn dafür die Beträge sinken. Den umgekehrten Weg – also mehr für Inhalte ohne Werbung zu zahlen – wollen demnach nur 28 Prozent der Befragten.
#BigScreenVideo!
Alles wächst auf dem großen Bildschirm zusammen: Fernsehen und Streaming sind schon da, Social TV und Gaming ziehen nach, Zukunftsmodelle richten sich danach aus. Der Big Screen wird zur zentralen und vernetzten Anlaufstelle für Publikum, Publisher und Promotion. Mit Folgen für Menschen, Medien und Marken, für Media- und Business-Modelle, für die Infrastruktur oder auch die Technologiehersteller.
Darüber wollen wir beim #MTM SPECIAL FUTURE VIDEO 2025 sprechen! Die Konferenz findet am 01. April 2025 im House of Communication in München statt und widmet sich der Zukunft von Video: Trends im TV und Streaming und bei der Werbefinanzierung stehen auf dem Programm von #FuVi25.
Mehr Lesenswertes rund um die Themen der MEDIENTAGE MÜNCHEN steht im Blog der Medientage bereit. Inspirierendes kann auch gehört werden: im Podcast der MEDIENTAGE MÜNCHEN.
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