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"Fast forward" mit Twitch

27. März 2024

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Kaum ein TV-Unternehmen ist auf Twitch so aktiv wie die ARD. Auf der ehemaligen Gaming-Plattform erreicht das Erste mit Talk- und Diskussionsformaten ein Publikum, das über das lineare Fernsehen nicht mehr zu erreichen ist. Ann-Kathrin Metzler verantwortet unter anderem als Chefin vom Dienst bei SWR und rbb die Twitch-Formate „MixTalk“ (SWR) und das Community Management von „Politik & wir“ (rbb) für die ARD. Die Social-Media-Expertin über ihre Arbeit an der Schnittstelle – hier im Interview mit dem Blog der MEDIENTAGE MÜNCHEN und am 24. April als Referentin des #MTM SPECIALS Future Video 2024.

 

Frau Metzler, unterschiedliche Twitch-Formate der ARD, darunter der „Mixtalk“ (SWR) und – ganz neu – „Politik & wir“ (rbb). Wie passen eigentlich politische Dialogformate zu der Gaming-Plattform? 

Twitch hat sich in den letzten Jahren von der reinen Gaming-Plattform zu einem Universum mit den verschiedensten Inhalten gewandelt. Das reicht inzwischen weit über Gaming hinaus. Heute gehören unter anderem auch Musik, Politik, Talk und – ganz wichtig – Reactions dazu. Es gibt bereits eine Vielzahl von Livestreams, in denen Creator:innen auf veröffentlichte ARD-Inhalte aus Mediathek oder YouTube reagieren und diese mit ihrer Community diskutieren.

Doch der direkte Austausch auf Twitch mit Formaten wie „MixTalk“ und „Politik & wir“ ist viel einfacher und unmittelbarer. Im Übrigen finde ich, dass sich Gaming und Politik nicht ausschließen. Das konnte man am MixTalk-Live-Stream zu dem Spiel "Hogwarts Legacy", den 90.000 Menschen live verfolgt haben, recht gut beobachten. Der Austausch war sehr vielschichtig und hitzig.  bedient.

 

Das so genannte Hosentaschenfernsehen zieht dem linearen TV immer mehr Aufmerksamkeit ab. Wie unterscheiden sich Social-TV-Nutzende von den traditionellen Medienpublika? 

Im Social TV sind die Zielgruppen grundsätzlich jünger als das lineare Publikum. Die Zielgruppe von Twitch ist im Kern zwischen 25 und 35 Jahren, aber natürlich gibt es auch Fans ab 14 Jahren. Außerdem ist es sehr divers. Dort sind Performer, Hedonisten und Vertreter:innen der Pop- und Nerdkultur anzutreffen, die einander ganz ohne Berührungsängste begegnen.

Wir erschließen mit unseren Formaten Zielgruppen, die die ARD ansonsten kaum bedient.

 

Der Aufwand, solche Social-TV-Formate zu stemmen, ist enorm, denn Inhalte aus dem linearen Kosmos sollten nicht 1:1 auf Social Media gehievt werden. Wie erstellt man Live-Streaming-Inhalte maßgeschneidert für die Twitch-Zielgruppe? 

In erster Linie geht es darum, die Zielgruppe und die Frage „Was interessiert sie?“ im Fokus zu haben. Sie wollen meist schnell und ohne Umwege an Infos kommen. Das geht zum Beispiel mithilfe von kurz geschnittenen Formatteilen wie Grafiken oder Videoinhalten als Zuspieler. Sie wollen auf einen Blick sehen, was Sache ist und zwar ohne viel Drumherum-Gerede. Außerdem wollen sie Teil des Geschehens sein, einfach nur Zusehen war gestern.

Mit der Wertschätzung der Zusehenden und ihres Inputs zum Beispiel im Chat oder per Live-Schalte steht oder fällt der ganze Stream.

 

Können Sie das anhand von „Politik & wir“ erklären, das seit Ende Januar am Start ist? 

Unser Ziel war es, den Dialog in den Vordergrund zu stellen. Dazu wollten wir ein Format entwickeln, in dem wir Politiker:innen mit Menschen zusammenbringen, die von deren Entscheidungen im täglichen Leben betroffen sind.

Der RBB hat sich für die Entstehung sehr eng mit dem SWR über die Erfahrungen aus dem Community-Talk-Format „MixTalk“ ausgetauscht. Das ist ein weiterer toller Aspekt dabei: Wir arbeiten für die Twitch-Formate über alle Landesrundfunkanstalten hinweg zusammen und stehen nicht in Konkurrenz.  

 

Auf Twitch können die Fans auch live mitdiskutieren und Fragen stellen. Was ist die größte Herausforderung dabei? 

Nachdem die Formate ARD-gelabelt sind, haben wir den großen Vorteil, dass die Teilnehmenden vorbildlich diskutieren und sehr zivil miteinander umgehen. Die Kern-Community fühlt sich dort wohl und ist der ARD verbunden. Was uns immer wieder verblüfft: Wir erreichen bei unseren Interaktionsformaten ein überdurchschnittliches Engagement von 40 bis 50 Prozent.

Aber klar, man muss beim Community Management schon mehr Aufwand betreiben, als beim Fernsehen, wo Beschwerden per Post oder E-Mail eintrudeln.

Wir senden live und in Echtzeit. Da holt man sich auch Trolle und Bots rein. Das ist der Kern eines guten Community-Managements, diese Leute fern von denen zu halten, die sachlich diskutieren wollen.

 

Twitch gilt nicht nur als Plattform mit Unterhaltungswert, sondern auch als Fake-News-Schleuder. Kann die ARD mit Formaten wie „Politik & wir“ entgegenwirken? 

Unbedingt! Die ARD arbeitet nach den journalistischen Grundprinzipien, ganz unabhängig von der Plattform. Und das Vertrauen in die öffentlich-rechtlichen Medieninhalte ist immer noch hoch. Diese Standards sollte die ARD nutzen, um auf Social Media in der Nachrichtenflut den Nutzer:innen eine Konstante zu bieten.   

 

Kommerzielle Medienhäuser monieren gerne, dass die Öffentlich-Rechtlichen aus den Formaten keinen Business Case machen müssen. Was erwidern Sie? 

Schon richtig, wir müssen aus unseren Formaten keinen Business Case machen, aber natürlich evaluieren wir, was wir tun. Wir ignorieren die Zahlen nicht und gehen verantwortlich mit den Rundfunkbeiträgen um.

Twitch ist die aktuell am stärksten wachsende Plattform und sie hilft uns, junge Zielgruppen mit der ARD in Kontakt zu bringen. Und unabhängig davon, ob der Absender öffentlich-rechtlich oder privat ist: Alle Medien müssen versuchen, jünger, moderner und spritziger werden, mehr „fast forward“. 

 

Was glauben Sie: Löst Social TV das lineare Fernsehen beim gesellschaftlichen Lagerfeuer ab?  

Ich glaube, dass beide sehr gut koexistieren können. Es ist doch egal, wo die Zuschauenden sitzen. Ob vorm großen Bildschirm oder vor ihrem Handy. Dabei bringt Social Video sicherlich andere Gruppen zusammen als die, die auf dem Big Screen schauen.

Hauptsache, es findet noch Gemeinschaft statt. Doch dazu müssen drei Aspekte passen: der richtige Zeitpunkt, der richtige Ort, das richtige Format.  

 

Zur Person: 
Ann-Kathrin Metzler arbeitet als Chefin vom Dienst (CvD) für das digitale Dialogformat „MixTalk“ der ARD und als Redakteurin beim SWR. Sie studierte Sozialwissenschaften und Kommunikationswissenschaften an der Universität Landau. Währenddessen begann sie in freier Mitarbeit für den Radiosender RPR1. als Redakteurin und Nachrichtenmoderatorin zu arbeiten. Anschließend war Ann-Kathrin Metzler dort als Teamleiterin für den Hörerservice zuständig. Zudem war sie als Redakteurin für die Podcast-Agentur Podever tätig. Für die Lokalzeitung Die Rheinpfalz produzierte Metzler Podcasts und arbeitete im Bereich Online und Social Media. Ihren Master in Cyberpsychologie schloss sie an der FH Wien der WKW ab.

Aktuell betreut sie außerdem unterschiedliche Formate der ARD auf Twitch. Dabei ist Ann-Kathrin Metzler unter anderem als CvD für das Community Management des Formats „Politik & wir“ (rbb) zuständig.

 


Hosentaschenfernsehen vs Big Screen: Wie gucken und streamen wir künftig? Welche Trends setzen sich durch? Welche Media- und Business-Modelle sichern zukunftsfähige Content-Strategien fürs (vernetzte)TV, für den Stream, Video on Demand oder auch für Social Video? Welche Player haben mit ihren Technologien und Anwendungen das Sagen? Und wer sind die Gatekeeper von morgen?
Antworten auf diese Fragen gibt das #MTM SPECIAL FUTURE VIDEO 2024. Die Konferenz findet am 24. April 2024 im House of Communication in München statt und widmet sich der Zukunft von Video: ein Tag mit Insights von Branchenexpert:innen wie Ann-Kathrin Metzler und wegweisenden Konzepten von Unternehmen aus der Bewegtbildwelt. 

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Die Zusammenfassungen wichtiger Panel-Diskussionen sowie Bildmaterial der 37. MEDIENTAGE MÜNCHEN stehen in der Mediathek der Medientage-Homepage und auch im Blog der Medientage bereit.
Die Medienthemen können auch gehört werden: im Podcast der Medientage München. 

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